Holzschuhs Blick auf die Rückrunde "Ich traue den Bayern alles zu"
20.01.2012, 07:34 Uhr
Fit für die Rückrunde? Die Spieler des FC Bayern beim Training in Dohar, Katar.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Bayern werden Meister und können die Champions League gewinnen, Gladbach wird nicht einbrechen , Augsburg bleibt erstklassig und Wolfsburg die Wundertüte der Liga - das sind einige Prognosen von Rainer Holzschuh. Im Interview mit n-tv Sportchef Timo Latsch spricht der "Kicker"-Herausgeber aber nicht nur über die sportliche Perspektiven in der Liga, sondern auch über die Leistungen der Schiedsrichter in der Hinrunde, die erhöhte Gewaltbereitschaft unter den Fans und den Fußball der Zukunft.
n-tv: Herr Holzschuh, wie groß ist Ihre Vorfreude auf den Rückrundenstart mit Gladbach gegen Bayern?
Rainer Holzschuh: Es ist wie jedes Jahr. Eine Pause tut gut, aber jetzt zähle ich die Stunden rückwärts, zumal wir ja gleich ein Spitzenspiel haben. Da geht es gleich zur Sache. Die Gladbacher haben eine tolle Hinrunde gespielt und werden auch bis zum Ende oben mitspielen können. Toll, was Lucien Favre dort aufgebaut hat. Es ist viel Bewegung in der Liga. Gladbach, aber auch Schalke und Bremen waren letztes Jahr unten und jetzt sind sie oben dabei. Nürnberg und Mainz dagegen haben Probleme. Ich freu mich auf den Rückrundenstart mit sicher wieder vielen Überraschungen. Die Ausgeglichenheit der Liga, mit Ausnahme der Bayern, tut allen gut.
Was trauen Sie den Bayern in diesem Jahr zu? Der ein oder andere träumt vom lang ersehnten Triple, zumal das Champions-League-Finale in München stattfindet.
Ich traue den Bayern alles zu. Sie werden Deutscher Meister und im Pokal sind sie auch der Favorit, trotz der schweren Aufgabe in Stuttgart. Zwei Titel werden es wohl werden und die Chancen aufs Triple sind da. Vor zwei Jahren hat es schon fast geklappt. In dieser Saison sind die mit Jupp Heynckes noch gefestigter geworden. Die Entscheidung, dass die Bayern im Winter keine Spieler abgegeben, ist richtig. In der Champions League brauchen sie aber auch das nötige Glück.
Den Bayern-Verfolgern bleibt also das Nachsehen. Haben die Dortmunder nicht den Vorteil, dass sie keine Dreifachbelastung haben? Was trauen Sie Jürgen Klopp und seiner Mannschaft zu?
Dortmund hat nach schwachem Start die Kurve bekommen. Sie haben das krasse Versagen in der Champions League gut verarbeitet. Klopp entwickelt behutsam eine Mannschaft weiter, die viel Potential hat und den Bayern auf Jahre hinaus Paroli bieten kann. Sie haben den psychologischen Vorteil, dreimal in Folge gegen München gewonnen zu haben. Dennoch reicht es am Ende nur zu Rang zwei, was aber immer noch ein tolles Ergebnis wäre für den BVB. Schalke und auch Gladbach werden oben bleiben und können sich auf die Champions League freuen.

Kicker-Herausgeber und n-tv-Fußballexperte Rainer Holzschuh (l) im Gespräch mit n-tv-Sportchef Timo Latsch im Jumeirah-Hotel in Frankfurt.
Leverkusen und Wolfsburg waren in negativer Hinsicht die Überraschungsmannschaften in der Hinrunde. Geht es für sie nach oben oder könnten es für beide schwierige Rückrunden werden?
Bei beiden fallen Prognosen schwer. Leverkusen hat die Qualität noch mal oben reinzurutschen, aber es kann auch weiter nach unten gehen. Die Qualität ist im Kader vorhanden, aber sie konnte in der Hinrunde nicht abgerufen werden. Wenn der Rückrundenstart nicht gelingt, wird es heiß her gehen bei Bayer. Felix Magath ist ebenfalls alles zuzutrauen. Er spielt immer stärkere Rückrunden als Hinserien. Wenn alles passt, dann kann Wolfsburg noch Sechster werden, aber ich habe große Zweifel. Es kann auf Dauer nicht gesund sein, wenn ein Verein alle sechs Monate nahezu den halben Kader ausmistet.
Wer steigt ab?
Freiburg ist erster Anwärter. Wer auf dem letzten Platz steht und sechs Erstligaspieler ausmustert, der hat es sehr schwer, zumal die Qualität des Gesamtkaders bescheiden ist. Der Abgang von Cissé ist ebenfalls ein riesiger Verlust. Nürnberg und Kaiserslautern müssen ebenfalls aufpassen. Augsburg hingegen kann es schaffen. Die Mannschaft ist zwar qualitativ nicht gut besetzt, aber sie hat eine tolle Mentalität entwickelt. Ich kann nur warnen: Letztes Jahr ist Frankfurt abgestiegen. Dieses Jahr könnte es auch noch für Hoffenheim und sogar Hannover eng werden. Die Europa-League lenkt ab und es herrscht Unruhe im Verein. Wichtige Spieler sind angeschlagen oder beim Afrika-Cup. Da kann die Tendenz ganz schnell nach unten gehen.
Ein Thema der Hinrunde waren die Schiedsrichterleistungen. Sind die Zuschauer und die Journalisten kritischer geworden oder die Schiedsrichter schlechter?
Ich habe einen riesigen Respekt vor den Schiedsrichtern. Deutschland hat überaus gut ausgebildete Schiedsrichter, vielleicht die besten im internationalen Vergleich. Spieler, Trainer und auch Verantwortliche sollten mit der Kritik zurückhaltender sein. Dieses ewige Reklamieren auf dem Feld muss nicht sein. Da sollten die Vereine mit den Spielern reden. Außerdem bin ich für den Chip im Ball, spätestens seit der WM 2010 und dem Tor der Engländer gegen uns. Alle weiteren Hilfsmittel machen den Charakter des Fußballs und die Schnelligkeit kaputt. Lasst Fehlentscheidungen zu, sie gehören zum Fußball.
Vor allem in der Zweiten Liga hat es einige Ausschreitungen gegeben, dazu das Pokalspiel Dortmund gegen Dresden. Zuletzt sind bei einem Hallenturnier in Hamburg rivalisierende Fangruppen aufeinander getroffen. Laut einer "Kicker"-Umfrage haben rund 22 Prozent der Profis Angst vor Ausschreitungen. Erleben wir eine Zunahme an Gewalt in deutschen Stadien?
Die Gewalt unter gewaltbereiten Hooligans hat zugenommen, die Gewalt unter Fans nicht. Aber gerade diese sind gefordert. Sie müssen sich mehr von den Hooligans distanzieren. Viele Fanklubs machen das nicht deutlich genug. Sie müssen Vereine und Polizei unterstützen. Das ist nicht leicht, aber anders geht es nicht. Kein Präsident dieser Welt und kein Polizist dieser Welt kann das regeln. Jeder Einzelne ist gefordert.
Quelle: ntv.de, Mit Rainer Holzschuh sprach Timo Latsch