Juventus im freien Fall Inter siegt und tobt
25.01.2010, 15:50 UhrSo wütend war Inter Mailand nach einem Derbytriumph noch nie. Trotz eines fulminanten Sieges gegen Milan geht der Meister anschließend auf die Barrikaden, weil er sich betrogen fühlt. Bei Rekordmeister Juventus Turin sind die Fans die Empörten – wegen der konstant katastrophalen Leistungen ihres Teams.
Tabellenführer Inter fühlt sich in der italienischen Serie A von Verschwörern umzingelt. "Das stinkt doch. Sie wollen uns den Meistertitel nicht frühzeitig gewinnen lassen", schimpfte Inter-Trainer José Mourinho nach dem 2:0-Sieg im Derby gegen Lokalrivale AC Mailand. "Heute wurde alles getan, damit wir nicht siegen", unterstellte der Portugiese Schiedsrichter Gianluca Rocchi offen Parteilichkeit, weil der gleich zwei Inter-Spieler vom Platz stellte und Verfolger Milan im Spitzenduell auch noch einen umstrittenen Elfmeter zusprach.
Aber weder der tatsächlich katastrophale Rocchi noch der blasse Lokalrivale konnten den aufgebrachten Titelverteidiger bändigen. "Heute hätten sie uns allenfalls mit nur noch sechs Mann auf dem Platz geschlagen", tönte Mourinho.
Zwei umstrittene Platzverweise
Nachdem Milito Inter in der zehnten Spielminute in Führung gebracht hatte, stellte Schiedsrichter Rocchi Weslej Sneijder in der 26. Minute wegen Meckerns vom Platz. "Das war ungerecht. Der Schiedsrichter war sehr schlecht", wetterte sogar der sonst eher zurückhaltende Inter-Präsident Massimo Moratti. Trotz Unterzahl erhöhte der Spitzenreiter in der 65. Minute durch Pandev auf 2:0, das Inter-Torwart Julio Cesar mit einer Elfmeterparade gegen Ronaldinho kurz vor Schluss sicherte. Lucio hatte den Ball im Strafraum an die Hand bekommen, wofür ihm Rocchi - wohl zu Unrecht - Rot zeigte.
Nach dem 95. Derbysieg hat Inter (49 Punkte) den Tabellenzweiten Milan (40), der ein Spiel weniger ausgetragen hat, zumindest ein bisschen abgehängt. Der fünfte Meistertitel in Serie scheint greifbar nah - wären da nicht die von Mourinho vermuteten dunklen Mächte, die auch Club-Chef Moratti zu wittern glaubt: "Der Titel ist noch nicht gewonnen, weil uns ein Wind entgegen bläst", orakelte der Inter-Boss. Nun ist es im aufgeregten Fußball-Land Italien nur noch eine Frage der Zeit, bis die ersten Mafia-Schlagzeilen und Komplott-Geschichten erscheinen.
Schlimmste Krise seit 30 Jahren
Während Inter die Liga aufmischt, herrscht bei Rekordmeister Juventus Turin Katzenjammer. Nach fünf Niederlagen in den letzten sechs Punktspielen sind die Fans wütend und die Sponsoren auf der Flucht, die Krise hat ihren vorläufigen Tiefpunkt erreicht. John Elkann, Vizepräsident des Autobauers Fiat, Mehrheitsaktionär des italienischen Fußball-Rekordmeisters, drängt auf die Entlassung von Trainer Ciro Ferrara, der nach der 1:2-Pleite beim Heimspiel gegen AS Rom noch stärker ins Kreuzfeuer der Kritik geraten ist. Nach dem Spiel zogen einige Juve-Anhänger spontan zur Geschäftsstelle zu einer Demonstration und forderten Umstrukturierungen in der Vereinsführung.

Gegen den AS Rom versetzte John Arne Riise der alten Dame in der Nachspielzeit den K.o.
(Foto: REUTERS)
"Es ist die schlimmste Krise von Juventus Turin der letzten 30 Jahre", kommentierte die Turiner Tageszeitung "Tuttosport". Seit Tagen wird in den italienischen Medien über eine Ablösung des 42-Jährigen Trainers spekuliert, der jedoch freiwillig das Handtuch nicht werfen will. Seine Entlassung wäre der fünfte Trainerwechsel in vier Spielzeiten - ein Rekord in der Geschichte des Vereins.
Lippi wieder ein Kandidat
Turins Generaldirektor Roberto Bettega ist laut italienischen Medien bereits auf der Suche nach einem neuen Trainer. Zu den Kandidaten zählen der ehemalige Nationalmannschaftscoach Dino Zoff sowie der Ex-Trainer des FC Chelsea, Gianluca Vialli. Der Verein könnte sich auch zu einer Übergangslösung entscheiden, bis Nationalcoach Marcello Lippi nach der WM in Südafrika wieder frei wäre, um zu seinem Ex-Verein zurückzukehren.
Lippi hatte die "Alte Dame" bereits zweimal von 1994 bis 1998 und dann von 2001 und 2004 gecoacht, unter ihm gewann Juventus fünf Meisterschaften. Die Führung des Klubs, die in den letzten Jahren stark auf Sparkurs gesetzt hat, um ihre Bilanzen in Ordnung zu halten, will keine riesige Summe für einen neuen Trainer ausgeben. Daher scheint es vorerst unwahrscheinlich, dass der Niederländer Guus Hiddink nach Turin wechseln könnte. Der russische Nationaltrainer hatte zuletzt vom eigenen Verband die Erlaubnis erhalten, nebenbei noch einen Klub zu trainieren.
Sponsoren vor dem Absprung
Allerdings macht dem Juve-Management nicht nur der sportliche Niedergang zu schaffen. Auch die Fans bleiben ein Sorgenfaktor. Beim Spiel gegen Rom wurden die Juve-Tifosi von der südlichen Fankurve des Olympia-Stadions ausgeschlossen, nachdem sie beim Spiel gegen FC Chievo vor einer Woche erneut wegen rassistischer Gesänge gegen Inter-Stürmer Mario Balotelli negativ aufgefallen waren. Zudem wirkt sich die Talfahrt negativ auf die Finanzen des Klubs aus. Mehrere Sponsoren überlegen, ihre Verträge mit Juve und einigen ihrer Stars aufzulösen.
Quelle: ntv.de, sid/dpa