
Rasende Liebe.
(Foto: imago sportfotodienst)
Herthas Trainer Otto Rehhagel fühlte sich in der Relegation der Saison 2011/12 an düsterste Zeiten zurückerinnert. Und auch der ARD-Kommentator glaubte nicht, was er da live mitansehen musste. In Dortmund dagegen feierten sie ihre Mannschaft und einen strauchelnden Holländer - bevor ein Fauxpas den königsblauen Rivalen lachen ließ!
"Das ist jetzt bitte wirklich nicht sein Ernst, dass er da versucht, Rasen aus … das ist nicht zu fassen … das ist nicht zu fassen. Da möchte er den Elfmeterpunkt mitnehmen vor Spielende. Das habe ich noch nicht erlebt, das ist unterirdisch, das ist alles nicht wahr …!" Beim sogenannten Skandalspiel der zweiten Partie in der Relegation zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC (2:2, nach einem 1:2 im Hinspiel) entwendete beim Finale der Saison 2011/12 ein junger Mann noch vor Ablauf der Begegnung einen der beiden Elfmeterpunkte aus dem Rasen - live vor einem Millionenpublikum in der ARD. Kommentator Tom Bartels war entsetzt. Und ein Mann konnte ihn besonders gut verstehen: Otto Rehhagel.
Für den gebürtigen Essener, der sich selbst als "Kind der Bundesliga" bezeichnet, hatte sich Ende Februar 2012 der Kreis geschlossen. In Berlin begann seine Bundesligakarriere als Spieler, und nun kam er mit 73 Jahren als Trainer zur Hertha zurück. Doch auch einem alten Hasen wie ihm wurde nichts geschenkt. Bei seinem ersten Spiel auf der Bank unterlag sein neuer Klub mit 0:3 in Augsburg. Rehhagel wurde anschließend gefragt, wie ernüchtert er sei und antwortete pointiert: "Ich bin immer nüchtern, weil ich ja Anti-Alkoholiker bin." Am Ende scheiterte die Hertha in der Relegation gegen Fortuna Düsseldorf.
Rehhagel hatte "Halb-Angst"
Beim Rückspiel in der NRW-Landeshauptstadt rannten bereits vor dem Abpfiff erste Fans auf den Rasen. Da die Partie erst nach einer längeren Unterbrechung fortgesetzt werden konnte, drangen die Berliner in zwei DFB-Verhandlungen auf ein Wiederholungsspiel. Besonders die Vernehmung Rehhagels vor dem Untersuchungsausschuss wurde zu einem Spektakel. Der Hertha-Trainer über die Ereignisse auf dem Düsseldorfer Rasen: "Für mich war das alles irregulär, das war ein Ausnahmezustand, wie ich ihn in 40 Jahren als Bundesligatrainer nicht erlebt habe. Ich hatte Halb-Angst. Ich habe 1943 bei der Bombardierung der Amerikaner in Essen im Keller gesessen, da hatte ich Angst. Ich bin ein erfahrener Mensch, habe die Meute kommen sehen. Da habe ich gedacht: Otto, du brauchst einen Ausweg! So etwas habe ich noch nie erlebt! Und das in Düsseldorf, Klein-Paris. Ich dachte, da lustwandeln die Leute nur."
Ansonsten war es die Spielzeit des BVB! Gleich die Auftaktpartie gegen den Hamburger SV geriet zu einem beeindruckenden Schaulaufen. Die Borussia gewann an diesem Eröffnungsabend der 49. Spielzeit mit 3:1 und konnte sich hinterher des Respekts der anderen Klubs sicher sein. Selbst Bayern-Präsident Uli Hoeneß lobte die Dortmunder für seine Verhältnisse fast schon ausgelassen enthusiastisch: "Für das erste Spiel war es schon sehr ordentlich."
Mit 81 Zählern stellte der BVB am Ende der Spielzeit einen neuen Punkterekord auf. Nie zuvor hatte ein Team zudem in einer Halbserie mehr Zähler (47) geholt als die Borussia in der Rückrunde. Nur der FC Bayern München schaffte in der Spielzeit 1972/73 ebenso viele Saisonsiege (25) wie der BVB. In 28 Partien hintereinander blieben die Dortmunder ungeschlagen und verzeichneten zu guter Letzt bei den Zuschauerzahlen auch noch einen neuen Bundesligarekord. Im Schnitt sahen 80.522 Anhänger die Partien des BVB im heimischen Stadion.
Peinlicher Fauxpas des BVB
Knackpunkt der Saison im Kampf um den Titel war der 1:0-Erfolg der Borussia gegen den FC Bayern am 30. Spieltag. Als der Niederländer Arjen Robben in der 86. Minute mit seinem Elfmeter an BVB-Keeper Roman Weidenfeller scheiterte, bedeutete dies den gefühlten Titelgewinn. Franz Beckenbauer war nach der Partie sauer: "Bei mir als Trainer hätte Robben nicht geschossen. Es ist Gesetz im Fußball, dass der Gefoulte nicht schießt, aber vielleicht ist das Gesetz geändert worden oder noch nicht bis nach Holland durchgedrungen." Das atemberaubendste Spiel der Saison war die Partie zwischen Borussia Dortmund und dem VfB Stuttgart. 4:4 endete die Begegnung, die in den letzten zwanzig Minuten ein ständiges Auf und Ab der Gefühle war. Dortmunds Trainer Jürgen Klopp meinte hinterher noch sichtlich gezeichnet: "Jetzt wissen wieder alle, warum sie so viel blechen sollen."
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Doch auch der größte Fauxpas passierte in Dortmund - auch wenn der BVB selbst dafür nichts konnte. Eine Bank warb für eine gesponserte Auswärtsfahrt zu einem Spiel des BVB in einem Fan-Bulli. Die Anzeige, die im Stadionmagazin der Borussia erschien, schmückte ein junger Mann mit einem Megafon, der offensichtlich vor einer größeren, begeistert die Hände zum Himmel reckenden Menschenmenge etwas skandierte. Die schwarze Jacke des Mannes zierte auf dem Rücken ein riesiges gelbes BVB-Logo, und auch das Megafon war in den Vereinsfarben gehalten. So weit, so gut, doch jetzt kam die Blamage: Denn auf dem Bild war kein BVB-Anhänger zu sehen, sondern der Vorsänger (Capo) der Ultras Gelsenkirchen.
Mit Photoshop hat man ihm das Logo der Borussia auf den Rücken gemalt und auch das Megafon gelb eingefärbt. Dumm nur, dass der Grafiker auf dem oberen Teil der Flüstertüte den Schriftzug "Ultras Gelsenkirchen" übersehen hatte. Wer auch nur ein wenig die herzlich gelebte Rivalität im Revier zwischen "Herne-West" (Schalke 04) und "Lüdenscheid-Nord" (Borussia Dortmund) kennt, der kann sich vorstellen: Die Geschichte war für das Fanlager der Königsblauen natürlich ein gefundenes Fressen!
Quelle: ntv.de