
Vor dem Finale Dahoam waren die Bayern-Fans noch optimistisch.
(Foto: imago sportfotodienst)
Ein Prügel-Skandal, das Finale dahoam verloren und ein neuer großer Konkurrent aus Dortmund, der gerade das Double gewonnen hatte, beherrschen im Mai 2012 die Schlagzeilen. Der FC Bayern liegt vor zehn Jahren am Boden - und steht nach der großen Schlappe wundersam wieder auf.
Noch in der Nacht nach der verheerenden und so unglücklichen Niederlage des FC Bayern München im Endspiel der Champions League zu Hause im eigenen Stadion - "Finale dahoam" - gegen den FC Chelsea hatte Uli Hoeneß Klartext gesprochen: "Es muss etwas passieren!" Es war die Nacht, in der der ehemals so stolze Klub realisierte, dass es so nicht mehr weitergehen könne. Und es war der Moment, in dem der FC Bayern München diese imponierende Siegesserie der vergangenen zehn Jahre startete. Wenn man zurückschaut auf diese sportlich so frustrierenden Wochen im Frühjahr 2012, dann erkennt man deutlich die Wurzeln der großen Erfolge des letzten Jahrzehnts.
Während man in Dortmund die zweite deutsche Meisterschaft in Folge ausgelassen feierte, gerieten in München die Spieler aneinander. "Ich habe Scheiße gebaut", meinte Franck Ribéry hinterher schuldbewusst - und das sahen die Bayern-Offiziellen ganz genauso. 50.000 Euro Strafe brummten sie dem französischen Nationalspieler auf. Doch was war geschehen? Beim Hinspiel in der Champions League zu Hause gegen Real Madrid hatte Ribéry seinem niederländischen Kollegen Arjen Robben in der Halbzeitpause mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Zuvor hatten sich die beiden auf dem Platz um die Ausführung eines Freistoßes gestritten. Zwar war der Franzose am Wochenende drauf demonstrativ nach seiner Auswechslung in Bremen zu Robben, der auf der Bank saß, gelaufen, doch dem Niederländer reichte dieser öffentliche Showact zuerst nicht. Er forderte, von Ribéry eine persönliche, echte Entschuldigung ein. Doch das Problem von "Robbery" sollte bei weitem nicht das einzige des FC Bayern in diesen Wochen sein.
Nachdem man in Dortmund die Meisterschaft durch einen kläglich vergebenen Elfmeter - ausgerechnet von "Prügelopfer" Robben - hergeschenkt hatte, gelang auch in Berlin keine Revanche. Der BVB sicherte sich mit dem fünften (!) Sieg in Folge über den FC Bayern auch den DFB-Pokal - und damit das Double. Vor dem Finale hatten die Anhänger der Münchener noch voller Hoffnung gesungen: "Wir scheißen auf die Meisterschaft, wir scheißen auf die Schale, wir sind der FC Bayern und holen zwei Pokale!" Nun gab es nur noch eine einzige Chance auf eine Trophäe in dieser Saison: Das "Finale Dahoam" gegen den FC Chelsea.
Reifeprozess nach Pleite Dahoam
Schon zwei Jahre zuvor hatte Uli Hoeneß auf der Jahreshauptversammlung gesagt: "2012 findet das Champions-League-Finale in München statt. Da müssen wir dabei sein!" Und tatsächlich hatte sich die Mannschaft im Halbfinale in zwei herausragenden Spielen letztendlich im Elfmeterschießen gegen Real Madrid durchgesetzt. Held des Spiels war Bastian Schweinsteiger. Nachdem er den entscheidenden Elfmeter im Estadio Santiago Bernabéu von Madrid versenkt hatte, meinte er hinterher grinsend in die Kameras: "Ich hatte meine Eier verloren. Rechtzeitig zum Anlauf habe ich sie wiedergefunden." In dieser Nacht gestand die Boulevardpresse dem zuvor stets umstrittenen Schweinsteiger die Wandlung vom "Chefchen" zum "Chef" zu. Doch bevor er wirklich zum echten Leader der Bayern (und später auch der Nationalmannschaft) wurde, sollte er noch eine letzte Reifeprüfung durchmachen müssen. Dazu später mehr.
Und noch ein Spieler rückte langsam bei den Bayern in den Fokus: Torhüter Manuel Neuer. Zum Beginn der Saison war er vom FC Schalke 04 gekommen und von den Fans der Münchener ("Koan Neuer") nicht gerade freundlich empfangen worden. Karl-Heinz Rummenigge geriet nun allerdings nach nur einer Spielzeit bereits ins Schwärmen, wenn er von Bayerns neuer großer Torwart-Hoffnung sprach: "Manuel hat dieses Feuer, die Gier auf den Erfolg sieht man in seinen Augen." Auch wenn es für die meisten Münchener in diesen schweren Stunden des Mai 2012 eher noch ein zartes Gefühl war: Eben dieser Manuel Neuer sollte zum Garanten dafür werden, dass dem strauchelnden FC Bayern in den folgenden Jahren nicht nur die Wiederauferstehung, sondern auch diese unglaubliche Erfolgsserie gelingen sollte.
Doch zuvor stand noch das so lange und sehnsüchtig erwartete "Finale dahoam" gegen den FC Chelsea an. Und wer weiß? Hätte Didier Drogba nicht in der 88. Minute für die bis dahin quasi chancenlosen Londoner ausgeglichen, die Geschichte des FC Bayern der letzten zehn Jahre wäre vermutlich eine andere gewesen. Doch nachdem im abschließenden Elfmeterschießen Philipp Lahm, Mario Gomez und Manuel Neuer die Bayern bereits mit 3:1 in Führung gebracht hatten, sollte Bastian Schweinsteiger - nach einem Fehlversuch von Olic - mit seinem verschossenen Elfmeter zum tragischen Helden dieses Abends und der schicksalshaften Niederlage gegen Chelsea werden. Er war allerdings mit seinem traurigen Los nicht alleine. Denn ausgerechnet Arjen Robben war in der 95. Spielminute bereits mit einem Foulelfmeter an Chelsea-Torhüter Petr Cech gescheitert. Eine Niederlage für den FC Bayern, die an Dramatik kaum zu überbieten war - und deren tiefe emotionale Spuren einerseits den Weg für einen personellen Neuanfang freimachten und andererseits eine Vielzahl von Spielern in ihrer Entwicklung entscheidend reifen ließen.
Wildern beim BVB
Philipp Lahm, Manuel Neuer, Bastian Schweinsteiger, Arjen Robben, Jérôme Boateng und Thomas Müller legten in den folgenden Jahren erst so richtig los. Und dazu investierte der FC Bayern München zudem richtig viel Geld in neue Spieler. Neben Dante kam für 40 Millionen Euro auch Javier Martínez aus Spanien, der bis dahin teuerste Transfer der Bundesliga, zum Rekordmeister. Und: Die Münchener begannen in Dortmund zu wildern.
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Zwei Jahre vor Ende seines Vertrages beim BVB signalisierte ein gewisser Robert Lewandowski über die Medien durchaus Gesprächsbereitschaft, weil er sich fragte, "was er in Dortmund noch erreichen" könne. Doch Aki Watzke, Jürgen Klopp und Michael Zorc stellten, ähnlich wie heute Oliver Kahn, sofort klar: "Die nächsten zwei Jahre spielt Robert Lewandowski bei uns. Es gibt keine Summen, die uns umstimmen könnten. Robert ist nicht auf dem Markt." Die Bayern allerdings blieben hartnäckig - und warteten tatsächlich zwei Jahre auf den Polen. Zuvor allerdings schwächten sie den BVB mit dem Wechsel von Mario Götze - und später mit Mats Hummels - nicht nur sportlich, sondern vor allem auch psychologisch nachhaltig und schwer.
Und so legte das dreifache Vize-Drama des FC Bayern München im April und Mai 2012 die Wurzeln für eine Wiederauferstehung, die es so im deutschen Fußball noch nie gab. Seit diesen düsteren Tagen im Frühjahr vor zehn Jahren sind die Bayern zehn Mal in Folge deutscher Meister geworden und konnten alleine zweimal das Triple gewinnen. Man darf gespannt sein, wie lange diese Wurzeln den FC Bayern München noch nähren werden.
Quelle: ntv.de