Fünfkämpferin ist wieder dabei Olympionikin muss das "Hau drauf"-Trauma ausblenden
10.08.2024, 07:29 Uhr
Die Olympischen Spiele in Tokio wurden für Annika Zillekens zum Albtraum.
(Foto: dpa)
Sie sorgt wohl für das schlimmste Bild der Olympischen Spiele 2021: Annika Zillekens schlägt im Modernen Fünfkampf aus Verzweiflung ihr Pferd. Ihre Tränen bleiben, ein Prozess und Morddrohungen. Vel hat sich seitdem für die 34-Jährige verändert - in Paris geht es vor allem um eine persönliche Mission.
Der letzte Ritt hat alles verändert. Drei Jahre ist der Wettkampf nun her, der für Annika Zillekens und den Modernen Fünfkampf zum Trauma wurde. Eine verzweifelte Reiterin, ein verstörtes Pferd. Tränen. Schmerzen. Gerte und Sporen. Aus Tokio flimmert das Drama auf die TV-Bildschirme der Welt. Wer sein Gerät nicht auf stumm geschaltet hat, hört Kim Raisner über die Außenmikrofone. "Hau drauf!", ruft die Bundestrainerin ihrer überforderten Athletin zu.
Zillekens haut drauf, auf Saint Boy, das ihr zugeloste Pferd, das auch unter Gewalteinwirkung nicht so will wie seine Reiterin. Es sind brutale Szenen. Es geht um Gold. Am Ende verliert Zillekens, die damals unter ihrem Mädchennamen Schleu startet, mehr als eine Medaille. Sie wird als Tierquälerin beschimpft, muss sich vor Gericht verantworten. Ihr Ruf ist beschädigt.
Viel Zeit ist seither vergangen. Zillekens hat geheiratet und eine Babypause eingelegt. Um das Podest ging es Zillekens nicht vornehmlich, als sie am Donnerstag mit dem Fechten in Paris auf die Olympia-Bühne zurückkehrte - von 35 Gefechten gewann sie 17. Entscheidend wird es für sie erst jetzt am Samstag und Sonntag. Die 34-Jährige will vor allem ihren Frieden schließen mit den Olympischen Spielen, dem Event, das sie über mehr als ein Jahrzehnt motiviert hat.
"Zu Pferdeschlächtern gemacht"
Die Vergangenheit blendet Zillekens nicht aus. Doch sie ist eben das: Vergangenheit. Sie habe "einfach akzeptiert, dass es Teil meiner Geschichte ist, nicht unbedingt der schönste", sagte sie der "Zeit". Unschön auch, weil Beleidigungen im Netz und sogar Morddrohungen dunkle Kapitel jener Geschichte sind. Man sei, sagte Raisner zuletzt im Interview mit Münchner Merkur/tz, bei aller berechtigter Kritik "zu Pferdeschlächtern gemacht" worden.
Zillekens wird aufgrund ihrer Vorgeschichte unter besonderer Beobachtung stehen. Das gilt auch für ihre Sportart. In Paris endet eine 112-jährige Tradition. Das seit Zillekens Trauma von Tokio umstrittene Reiten ist nach den Spielen nicht mehr Teil des Wettkampfprogramms. In Zukunft kommt der neue Hindernis-Wettkampf ("Obstacle") zum Einsatz. Die Reform hat dem Modernen Fünfkampf seinen Platz im olympischen Programm gerettet.
Regelwerk fürs Reiten verändert
Der letzte Ritt wird anders. Bilder wie in Tokio sollen sich am Wochenende nicht wiederholen. Das Regelwerk hat sich geändert. Der Parcours ist verkürzt. Unter anderem gibt es zwei Hindernisse weniger, sie liegen zehn Zentimeter niedriger. "Die Franzosen", sagte Raisner dem SID zudem, "haben sich sehr, sehr viel Mühe gegeben, die Pferde sehr gut vorzubereiten." Pferde, die für dieses Format passen: "Wir sind gut vorbereitet. Wir wollen zeigen können, dass wir gute Reiter sind."
Ein neues Format, eine neue Situation, ein neues Pferd, eine neue Chance. Tokio ist aus den Köpfen. "Wir wollen in die Zukunft gucken", sagte Raisner. Und Olympia in schöner Erinnerung behalten. "Wenn es für eine Medaille reicht - Wahnsinn. Aber auch mit einem Platz unter den Top Ten kann ich versöhnlich abtreten", sagte Zillekens. Ihr letzter Ritt steht kurz bevor.
Quelle: ntv.de