"Sie waren perfekt" US-Superstars berauschen sich am Rande der Hölle

LeBron James und Steph Curry hatten Spaß am Rande der Katastrophe.

LeBron James und Steph Curry hatten Spaß am Rande der Katastrophe.

(Foto: IMAGO/justpictures.ch)

Was wäre das für ein Schock gewesen: Im olympischen Halbfinale stehen die US-Basketballer kurz vor dem Aus, bevor die Ansammlung von Superstars es doch noch aufs nächste Level schafft. Die Stars und ihr Trainer sind nach einem großen Comeback berauscht.

Das Team, das die USA zu den Olympischen Spielen nach Paris entsendet haben, ist die spektakulärste Ansammlung an Basketball-Superstars seit dem "Dream Team", das 1992 in Barcelona Gold holte: Steph Curry, LeBron James, Kevin Durant - alle haben sie sich für die Mission Gold versammelt.

Es ist der hochkarätigste Wanderzirkus des Sports, jeder Spieler ist für sich eine Ein-Mann-Show, die die Fans rund um den Planeten begeistern kann. Alles andere als der Titel ist unvorstellbar. Und dann ist es auf einmal beinahe vorbei, viel zu früh: Gegen Serbien, das seinerseits mit Nikola Jokic den besten Basketballer der NBA aufbietet, das Team, das sie in der Gruppenphase noch mit 110:84 überrollt hatten, liegen die USA im Halbfinale sieben Minuten vor dem Ende mit elf Punkten zurück.

Es dauerte drei Viertel, dann legten sie endlich die ganz große Show auf, die die Fans in der Bercy Arena zum Ausrasten brachte. Am Ende drehen sie einen 13-Punkte-Rückstand zu Beginn des Schlussviertels noch in einen 95:91-Sieg um. Sie hatten sich, angeführt vom überragenden James, im Finale eines lange enttäuschenden Matches doch noch in einen großen Rausch gespielt. Gerade noch rechtzeitig, um eine olympische Katastrophe zu verhindern.

Ein Scheitern ist unvorstellbar und war doch so nahe. Kerr hatte in der Vorbereitung nach einem mühevollen Testspielsieg gegen Deutschland erklärt, sein Team habe "noch ein weiteres Level" in sich. Anschließend korrigierte er sich umgehend. "Wir haben noch zwei höhere Level in uns - aber dafür kommt es, wie immer, auf die gesamte Mannschaft an." Gemeinsam fanden sie nun spät das nächste Level.

Kerr fühlt sich "geehrt"

James glich zum 84:84 aus, Superschütze Steph Curry brachte sein Team wenig später zum ersten Mal seit Ewigkeiten in Führung (87:86). Sie grinsten und lachten während ihrer Aufholjagd, am Rande der Hölle war die Stimmung in den Schlussminuten prächtig. "So viel Spaß hatte ich lange nicht mehr", sagte Curry später. Die Halle kochte, sie bebte und die überragenden Einzelkönner versprühten Teamgeist wie selten in der Geschichte der großen US-Teams.

"Ich fühle mich wirklich geehrt, Teil dieses Spiels gewesen zu sein", sagte US-Trainer Kerr hinterher. "Es ist eines der großartigsten Basketballspiele, bei dem ich je dabei war. Sie waren perfekt. Sie haben ein perfektes Spiel gespielt." Zur Einordnung: Kerr spielte einst für die Chicago Bulls, das spektakulärste Basketball-Team des ausgehenden zweiten Jahrtausends.

An der Seite von Michael Jordan, dem besten Spieler, den das Spiel hervorgebracht hat, holte Kerr in der NBA drei Titel, die Finalserie 1997 entschied er persönlich mit einem Treffer in der letzten Sekunde von Spiel sechs gegen die Utah Jazz. Nach seinem Wechsel zu den San Antonio Spurs holte er 1999 seine vierte Meisterschaft in Serie, 2003 die letzte. Als Coach führte Kerr die Golden State Warriors dreimal zur Meisterschaft. Kerr ist einer, der weiß, wovon er spricht.

Besser als das Dream Team?

"Noch ein Sieg, verdammt nochmal ein Sieg. Steph (Curry) und Joel (Embiid) haben uns heute gerettet", brüllte Anführer James im Mannschaftskreis der Multimillionäre, die nun vor Augen haben, was man mit Geld nicht kaufen kann, Curry, der 14 der ersten 15 Punkte seines Teams erzielte und am Ende mit sagenhaften 36 Punkten Topscorer der nervenaufreibenden Partie war, schwärmte: "Dafür, dass wir alle Superstars und Hall of Famers in unseren jeweiligen Teams sind, und dafür, was wir alles erreicht haben, ist die Bereitschaft da, und nur so kann man gewinnen", sagte der Distanzschütze, der mit zwei verwandelten Freiwürfen den Deckel auf das Nervenspiel machte. "So zurückzukommen, wie wir es getan haben, war etwas Besonderes." Kevin Durant, der im Schlussviertel wichtige Versuche aus der Halbdistanz traf, fand die Vorstellung seines Teamkollegen "göttlich".

Trainerlegende Svetislav Pesic, der Deutschland einst zum Europameister gemacht hatte und nun die Serben zur Sensation führen wollte, hatte vor dem Turnier verkündet: "Dieses amerikanische Team ist besser als das ursprüngliche Dream Team von 1992." Dieser Erwartung wurden sie spät noch gerecht und spielen nun um den fünften Olympiatitel in Serie. 2004 hatten die USA letztmals den goldenen Triumph verpasst, die Bronzemedaille von Athen 2004 war eine große Demütigung für LeBron James.

Embiid wird wichtig

Während James, der größte unter den globalen Superstars, die bisher so locker durchs Turnier gekommen waren, das erst vierte Triple-Double (16 Punkte, 12 Rebounds, 10 Assists) der olympischen Basketballgeschichte produzierte, wurde aber einer zum Matchwinner, den sie in Frankreich verachten: Joel Embiid, der schon das gesamte Turnier über von seinen Landsleuten mit größter Hingabe leidenschaftlich ausgepfiffen wird, "war alles", wie James den 30-Jährigen von den Philadelphia 76ers adelte. "Er hat jeden großen Wurf gemacht." Embiid, der auch die französische Staatsbürgerschaft besitzt, hatte mit einem Einsatz für Frankreich geflirtet - sich dann aber doch für das US-Team entschieden. In Frankreich haben sie ihm das nicht verziehen.

Nun sorgte Embiid maßgeblich dafür, dass die Mission Gold nicht im Fiasko endete: Neun von elf Würfen traf er für 19 Punkte, in seinen 27 Minuten Spielzeit sammelten die USA 17 Punkte mehr als die beeindruckenden Serben. In der Defensive legte Embiid gegen Jokic, der dreimal in Serie zum wertvollsten Spieler der NBA gewählt worden war, eines der besten Spiele in seiner Karriere hin. "Er hat gezeigt, warum er einer der Größten ist, der jemals einen Basketball angefasst hat", staunte Kevin Durant nach dem Sieg bei "The Athletic" über seinen Kollegen. "Er hat abgeschlossen, hat Würfe getroffen und diese Jungs in Foulprobleme gebracht. Er war heute Abend unglaublich."

Nun erwartet Embiid und seine berauschten Kollegen die ganz große Herausforderung: Am Samstag spielt das Starensemble gegen Gastgeber Frankreich um das Wunderkind Victor Wembanyama. Der 2,24 Meter große angehende Superstar, der in der NBA für die San Antonio Spurs spielt, bereitet seine Gegner martialisch auf ein großes Duell vor: "In unserer Nationalhymne sprechen wir von Blut", sagte Wembanyama nach dem knappen Halbfinalsieg über die deutsche Mannschaft (73:69). "Wir sind bereit, auf dem Spielfeld Blut zu vergießen. Es ist also keine große Sache. Wenn wir dadurch Gold gewinnen können, bin ich bereit. Nimm alles davon."

Quelle: ntv.de

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