Sono Motors - Aufstieg und Fall "21.000 Fans, die auf einen Totalverlust zusteuern"


Dichtes Gedränge bei der Vorstellung des Solarautos Sion.
(Foto: picture alliance / SZ Photo)
Zwei Waldorfschüler bauen ein Solarauto. Auf dem Höhepunkt ist ihre Firma mehr als zwei Milliarden Dollar wert. Doch das revolutionäre Auto wird nie Realität - und das Geld vieler Unterstützer ist vermutlich futsch. Wie konnte es so weit kommen?
Die Recherche zum Aufstieg und Fall von Sono Motors beginnt in einem Industriegebiet in Berlin, gut drei Monate vor dem großen Knall. Das Münchner Startup reist durch die Republik, um bei umweltbewussten Käufern für sein Solarauto Sion zu werben. Bei jedem Halt der Werbetour bittet die Jungfirma um Geld: Die "Community" soll Sono Motors mit insgesamt 100 Millionen Euro aus der Patsche helfen.
"Die Leute haben geklatscht und gejubelt. Es hat auch niemand danach gefragt, was das Risiko ist. Sie haben gefragt: Wann kommt endlich dieses Auto und wie groß ist der Kofferraum?", erinnert sich Investigativjournalistin Hannah Schwär im ntv-Podcast "Startup - Jetzt ganz ehrlich".
Schwär mischt sich damals bei der Werbetour in Berlin ins Publikum und bekommt den Eindruck: Die Firma hinter dem Solartraum ist entweder genial oder grob fahrlässig. Seitdem hat sie für das Wirtschaftsmagazin "Capital" mehrere Recherchen über den Aufstieg und Fall von Sono Motors, die Entwicklungsprobleme und die umstrittene Finanzierung des Startups veröffentlicht.
Zuletzt berichtete die Startup-Journalistin auch über das Insolvenzverfahren der Firma. Was vom Traum vom Solarauto übrig bleibt, sagt Schwär, seien vor allem 21.000 Fans, "die echt an Elektromobilität geglaubt haben und jetzt auf einen Totalverlust zusteuern".
Ein Auto fürs Klima
Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Das Münchner Startup Sono Motors trat 2016 an, um ein günstiges Solarauto für den Massenmarkt zu bauen: den Sion. Die beiden Mitgründer Laurin Hahn und Jona Christians - zwei Abiturienten von der Waldorfschule ohne Studium, dafür mit großen Ambitionen - bastelten den ersten Sion-Prototypen damals noch in der Garage ihrer Eltern.
Mit ihrem Versprechen vom klimafreundlichen Auto und geschicktem Youtube-Marketing gelang es ihnen, eine treue Fangemeinde um sich zu scharen, die Sono Motors schließlich bis zum Börsengang trug.
Auf dem Höhepunkt des Hypes war das Unternehmen mehr als 2 Milliarden Dollar wert und hatte mehr als 44 Millionen Euro Anzahlungen von rund 21.000 interessierten Käufern kassiert. Und das alles, obwohl es noch gar kein serienreifes Solarauto vorzuweisen hatte.
Sie traten auf wie Steve Jobs
Bei ihrer Börsenstory punkteten die Gründer hauptsächlich mit ihrem visionären Auftreten, das in vielerlei Hinsicht an den früheren Apple-Chef Steve Jobs erinnerte.
Zudem positionierte sich Sono Motors von Anfang an als Gegenmodell zum Großkonzern und erntete damit viele Sympathien. Um das Startup entstand über die Jahre ein regelrechter Kult, mit eigenem Youtube-Kanal, Fan-Blogs, Facebook-Seiten und Freundschaftsbändchen.
"Sie haben den Traum von einer besseren Welt verkauft. Man hatte das Gefühl, man ist Teil dieses Unternehmens, Teil dieser Veränderung", sagt Schwär über das Gründerduo. "Ein Insider sagte mir, es war wie eine Glaubensgemeinschaft mit angehängter Ideenwerkstatt."
Doch hinter der Fassade kriselte es. Immer wieder verschob Sono Motors den Produktionsstart des Sion, schlitterte zweimal fast in die Pleite.
Comeback oder Endspiel?
Im Februar 2023 gab die Firma schließlich das Aus für das Solarauto-Projekt bekannt, nachdem ein erneuter Rettungsversuch durch die Fangemeinde gescheitert war. Kurz darauf meldete die Firma Insolvenz an.
Ein Jahr nach dem Sion-Aus hat sich Sono Motors kürzlich wieder mit vermeintlich positiven Nachrichten zurückgemeldet: Mithilfe des US-Hedgefonds Yorkville könne man sich jetzt aus der Insolvenz retten und einen neuen Geschäftszweig mit Solarpanels aufbauen. Ein echter "Durchbruch" sei das.
Mit Hannah Schwär sprach Janna Linke. Das vollständige Gespräch können Sie sich im ntv-Podcast "Startup - jetzt ganz ehrlich" anhören.
Was verbirgt sich hinter der schillernden Fassade der Startup-Szene? Janna Linke weiß es. Im Podcast "Startup - Jetzt ganz ehrlich" wirft sie jede Woche einen Blick hinter die Kulissen der Gründerszene und spricht über Themen, die gerade Schlagzeilen machen. Sie ordnet ein, hakt nach. Persönlich, ehrlich und mit einem echten Mehrwert. Dafür spricht sie mit Persönlichkeiten der Szene, Expertinnen und Experten und gibt euch den absoluten Rundumblick. Gemeinsam taucht ihr tief ein in die Startup-Welt.
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Quelle: ntv.de