Preis-Schock für Verbraucher Bofinger: "Mehrwertsteuer auf Energie halbieren"
20.01.2022, 12:22 Uhr
Peter Bofinger ist Professor für Volkswirtschaft, Geld und internationale Wirtschaftsbeziehungen in Würzburg. Er meint, die Bundestegierung tue zu weinig gegen die Inflation.
(Foto: picture alliance / Arne Dedert/dpa)
Viele Bürger leiden darunter, dass sie aktuell viel mehr für Gas, Heizöl oder Strom zahlen. Der Ökonom und langjährige Wirtschaftsweise Bofinger wirft der Bundesregierung vor, die Inflationssorgen der Menschen zu ignorieren. Statt an den hohen Energiekosten mitzuverdienen, sollte sie die Haushalte entlasten.
Angesichts der steigenden Inflation appelliert der langjährige Wirtschaftsweise Peter Bofinger, die Mehrwertsteuer auf Gas und Heizöl auf zehn Prozent zu halbieren. "Die Regierung muss mehr gegen die hohen Energiepreise tun", sagte Bofinger der "Süddeutschen Zeitung". Die Preisausschläge belasteten untere Einkommen und auch die Mittelschicht "massiv".
"Der Gaspreis hat sich verdoppelt, Heizöl kostet rund 60 Prozent mehr als vor einem Jahr", so der Ökonom. Halbiere der Staat die Mehrwertsteuer auf Gas und Heizöl auf 10 Prozent, habe er fast dieselben Einnahmen wie vorher. Gleichzeitig würden die Haushalte bei der Gasrechnung um 270 Euro im Jahr entlastet. Bei Strom und Benzin sei der Preisanstieg etwas geringer, deshalb wäre eine temporäre Entlastung auf 16 Prozent sinnvoll. Statt zu helfen, ignoriere die Bundesregierung die Inflationssorgen der Deutschen, kritisierte der Ökonom. "Es kann nicht sein, dass der Staat an den hohen Energiepreisen verdient!"
Alle Institutionen, die professionell Inflationsprognosen erstellen, hätten mit ihren Vorhersagen "völlig daneben gelegen". Der Sachverständigenrat der Bundesregierung hatte im März vergangenen Jahres 2,1 Prozent Inflation vorausgesagt. Dass die Inflation stark unterschätzt worden sei, nennt Bofinger "logisch". "Denn sie kommt vor allem aus den höheren Energiepreisen, die so nicht vorherzusehen waren."
"Kommunikation der EZB verbessungswürdig"
Bofinger kritisiert zudem, wie die Europäische Zentralbank (EZB) auf die Inflation reagiert. Zwar habe die EZB recht, dieses Jahr noch nicht die Zinsen zu erhöhen. "Aber EZB-Chefin Christine Lagarde verkauft das völlig falsch. Kein Bürger denkt an 2024."
Die Kommunikation der EZB sei deutlich verbesserungsbedürftig, so der Ökonom weiter. "Das versteht doch keiner. Frau Lagarde müsste sagen: Sobald die langfristige Inflationsprognose über zwei Prozent steigt, erhöhen wir die Zinsen. Damit würde die EZB das Signal senden, dass sie notfalls handelt."
Am Mittwoch hatte das Statistische Bundesamt einen Anstieg der Verbraucherpreise im Dezember um 5,3 Prozent zum Vorjahr gemeldet. Dieses Jahr dürfte die Teuerung weiterklettern, wie die Erzeugerpreise für Dezember signalisieren. Teure Energie hat die Preise für gewerbliche Produkte in Deutschland 24,2 Prozent über den Vorjahreswert getrieben. Eine derartige Steigerung gab es der Behörde zufolge in der Bundesrepublik noch nie.
DIW-Chef fordert Energiegeld für Geringverdiener
Angesichts hoher Energiepreise forderte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, finanzielle Hilfen der Regierung insbesondere für Bedürftige. "Es ist Aufgabe der Politik, Menschen mit geringen Einkommen und die von den explodierenden Energiepreisen am stärksten betroffenen Haushalte durch direkte Zahlungen eines Energiegeldes zu unterstützen", sagte Fratzscher der "Rheinischen Post".
Die Coronavirus-Pandemie und der Konflikt mit Russland führten dazu, dass die Preisentwicklung weiterhin schwer vorhersehbar sei. "Kurzfristig wird niemand in Deutschland daran etwas ändern können, weder die Politik noch die Zentralbank."
Die steigenden Strom- und Energiepreise hat die Ampel-Regierung in Zugzwang gebracht. Noch im Januar will die Regierung immerhin über konkrete Hilfen für Bezieher von Wohngeld entscheiden. Laut Plan soll es "kurzfristig einen einmalig erhöhten Heizkostenzuschuss" geben.
Quelle: ntv.de, ddi