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Neutral im Ukraine-Krieg? China soll Kamikaze-Drohnen für Russland bauen

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Eine iranische Shahed 171-Drohne, die Teheran bereits an Moskau liefert. Angeblich schmieden Russland und China nun Pläne, eine Kopie zu bauen.

Eine iranische Shahed 171-Drohne, die Teheran bereits an Moskau liefert. Angeblich schmieden Russland und China nun Pläne, eine Kopie zu bauen.

(Foto: picture alliance / Middle East Images)

Moskau und Peking feilen angeblich gemeinsam an einem Klon der iranischen Billigdrohne Shahed: Die Rüstungskooperation wäre Xi Jinpings erster Schritt hin zur offenen Unterstützung für Putins Ukrainekrieg. Ohne Chinas Hilfe wäre der längst verloren.

Laut der Finanzagentur Bloomberg schmieden russische und chinesische Firmen im Stillen Pläne für eine brisante Rüstungsallianz: die Entwicklung einer Angriffsdrohne ähnlich dem iranischen Shahed-Modell, das Moskau von Teheran geliefert bekommt und tausendfach in der Ukraine einsetzt. Regierungsbeamte aus Europa sehen darin einen gefährlichen Schritt Pekings hin zu einer offenen Unterstützung Moskaus im Angriffskrieg gegen Kiew, die China offiziell bislang vermeidet.

Dem Bericht zufolge führten die nicht genannten Firmen schon 2023 Gespräche, um Irans Shahed-Drohne zu kopieren. Dieses Jahr sollen sie damit begonnen haben, eine Version für den bevorstehenden Export nach Russland zu entwickeln und zu testen. Die unbemannten Flieger sind bislang laut den europäischen Offiziellen aber nicht in der Ukraine eingesetzt worden.

Der Einsatz würde eine massive Eskalation im Ukrainekrieg bedeuten. Denn offiziell stellt sich Peking in dem Konflikt als neutral dar. Und liefert deshalb selbst nach Einschätzung der USA bislang keine tödlichen Waffen oder Munition an Moskau - auch wenn die Volksrepublik Putins Kriegsmaschine mit Satellitendaten, Komponenten und zivilen Gütern auf jede sonst erdenkliche Art antreibt. Waffenlieferungen würden wohl viel schärfere Sanktionen des Westens auslösen. Deshalb geht die US-Regierung dem Bericht zufolge davon aus, dass China zwar aktuell erwägt, komplett montierte Kamikaze-Drohnen nach Russland zu schicken, aber in der Zwischenzeit nur Bausätze liefert.

Shahed ist das Arbeitstier im Drohnenkrieg

So oder so hätte das enorme militärische Bedeutung für Russland. Denn die iranische Shahed ist das Rückgrat von Putins Terror-Kampagne aus der Luft. Der Name der Einweg-Drohne ist Programm: Shahed (arabisch für Märtyrer) sind Billigdrohnen für Kamikaze-Angriffe. Angetrieben von einem besseren Moped-Motor können sie schnell und günstig hergestellt werden, wohl für wenige Zehntausend Euro. Sie werden in Massen gebaut, nicht nur um kleine, zivile Infrastrukturziele zu treffen. Sondern noch mehr, um abgeschossen zu werden.

Wegen ihres kleinen Motors haben sie nur eine geringe Wärmesignatur, auch auf dem Radar hinterlassen sie kaum ein Echo. 2400 der brummenden Mini-Bomben soll die russische Armee laut ukrainischen Angaben im Iran gekauft haben. Mit Shahed-Schwärmen überzieht sie regelmäßig die ukrainische Luftabwehr und macht so den Weg frei für teurere Langstreckenwaffen wie Marschflugkörper oder Präzisionsraketen, die in der Welle dahinter folgen.

Um den Nachschub zu sichern, hat Russland in Alabuga mit iranischer Hilfe bereits eine riesige Fabrik für die Shaheds, die nach russischer Bezeichnung Geran-2 heißen, gebaut. Sie wurde im April bereits von der Ukraine mit Langstreckendrohnen angegriffen. Nun soll offenbar bald eine zweite Lieferkette bis nach China reichen. Denn auch wenn die Regierungsbeamten Bloomberg nicht sagten, welche Drohne China momentan angeblich mit Russland entwickelt, ist ziemlich klar, um welche es sich sehr wahrscheinlich handelt.

Denn China arbeitet offen an einem Shahed-Klon namens Sunflower 200. Sie wurde schon im August letzten Jahres auf der Rüstungsmesse Army 2023 in Moskau vorgestellt. Schon damals kam die Vermutung auf, die Drohne könnte bald an Russland zum Einsatz in der Ukraine geliefert werden. Die Sunflower hat nicht nur die typische Dreiecksform und den Heckpropeller wie die Shahed, sondern ebenfalls eine Spannweite von etwa 2,5 Metern und einen Gefechtskopf von 40 bis 60 Kilogramm.

Beunruhigend ist an der Sunflower nicht nur das größere chinesische Fertigungs-Know-how als bei der Shahed-Produktion, sondern vor allem die Stückzahlen: Eine Sorge unter den Offiziellen ist laut Bloomberg, dass China die billigen Angriffsflieger in noch viel größerem Umfang als Russland vor Ort in Alabuga herstellen kann. Sollte die Produktion in China erst einmal in Serie gehen, würde Moskau im Ukrainekrieg wohl endgültig ein nahezu unbegrenztes Reservoir an Drohnen zur Verfügung stehen.

Ohne Pekings Rückendeckung wäre Putins Krieg vorbei

Die mögliche Drohnen-Allianz verdeutlicht einmal mehr, wie essenziell Chinas Unterstützung für Putins Krieg gegen die Ukraine ist. Offiziell ergreift Peking darin keine Partei. Doch wegen der westlichen Sanktionen gegen Russland ist die Volksrepublik neben Nordkorea längst zu einem der engsten Partner Russlands geworden. Das zeigt sich nicht nur an der engen persönlichen Beziehung, die sich zwischen den "alten Freunden" Wladimir Putin und Xi Jinping entwickelt hat, wie erst im Mai beim Treffen der beiden Präsidenten in Peking zu sehen war.

Nach Einschätzung von US-Außenminister Anthony Blinken liefert China bislang zwar keine tödlichen Waffen nach Russland. Aber schon lange hält China Russland mit der Lieferung von Dual-Use-Gütern, die sowohl zivil als auch militärisch verwendet werden können, den Rücken frei: "Sie werden genutzt, um Russland bei seinen erstaunlichen Hauruck-Anstrengungen zu helfen, mehr Munition, Panzer, Truppentransporter und Raketen herzustellen", sagte Blinken der BBC.

Rund 70 Prozent der Maschinen und 90 Prozent der Mikroelektronik, die Russland importiert, stammen laut Blinken aus China - an allen Sanktionen des Westens vorbei. Ohne die konstante Versorgung mit westlichen Mikrochips und anderen militärischen Elektronik-Komponenten wäre Russlands Nachschub an Marschflugkörpern und Raketen wohl längst versiegt. Die US-Regierung hat erst im Mai Dutzende chinesische Firmen dafür sanktioniert. Doch den Strom der Mikrochips wird das wohl nicht stoppen. Ebenso wenig wie den Bau von chinesischen Kamikaze-Drohnen für Russland.

Quelle: ntv.de

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