Notenbanker kämpfen gegen Corona Diese Optionen hat die EZB
10.12.2020, 10:16 Uhr
"Die EZB wird auch in der zweiten Welle da sein", versicherte Christine Lagarde.
(Foto: REUTERS)
In vielen europäischen Staaten steigt in den vergangenen Wochen die Zahl der Corona-Infizierten drastisch an. Der Konjunktur tut dies nicht gut. Die Europäische Zentralbank verspricht daher: "Wir werden alle Flexibilität nutzen, die wir haben." Fragen und Antworten, wie die Notenbanker vorgehen könnten.
Christine Lagarde hat keine Zweifel gelassen: Die Europäische Zentralbank (EZB) legt im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise noch einmal nach. Im Fokus: Das Notkaufprogramm PEPP und Sonderkredite für Banken. Im Laufe des Tages entscheidet der EZB-Rat in Frankfurt am Main, am Nachmittag wird Notenbank-Präsidentin Lagarde die Maßnahmen erläutern.
Warum ist die Notenbank zum Handeln entschlossen?
Die Pandemie hält Europa im Griff, die Zahl der Infizierten ist in vielen Staaten in den vergangenen Wochen drastisch angestiegen, erneut werden Wirtschaft und Gesellschaft heruntergefahren. "Die EZB wird auch in der zweiten Welle da sein", versicherte Lagarde Ende Oktober nach der Sitzung des EZB-Rates. Die Risiken für die Konjunktur nähmen eindeutig zu. "Wir werden alle Flexibilität nutzen, die wir haben", betonte die Französin. Zwei Wochen später bekräftigte Lagarde die Entschlossenheit der Währungshüter zum Handeln: "Es ist wichtig, dass die Finanzierungsbedingungen günstig bleiben."
Was hat die EZB in der Corona-Krise bisher getan?
Mitte März schnürte die Notenbank eilends ein neues Kaufprogramm für Staats- und Unternehmensanleihen. Nur knapp drei Monate später verdoppelte die EZB das Volumen des PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) fast auf 1,35 Billionen Euro. Zudem wurde dessen Laufzeit um ein halbes Jahr bis mindestens Ende Juni 2021 verlängert. Bis Anfang Dezember hatte die EZB im Rahmen des PEPP fast 718 Milliarden Euro investiert. Vorteil des Programms: Die EZB ist bei Käufen extrem flexibel. Während ältere Kaufprogramme an den Kapitalschlüssel der Notenbank gebunden sind, der sich nach Bevölkerungsgröße und Wirtschaftskraft der Euroländer bemisst, behält sich die EZB bei ihrem Corona-Notprogramm PEPP vor, von diesem Schlüssel abzuweichen. Sie kann somit mehr Anleihen besonders betroffener Staaten kaufen. Darüber hinaus laufen noch andere EZB-Kaufprogramme für Wertpapiere.
Welches Ziel verfolgt die EZB mit ihren Anleihenkäufen?
Die Käufe helfen Staaten wie Unternehmen: Sie müssen für ihre Wertpapiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt. Insbesondere für Staaten ist das wichtig, weil sie in der Corona-Krise milliardenschwere Rettungsprogramme aufgelegt haben, die es zu finanzieren gilt. Hauptziel der EZB ist ein ausgewogenes Preisniveau. Das sieht die Zentralbank am ehesten gewährleistet, wenn die Preise im Euroraum mit seinen 19 Ländern moderat steigen. Mittelfristig wird eine Teuerungsrate knapp unter 2,0 Prozent angestrebt. Denn dauerhaft niedrige oder gar auf breiter Front sinkende Preise könnten Verbraucher und Unternehmen verleiten, Investitionen aufzuschieben. Das kann die Konjunktur bremsen. Über Anleihenkäufe kommt indirekt viel Geld in Umlauf, was normalerweise die Inflation anheizt.
Was kann die EZB noch tun?
Immer wieder in den vergangenen Jahren bot die EZB Geschäftsbanken Langfristkredite zu besonders günstigen Konditionen an. Zum Teil sind diese Notenbankkredite so gestaltet, dass Banken dafür belohnt werden, wenn sie Darlehen an Unternehmen und Verbraucher herausgeben. Solche gezielten Langfristkredite heißen im Fachjargon "Targeted Longer-Term Refinancing Operations" (TLTRO). Hier könnte die EZB nachlegen, um die Kreditversorgung für Unternehmen oder Branchen zu verbessern, die die Corona-Krise besonders hart getroffen hat.
Sind Zinssenkungen eine Option?
Ausgeschlossen sind sie nicht - zumindest was den Zins auf bei der EZB geparkte Gelder von Banken angeht. Aktuell liegt dieser Einlagenzins bei minus 0,5 Prozent. Das Ziel: Geldhäuser sollen Kredite vergeben, statt das Geld bei der Notenbank zu bunkern. Auch wenn es inzwischen Freibeträge für bestimmte Summen gibt, bleibt der Negativzins aus Sicht der Finanzbranche eine Milliardenbelastung. Die Kosten dafür geben immer mehr Geldhäuser an ihre Kunden weiter: in Form negativer Zinsen auf Einlagen und steigender Gebühren. EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel hatte Anfang November eine Verschärfung dieses "Strafzinses" als mögliche Option genannt: "Unsere Analysen zeigen, dass eine weitere Senkung möglich wäre, ohne an den Punkt zu gelangen, an dem sie nicht mehr wirkt oder sogar schadet." Für unwahrscheinlich halten Ökonomen, dass die EZB den Leitzins im Euroraum, der seit fast fünf Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent liegt, ebenfalls in den negativen Bereich senken wird.
Hat das viele billige Geld nicht auch Nebenwirkungen?
Seit Jahren ist die EZB im Krisenmodus. Davon profitieren zwar Kreditnehmer, weil es Geld von der Bank vergleichsweise günstig gibt. Wer jedoch Geld bei der Bank anlegen will, hat das Nachsehen. Tagesgeld und Sparbuch werfen im Grunde keine Zinsen mehr ab. Und bei besonders hohen Summen drohen sogar Negativzinsen, das Guthaben auf dem Konto schrumpft also. Lagarde ist mit der Zusage angetreten, die Nebenwirkungen der seit Jahren ultralockeren Geldpolitik genauer unter die Lupe zu nehmen. Derzeit läuft eine umfassende Überprüfung der geldpolitischen Strategie der EZB. Dabei setzt Lagarde unter anderem auf den Dialog mit Kritikern.
Quelle: ntv.de, Jörn Bender und Friederike Marx, dpa