Wirtschaft

Probleme mit Frankreich Erstes Kohlekraftwerk aus Reserve hochgefahren

Das Kraftwerk Mehrum ist aus der Reserve geholt.

Das Kraftwerk Mehrum ist aus der Reserve geholt.

(Foto: picture alliance / Fotostand)

Zur Stabilisierung der Stromversorgung in Europa nimmt ein erstes Kraftwerk aus der Reserve wieder den Betrieb auf. Weitere Betreiber sind entschlossen, ihre Anlagen ebenfalls wieder ans Netz zu bringen. Einer der Gründe sind massive Kapazitätsausfälle in Frankreich.

Zur Bekämpfung des drohenden Gasmangels kehrt ein erstes Reserve-Steinkohlekraftwerk an den Strommarkt zurück. Es handelt sich um das Kraftwerk Mehrum im niedersächsischen Hohenhameln (Landkreis Peine) zwischen Hannover und Braunschweig, das dem tschechischen Energiekonzern EPH gehört. Es sei bislang die einzige "Marktrückkehr" eines Kraftwerks, die der Bundesnetzagentur angezeigt worden sei, teilte die Behörde mit. Seit 14. Juli erlaubt eine Verordnung, dass Steinkohlekraftwerke aus der sogenannten Netzreserve wieder in Betrieb gehen können, um Erdgas einzusparen.

Seit Sonntagmittag sei das Kraftwerk wieder am Netz, sagte der Geschäftsführer der Betreibergesellschaft, Armin Fieber. Mindestens 14 Tage werde die Anlage nun im Betrieb sein, um das Netz zu stabilisieren. Unklar ist derzeit noch, ob das Kraftwerk damit auch im formalen Sinne schon an den Strommarkt zurückgekehrt ist. Das Kraftwerk Mehrum befindet sich nach Betreiberangaben seit Anfang Dezember 2021 in der Reserve. Es hat eine Nettoleistung von 690 Megawatt.

Um die Stromerzeugung aus Gas hatte sich am Wochenende eine Kontroverse innerhalb der Bundesregierung entwickelt. Finanzminister Christian Lindner forderte, diese zu stoppen. Ein Sprecher von Wirtschaftsminister Robert Habeck wies darauf hin, dass ein völliger Verzicht auf Gas im Stromsektor zur Stromkrise und Blackouts führe.

Frankreich fällt als Lieferant aus

Im Juli lag der Erdgas-Anteil an der öffentlichen Nettostromerzeugung in Deutschland laut Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) bei 9,8 Prozent. Darunter sind nach Angaben des ISE-Stromexperten Bruno Burger zum einen Gaskraftwerke mit Wärmeauskopplung, die zusätzlich zur Stromerzeugung auch Fernwärmenetze versorgen. Zum anderen gehören auch Gaskraftwerke dazu, die derzeit ihren Strom vor allem wegen des Strommangels in Frankreich an der Börse verkaufen. Dort sei im Juli wegen zahlreicher aktuell vom Netz genommener Blöcke so wenig Atomstrom produziert worden wie in keinem anderen Monat seit mindestens 2015, sagte Burger.

Im europäischen Strommarkt sei Frankreich normalerweise Stromexporteur. Diese Mengen fehlten jetzt auch in anderen Ländern wie etwa Italien oder der Schweiz. Diese zusätzliche Nachfrage sei neben den hohen Gaspreisen auch ein Grund für die gestiegenen Großhandelspreise. Nach seinen Angaben wird in Deutschland rund die Hälfte des erzeugten Stroms über die Strombörse gehandelt, die andere Hälfte über direkte Verträge zwischen Stromproduzenten und Abnehmern.

Die Verordnung der Bundesregierung erlaubt den Stromverkauf aus Reservekraftwerken, die mit Steinkohle oder Öl befeuert werden, bis Ende April 2023. Das Wiederanfahren für mehrere Monate ist für Kraftwerksbetreiber wirtschaftlich interessant, weil die Strom-Großhandelspreise derzeit hoch sind. Gleichzeitig ist ausreichend Steinkohle auf dem Weltmarkt vorhanden. Mit der Maßnahme soll Erdgas aus dem Strommarkt verdrängt werden.

Steag und Uniper prüfen Kraftwerksstarts

Wieder mehr Strom verkaufen will auch der Essener Energiekonzern Steag. Man habe die "feste Absicht", mit 2300 Megawatt Erzeugungsleistung in den Markt zurückzukehren, sagte Unternehmenssprecher Markus Hennes. Die Kraftwerke stehen im Saarland und in Nordrhein-Westfalen. Hürden sieht die Steag noch bei der finanziellen Absicherung der Kohlevorräte, die laut Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz (EKBG) vorliegen müssen, und bei der Transportlogistik.

Auch das Düsseldorfer Energieunternehmen Uniper prüft die Rückkehr seiner Reserveanlagen mit einer Leistung von insgesamt mehr als 2000 Megawatt in den Markt. Noch sei aber keine Entscheidung gefallen, sagte Sprecher Oliver Roeder.

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Der Karlsruher Energiekonzern EnBW will seine fünf Reservekraftwerke nicht zurück an den Markt bringen, da sie aus Altersgründen nicht mehr ununterbrochen laufen könnten. Unabhängig von den Sonderregelungen will das Unternehmen aber einen Kohleblock in Karlsruhe mindestens bis Ende des Winters 2023/24 weiterlaufen lassen. Ursprünglich wollte EnBW im Zuge des Kohleausstiegs diesen Block im Sommer 2022 zur Stilllegung anmelden.

Neben der bereits gültigen Verordnung für Steinkohle- und Öl-Kraftwerke wird für Anfang Oktober auch eine Verordnung für das Wiederanfahren von bereits stillgelegten Braunkohlekraftwerken vorbereitet. Hinzu kommt eine Gaseinsparverordnung, die die unnötige Verstromung von Erdgas verhindern soll.

Quelle: ntv.de, jwu/dpa

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