Wirtschaft

Prozess um Diesel-Affäre Ex-VW-Chef Winterkorn weist Schuld von sich

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Der ehemalige Volkswagen-Chef Martin Winterkorn muss sich wegen des Dieselskandals in mehreren Verfahren verantworten.

Der ehemalige Volkswagen-Chef Martin Winterkorn muss sich wegen des Dieselskandals in mehreren Verfahren verantworten.

(Foto: dpa)

Nach Bekanntwerden des Abgasskandals bei Volkswagen erleiden Anleger hohe Verluste. In Braunschweig wird daher seit Jahren über Schadenersatz in Milliardenhöhe verhandelt. Der ehemalige VW-Chef Winterkorn äußert sich jetzt zum ersten Mal vor Gericht zu dem Skandal.

Im milliardenschweren Anlegerprozess gegen Volkswagen und dessen Hauptaktionär Porsche SE wegen manipulierter Abgaswerte hat der ehemalige VW-Chef Martin Winterkorn eine Verantwortung für die illegalen Abschaltvorrichtungen zurückgewiesen. Er sei nicht in die Entscheidungen über die Entwicklung oder den Einsatz der Abschaltvorrichtung eingebunden gewesen, sagte er vor dem Oberlandesgericht in Braunschweig. "Ich habe diese Funktion weder gefordert noch gefördert oder ihren Einsatz geduldet." Er selbst habe erst spät und unvollständig von den Problemen erfahren, sagte Winterkorn in einer kurzen Erklärung, die er seiner Befragung voranstellte.

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Zunächst sei er davon ausgegangen, dass VW selbst zeitnah eine technisch und rechtlich einwandfreie Lösung für die Dieselfahrzeuge in den USA finde. "Wäre mir ein vollständiges Bild vermittelt worden, hätte ich nicht gezögert, die Vorgänge direkt anzugehen und aufzuklären", sagte Winterkorn.

Es ist das erste Mal, dass sich der langjährige Konzernchef vor Gericht zu dem Dieselskandal äußert. Bislang hatte der 76-Jährige lediglich vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages und gegenüber den von VW beauftragten Kanzleien zu dem Thema gesprochen. Seine Anhörung ist zunächst für zwei Tage angesetzt. Winterkorn war 2015 wenige Tage nach dem Bekanntwerden des massenhaften Betrugs zurückgetreten und lebt heute zurückgezogen in München.

Wie sehr ihn das Scheitern seines Lebenswerkes trifft, wurde in der Anhörung deutlich: Als die Rede auf den 18. September 2015 kam, den Tag, an dem die "Notice of violation" der US-Umweltbehörde EPA kam, brach Winterkorn die Stimme. In seiner Erklärung kündigte er an, sich nicht zu den Entwicklungen in der Zeit vom Juli bis zu seinem Rücktritt im September 2015 zu äußern - die Zeit unmittelbar vor dem Auffliegen des Skandals. Volkswagen hatte auf Druck der EPA zugegeben, Diesel-Abgaswerte durch eine Software manipuliert zu haben. Diese sorgte dafür, dass die Motoren die Stickoxidgrenzwerte auf dem Prüfstand zwar einhielten, auf der Straße aber ein Vielfaches dieser giftigen Abgase ausstießen.

Dieselautos als Alternative zu Toyota-Hybriden

In seiner Befragung geht Richter Christian Jäde detailreich auf die Jahre nach 2005 ein. Damals begann die Entwicklung der Fahrzeuge, mit denen Volkswagen den Hybridmodellen insbesondere von Toyota Paroli bieten wollte. Doch technisch gestaltete sich das nicht einfach, die Dieselfahrzeuge sauber zu machen; insbesondere gebe es einen Zielkonflikt bei der Verbrennungstemperatur: Je niedriger diese ist, desto weniger Stickoxide werden ausgestoßen - allerdings entsteht dabei mehr Ruß. "Zu diesem Zeitpunkt war mir nicht bewusst, dass dieser Zielkonflikt zu einer Lösung führen würde, die nicht zulässig war", sagte Winterkorn. Bei dem Anlegerprozess geht es vor allem um die Frage, ob Volkswagen und Porsche die Anleger zu spät über das Ausmaß des Dieselskandals informierten, der den Aktienkurs kräftig nach unten prügelte.

Parallel ist gegen Winterkorn in Braunschweig ein Strafverfahren wegen der Abgasmanipulationen anhängig. Der Vorwurf lautet hier auf gewerbsmäßigen Betrug. Dazu kommt ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf Marktmanipulation, das wieder aufgenommen wurde. Winterkorn wies beide Vorwürfe zurück.

Der Skandal löste eine Vielzahl von Prozessen aus. Im Juni 2023 wurde der frühere Chef der Volkswagen-Tochter Audi, Rupert Stadler, vom Landgericht München zu einer Bewährungsstrafe und einer millionenschweren Geldauflage verurteilt. Das Oberlandesgericht Braunschweig verhandelt seit fünf Jahren über eine Musterklage der Fondsgesellschaft Deka Investment der Sparkassen wegen erlittener Kursverluste durch den VW-Abgasskandal.

Die Kläger - zumeist institutionelle Anleger - werfen Volkswagen und der ebenfalls beklagten Porsche Holding vor, die Information über "Dieselgate" lange geheim gehalten und ihnen dadurch einen Wertverlust ihrer Aktien eingebrockt zu haben. Dem hält der Wolfsburger Autobauer entgegen, die Kursrelevanz sei erst durch die Veröffentlichung der EPA am 18. September 2015 erkennbar geworden. Die Wiedergutmachung des Abgasskandals, vor allem Bußgelder, Schadensersatz und Rechtsanwaltskosten, hat Volkswagen bisher mehr als 32 Milliarden Euro gekostet.

Quelle: ntv.de, lar/rts

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