Recycling von Kleidung verboten "Fast Fashion" sorgt für Textiltürme auf Chinas Müllhalden
11.07.2024, 11:52 Uhr Artikel anhören
Lediglich ein Prozent aller Kleidungsstücke werden weltweit recycelt und zu neuer Kleidung verarbeitet.
(Foto: AP)
Allein die Chinesen werfen jedes Jahr etwa 20 Millionen Tonnen Kleidung weg. Nur ein Bruchteil davon wird recycelt. Obwohl junge Unternehmer zunehmend auf Nachhaltigkeit achten und das Land seine Klimaneutralität bis 2060 plant, verbietet die Regierung die Wiederverwertung alter Kleidung.
Grob nach hellen und dunklen Farben sortiert, häufen sich weggeworfene Kleidungsstücke und Bettwäsche aus Baumwolle auf dem Boden eines Werkraumes in einer Fabrik in der Provinz Zhejiang an der chinesischen Ostküste. Stück für Stück stopfen Arbeiter sie in Zerkleinerungsmaschinen - die erste große Stufe des Recycling-Verfahrens auf dem Gelände der Wenzhou Tianchang Textile Company, einer der größten Anlagen für die Wiederaufbereitung von Baumwolle in China.
Textilmüll ist ein großes globales Problem, nur zwölf Prozent werden weltweit recycelt, wie Statistiken der auf Nachhaltigkeit in der Wirtschaft spezialisierten und in Großbritannien ansässigen Ellen MacArthur Foundation besagen. Lediglich ein Prozent aller abgelegten Kleidungsstücke werden zu neuer Kleidung verarbeitet. Die Mehrheit wird für geringerwertige Dinge wie Isolierung oder Matratzenfüllungen verwendet.
Nirgendwo ist das Problem dringlicher als in China, dem größten Textilproduzenten und -verbraucher auf der Welt. Regierungsdaten zufolge werden jedes Jahr mehr als 20 Millionen Tonnen an Kleidung weggeworfen, das meiste davon landet auf Müllhalden. In einem Land, in welchem "Fast Fashion" dominiert - Kleidung aus nicht wiederverwertbaren Synthetik-Stoffen, die zu niedrigen Preisen schnell und dem Trend gerecht hergestellt wird - machen Fabriken wie die in Wenzhou kaum einen Unterschied.
Recycelbare Materialien ohne Zwangsarbeit
Kunstfaser-Waren, produziert aus Petrochemikalien, welche den Klimawandel maßgeblich beeinflussen und das Grundwasser verschmutzen, machen 70 Prozent der Kleidungsverkäufe im Land aus. Die ganze Welt profitiert allerdings von der klimaschädlichen Produktion. Online-Riesen wie Shein und Temu haben China zu einem der größten Hersteller billiger Mode werden lassen und verkaufen sie in mehr als 150 Ländern.
Um eine grundlegende Änderung zu bewirken, müssten größere chinesische Markenfirmen auf ein Konzept umsteigen, das Müll gänzlich vermeidet, erklärt die Modeexpertin Shaway Yeh. Nötig sei es, von Anfang an wiederverwertbare Fasern zu verwenden, dann könnten all diese Abfalltextilien neu genutzt werden. Noch ist das aber ein weit entferntes Ziel. Der Regierung in Peking zufolge werden nur etwa 20 Prozent von Chinas Textilien recycelt - und fast alles davon ist Baumwolle.
Und diese ist selbst nicht ohne Makel, wie Claudia Bennett von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Foundation sagt. Ein großer Teil der chinesischen Baumwolle entstammt der Zwangsarbeit von Angehörigen der verfolgten Minderheit der Uiguren in der Provinz Xinjiang. Bennett zufolge hat jedes fünfte Kleidungsstück aus Baumwolle weltweit eine solche Verbindung.
Recycelte Baumwolle für neue Kleidung verboten
Was Chinas Umweltziele betrifft, hat es global eine führende Rolle bei der Produktion von Elektroautos und in Sachen elektrisch betriebene öffentliche Verkehrsmittel. Erklärtes Ziel ist es, bis 2060 eine Kohlenstoff-Neutralität zu erreichen. Das heißt, von da an der Atmosphäre keine neuen CO2-Emissionen mehr zuzuführen. Die Mode nachhaltiger zu machen und Textilien wiederzuverwerten, hat im Vergleich dazu bislang nur einen geringen Stellenwert.
Und hinzu kommen Hemmnisse durch einheimische Vorschriften. So darf recycelte Baumwolle von gebrauchter Kleidung nicht zur Herstellung neuer Kleidungsstücke in China verwendet werden. Das zielte ursprünglich darauf ab, zwielichtige Wiederaufbereitung schmutziger oder anderweitig verunreinigter Materialien zu unterbinden. Aber das bedeutet jetzt, dass die in der Fabrik in Wenzhou hergestellten riesigen Spulen mit dicht gewobenem Baumwollgarn aus gebrauchter Kleidung nur für den Export - zumeist nach Europa - verkauft werden kann.
Viele chinesische Verbraucher sind ohnehin nicht bereit, gebrauchte Sachen zu erwerben. Der Verkaufsdirektor der Anlage in Wenzhou, Kowen Tang, führt dies auf gestiegene Einkommen der Haushalte zurück. "Sie wollen neue Kleidung kaufen, das neue Zeug", erklärt er. Dennoch ist unter jüngeren Chinesen ein wachsendes Bewusstsein für die Bedeutung von Nachhaltigkeit spürbar, was sich im Entstehen von Unternehmen mit recycelter Ware - teils noch in den Kinderschuhen steckend - widerspiegelt.
So hat der Designer Da Bao 2019 Times Remake gegründet, das Secondhand-Kleidungsstücke annimmt und in neue Kleidung umgestaltet. In einem Werkraum des Unternehmens in Shanghai werden gebrauchte Jeans und Sweatshirts in neue Modeartikel umgeschneidert. Die Designerin Zhang Na betreibt Reclothing Bank, eine Firma, die Kleidung, Taschen und andere Accessoires hergestellt aus Materialien wie Plastikflaschen, Fischernetzen und Mehlsäcken verkauft.
Recycelte Kleidung teurer als Fast-Fashion-Produkte
Bao Yang, eine Studentin, ist zu Besuch in Shanghai und hat sich in Zhangs dortigem Laden umgeschaut. Sie räumt ein, dass sich nachhaltige Kleidung in ihrer Generation nicht leicht verkaufen lässt. Leute in ihrem Alter seien mehr auf Fast Fashion erpicht, sagt sie, "oder sie denken nicht an die Nachhaltigkeit von Kleidung".
Recycelte Kleidungsstücke, die in Geschäften wie Reclothing Bank verkauft werden, haben einen viel höheren Preis als Fast-Fashion-Marken, weil die Produktionsmethoden kostspieliger sind. Und darin liege das wirkliche Problem, erklärt Sheng Lu, Professor für Modestudien an der US-Universität von Delaware. Untersuchungen zeigten immer wieder, dass Verbraucher nicht bereit seien, mehr für Kleidung zu zahlen, die aus recycelten Materialien hergestellt werden, sagt er. Im Gegenteil erwarteten sie einen niedrigeren Preis.
Deshalb glaube er auch nicht, dass sich nachhaltige Mode auf breiterer Front in China durchsetzen wird, wo Kleidung sich so billig herstellen lässt. Nur wenn Chinas kommunistische Führung in diesem Bereich ein wirtschaftliches Potenzial sehe und die Branche entsprechend fördere, könne sich etwas ändern, erklärt Lu. Aber zumindest vorläufig bleibt es dabei, dass die Baumwollgarn-Spulen, die draußen vor der Fabrik in Wenzhou auf Lastwagen geladen werden, komplett an ausländische Märkte geliefert werden.
Quelle: ntv.de, Tian Macleod Ji, AP