Drehkreuz München "stillgelegt" Frankfurter Flughafen: Kein regulärer Flugbetrieb am Streiktag
23.03.2023, 15:07 Uhr
Die Frankfurter Betreibergesellschaft Fraport bittet Passagiere "von einer Anreise zum Flughafen abzusehen."
(Foto: picture alliance/dpa)
Der angekündigte Warnstreik am kommenden Montag droht den Flugverkehr in Deutschland weitgehend lahmzulegen. Das Drehkreuz München stellt den Betrieb sogar schon ab Sonntag ein. Dem Flughafenverband zufolge sind Hunderttausende Passagiere betroffen.
Nach der Warnstreikankündigung von Gewerkschaften gibt es am kommenden Montag keinen regulären Passagierverkehr am Frankfurter Flughafen. "Alle Aufgaben, die einen vollumfänglichen Flugbetrieb ermöglichen", seien aufgrund des Warnstreiks ausgesetzt, teilte die Betreibergesellschaft Fraport mit. "Fraport bittet Passagiere daher dringend, von einer Anreise zum Flughafen abzusehen." Auch Umsteigeverkehre könnten am größten deutschen Flughafen nicht stattfinden. Fraport zufolge waren an diesem Tag ursprünglich etwa 1170 Starts und Landungen mit insgesamt rund 160.000 Passagieren geplant.
Am Flughafen München wird der reguläre Betrieb sogar am kommenden Sonntag und Montag eingestellt. Es werde wegen ganztägiger Warnstreiks "kein regulärer Passagier- und Frachtverkehr am Münchner Airport stattfinden", teilte die Flughafengesellschaft mit. Passagiere, die an diesen beiden Tagen eine Flugreise von oder nach München geplant haben, sollen sich mit ihrer Fluggesellschaft in Verbindung setzen. Am Sonntag waren 737 Starts und Landungen am Münchner Airport geplant, am Montag 772 Flugbewegungen. Von dem zweitägigen Warnstreik "werden voraussichtlich rund 200.000 Passagiere betroffen sein", hieß es.
Flughafen-Chef Jost Lammers sagte, die von Verdi angekündigte Arbeitsniederlegung am Flughafen München stelle eine "beispiellose Eskalation dar und ist überzogen und völlig unverhältnismäßig." Das Drehkreuz München mit internationalen und interkontinentalen Verbindungen "wird praktisch stillgelegt. Damit entsteht ein immenser wirtschaftlicher Schaden, ganz abgesehen vom Imageschaden für unseren Wirtschaftsstandort Deutschland", kritisierte er.
Flughafenverband kritisiert Gewerkschaften
Nach Einschätzung des Flughafenverbands ADV wird der Warnstreik an den Flughäfen insgesamt Hunderttausende Passagiere treffen. "Rund 380.000 Geschäfts- und Privatreisende werden ihren Flug nicht antreten können", teilte der Verband in Berlin mit. Der ADV sprach von "Streikeskalation nach französischem Vorbild". Ein ganzes Land werde vom internationalen Luftverkehr abgeschnitten. "Die Gewerkschaften verabschieden sich von der bewährten Tradition, dass in Deutschland Lösungen am Verhandlungstisch erreicht werden", kritisierte ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel.
Das Unverständnis bei den Flughäfen sei deshalb so groß, weil nächste Woche Tarifgespräche in Potsdam in dritter Runde bevorstünden, hieß es weiter. Die jüngste Serie der Warnstreiks an Flughäfen brächten erhebliche Folgeprobleme mit sich. "Das Image des Luftverkehrsstandorts Deutschland bei internationalen Reisenden nimmt Schaden."
Auch Schifffahrt betroffen
Der Gewerkschaft Verdi zufolge wird auch die Schifffahrt stark beeinträchtigt sein. Sowohl zahlreiche Schleusen auf wichtigen Wasserstraßen würden bestreikt als auch der Hamburger Hafen, sagte Verdi-Vize Christine Behle. "In bestimmten Bereichen, da wird es nicht weitergehen." Demnach werden große Schiffe beispielsweise den Hamburger Hafen nicht anlaufen können. Zudem soll es zu deutlichen Verzögerungen bei der Beladung von Schiffen kommen.
Bei den Kommunen herrscht Unmut über den angekündigten Warnstreik. "Ein solcher Streiktag ist nicht ok in einer Situation, in der Forderung und Angebot zwar noch auseinander liegen, aber die dritte Verhandlungsrunde unmittelbar ansteht", sagte die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, Karin Welge. "Die Gewerkschaften sollten aufpassen, dass sie nicht überziehen."
Ökonomen zeigen sich gelassen
In der deutschen Konjunktur wird der Warnstreik Ökonomen zufolge jedoch keine sichtbaren Bremsspuren hinterlassen. "Es braucht schon mehrtägige Streiks, um einen entsprechenden Effekt auszulösen", sagte Ökonom Thomas Puls vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Durch die aktuelle Welle von Warnstreiks - die nun auf ihren vorläufigen Höhepunkt zusteuert - würden vor allem verdeckte Kosten entstehen, etwa durch Umplanungen. "Statistisch greifbar wird es aber erst, wenn Produktionen angepasst werden - und das wird erfahrungsgemäß ab etwa fünf Streiktagen ein Thema", sagte Puls.
Ähnlich wird das vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) eingeschätzt. "Der gesamtwirtschaftliche Arbeitsausfall infolge von Streiks war in der Vergangenheit vernachlässigbar", sagte IfW-Arbeitsmarktexperte Dominik Groll. "Dementsprechend dürfte hiervon auch kein nennenswerter Effekt auf die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung ausgegangen und auch im laufenden Jahr nicht zu erwarten sein."
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hatte zusammen mit der Gewerkschaft Verdi zu umfangreichen bundesweiten Warnstreiks im Verkehrssektor am Montag aufgerufen. Der Fern- und Regionalverkehr der Bahn ist am Montag von dem Warnstreik ebenso betroffen wie die meisten deutschen Flughäfen, Autobahnen, Wasserstraßen sowie der Nahverkehr in zahlreichen Bundesländern und Kommunen.
Quelle: ntv.de, mdi/dpa/AFP/rts