Wirtschaft

Der Kunde ist nicht mehr König Ist das Auto ein Luxusgut?

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Nach dem Ende der Corona-Krise warten die Autokonzerne mit Rekordgewinnen auf. Das erfreut vor allem die Aktionäre von VW, BMW und Co. Autokäufer sind dagegen arm dran - egal ob bei Neu- oder Gebrauchtwagen.

Legt man die wichtigsten Kennzahlen der deutschen Automobilhersteller in den letzten beiden Jahren zugrunde, liegt der Schluss nahe, dass die Zeitenwende nicht nur die Gesellschaft als Ganzes erfasst hat, sondern auch die wichtigste Branche des Landes. Völlig neue Herausforderungen und Belastungen, vor allem stehende Fließbänder und sinkende Absatzzahlen auf der einen, steigende Gewinne bis hin zu Rekorden auf der anderen Seite. Wann hat es ein solch konträres Bild in den letzten Jahrzehnten in der Schlüsselbranche schon einmal gegeben?

Der Grund für diese asymmetrische Entwicklung ist einfach: Automobile haben sich in den letzten zwei Jahren ungewöhnlich verteuert. In der Wahrnehmung der Kunden, die sich ein neues Auto anschaffen wollten, drohte das eigene Auto zum Luxusgut zu werden, langsam aber sicher unerschwinglich für den Normalverdiener.

Die Statistik spricht Bände: Innerhalb von nur zwei Jahren, genauer seit Dezember 2020 bis März 2023 sind die Preise für neue PKW um 17 Prozent gestiegen. Jene für Gebrauchtwagen kletterten sogar um 32 Prozent, also um fast ein Drittel. Neuwagen sind so teuer wie nie. Der Anstieg der Preise bei Gebrauchten hat ein ungeahntes Tempo erreicht.

Sinkende Kaufkraft

Damit wurden in den letzten zwei Jahren neue und gebrauchte Autos zu den Haupt-Inflationstreibern, nur noch übertroffen von Energie und Nahrungsmitteln. Die Verbraucherpreise insgesamt nahmen nach den Berechnungen der Wiesbadener Statistiker im gleichen Zeitraum um 17 Prozent zu. Alle Käufer von Autos - neu oder gebraucht - gerieten dadurch zwangsläufig in die Klemme. Denn im gleichen Zeitraum nahmen die Löhne nur um rund zehn Prozent zu, gingen die Reallöhne um etwa acht Prozent zurück.

Sinkende Kaufkraft bei den Autokunden standen rapide steigende Gewinne trotz rückläufiger Verkäufe bei den Autoherstellern gegenüber. Das galt weltweit, besonders ausgeprägt war es aber bei den deutschen Herstellern. Der Automobilabsatz ging 2022 weltweit laut "Automobilwoche" um 2,7 Prozent zurück. Dennoch verzeichnete die Branche Rekordwerte bei Umsatz und Gewinn, weil sie hohe Preise durchsetzen konnte. Im Vergleich zum Corona-Krisenjahr 2020 hat sich der Umsatz der Autokonzerne um knapp ein Drittel erhöht, der Gewinn sich sogar verdreifacht.

VW setzt zwei Ausrufezeichen

Die Umsätze der größten Autobauer nahmen 2022 gegenüber dem Vorjahr um 18 Prozent auf 1,87 Billionen Euro zu. Volkswagen lag 2022 weltweit bei Umsatz und Gewinn vorn, beim Absatz rutschte der Konzern ab. Beim Umsatz führte Volkswagen das Branchenranking mit 279 Milliarden Euro an, vor Toyota mit 258 Milliarden Euro und Stellantis mit 180 Milliarden Euro.

Absatz-Champion unter den deutschen Premium-Marken blieb BMW mit 2,4 Millionen, gefolgt von Mercedes mit 2,1 Millionen und Audi mit 1,8 Millionen Verkäufen. Bei den deutschen Nobel-Herstellern setzte sich damit der seit 2019 laufende Absatzrückgang fort, während die Gewinnmarge pro verkauftem Fahrzeug zunahm. Mit der Folge, dass alle drei Hersteller Rekordgewinne im vergangenen Jahr erzielten: Audi vermeldete 7,1 Milliarden Euro Gewinn, Mercedes-Benz 14,8 Milliarden Euro und bei BMW waren es 18,6 Milliarden Euro.

Es kann so einfach sein

Die Gründe für die Gewinnexplosion sind simpel: Zum einen wurden erstmals seit vielen Jahrzehnten fabrikneue Automobile knapp. Alle Hersteller weltweit hatten mit Corona-Folgen, ungewohnten Materialengpässen insbesondere bei Speicherchips sowie gravierenden Störungen in den Lieferketten zu kämpfen. Letzteres vor allem mit dem Hauptlieferanten China. Nachdem die Lager an Neuwagen geräumt waren, schossen die Preise bei knappem Angebot in die Höhe. Die Nachfrage ließ es zu. Noch stärker schwappte die Preiswelle auf den Gebrauchtwagenmarkt über, mit der Folge, dass dort - von niedrigem Niveau aus - die Preise für gebrauchte Autos sogar doppelt so stark anstiegen wie bei Neuwagen.

Zum anderen ließen kluge Automanager sehr rasch erkennen, dass sie früher in den Harvard-Seminaren zur Absatz-Gewinn-Optimierung gut aufgepasst hatten: Angesichts der Mangellage bei strategischen Teilen bevorzugten sie in der Produktion die hochpreisigen Modellreihen. Die ertragsschwachen unteren Massensegmente wurden dagegen sukzessive ausgedünnt, versehen mit langen Wartezeiten.

Bei allen erfolgte der Schwenk zur Hochpreisstrategie, dahin, wo die Margen am größten waren und sind. Bis 2019 galt angesichts der hohen Sättigung der Automärkte und heftigen Rabattkämpfe um Marktanteile noch die Maxime: Masse um jeden Preis. Jetzt erfolgte bei allen der Schwenk hin zum neuen strategischen Imperativ: Kasse statt Masse! Dabei wurden die noch knapperen und desto hochpreisigeren Elektroautos bevorzugt. Der Mangel an Speicherchips machte es möglich.

Otto-Normalkunde bleibt auf der Strecke

Leidtragende wurden und sind bis heute die Autokunden mit schmalem und mittlerem Geldbeutel, die bei dieser Strategie auf der Strecke bleiben. Schon macht sich in der Öffentlichkeit die Befürchtung breit, Automobile könnten zum Luxus werden. Die individuelle Nutzung eines eigenen Autos, vor allem, wenn es elektrisch fährt, wird zu einem exklusiven Vergnügen für einkommensstarke Gruppen.

Zum Glück wirken die Marktkräfte. Inzwischen mehren sich die Zeichen, dass die Periode exorbitanter Preissprünge bei Neuwagen wie bei Gebrauchten zu Ende geht. Autoproduktion und Lieferfähigkeit haben sich überall deutlich verbessert - Ausnahme Audi, die etwa Kurzarbeit wegen Produktionsausfällen haben.

Im Vorjahresvergleich liegen die Steigerungsraten bei den Autopreisen im März 2023 inzwischen wieder bei plus minus null. Der Markt ist also dabei, sich wieder zu drehen: Vom Verkäufermarkt, wo die Hersteller dominieren, hin zum Käufermarkt, wo die Autokunden wieder zum König werden. Die ersten Auto-Rabatte kehren zurück und auf der Elektroseite hat Tesla mit aggressiven Rabattaktionen den Automarkt aufgewirbelt. Hinzu kommt, dass chinesische Autohersteller mit kleinen und billigen Elektroautos in Deutschland im Anmarsch sind und die hiesigen Platzhirsche in Aufregung versetzen.

Das alles bedeutet aber zunächst nur, dass die Verluste an "Autokaufkraft" für Otto-Normal-Verbraucher vorerst nicht noch größer werden. Die bestehende Lücke bleibt aber zunächst erhalten.

Quelle: ntv.de

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