Die Einschläge kommen näher Pleitewelle unter den Autozulieferern rollt
19.09.2019, 18:45 Uhr
Den deutschen Autozulieferern bleiben nur wenige Jahre, um sich neu aufzustellen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die Nachfrageflaute bei den Autobauern schlägt dramatisch auf die Zulieferer durch. Zwei sind pleite, der dritte wankt gefährlich. Die IG Metall fordert die dortige Belegschaft verzweifelt zum Beten auf.
Eine Studie hat es erst kürzlich prophezeit: Den Autozulieferern droht ein Fiasko. Wie es aussieht, könnte sich die düstere Prophezeiung schneller bewahrheiten als erwartet. Denn die schwächelnde Nachfrage bei den Automobilherstellern schlägt immer stärker auf die Zulieferer durch. Das bekommen auch die Arbeitnehmer zu spüren.
Die Unternehmensberatung Roland Berger und die Investmentbank Lazard nennen es in ihrer Studie eine "Vollbremsung". Das bislang jüngste Beispiel hierfür ist die Brandl Maschinenbau GmbH. Die Geschäftführung muss wie viele andere aus der Branche nun auch die Axt anlegen, wie die "Passauer Neue Presse" schreibt. Als Konsequenz aus der Branchenflaute soll Ende 2020 das Werk im niederbayerischen Pfeffenhausen geschlossen werden. Den Schritt begründet das Unternehmen in einer Pressemitteilung mit dem "dramatischen Umbruch der Automobilzuliefererindustrie". Traurige Bilanz: 120 Arbeitsplätze fallen weg.
Die ganze Branche stehe "massiv unter Druck", so Brandl-Restrukturierungschef Axel Dransfeld. Man habe in Pfeffenhausen "die einzig mögliche Konsequenz" gezogen. Weitergehen wird es für das Unternehmen nur an den Standorten Kaplice (Tschechien) und Sibiu (Rumänien). Nur dort sollen alle 900 Arbeitsplätze erhalten bleiben.
Im "Sturm der Mobilitätswende" kapituliert haben inzwischen der schwäbischen Lackieranlagenbauer Eisenmann und der süddeutsche Zulieferer Weber Automotive. Andere wie Avir Gussmann balancieren derzeit noch gefährlich nahe am Abgrund. Ob die Rettung des Unternehmens, das im vergangenen Jahr unter seinem alten Namen "Neue Halberg Guss" wegen eines erbitterten Preiskampfs zwischen der bosnischen Unternehmerfamilie Hastor und VW Schlagzeilen sorgten, gelingen kann, ist ungewiss. Die Entscheidung soll Berichten zufolge in wenigen Tagen fallen.
"Lasst uns alle beten"
Die 1500 Mitarbeiter der Gießerei mit Standorten in Saarbrücken und Leipzig warten seit Wochen auf ihren Lohn. Auch vereinbarte Abfindungen für 200 Mitarbeiter wurden bislang nicht gezahlt. Wie dramatisch die Lage ist, zeigt der Appell des IG-Metall-Sprechers Thorsten Dellmann auf einer Informationsveranstaltung für die Arbeitnehmer: "Lasst uns alle beten, dass das Geld kommt."
Wie das "Handelsblatt" aus dem Umfeld der Investoren erfuhr, fehlt eine Zusage "für einen mittleren einstelligen Millionenbetrag". Allein bei den Abfindungen geht es allerdings laut "Saarbrücker Zeitung" bereits um eine Summe von rund vier Millionen Euro. Die potenziellen Geldgeber VW, GM und Deutz - gleichzeitig wichtige Kunden - zögern, offenbar fürchten sie ein schwarzes Loch.
Inzwischen müssen tausende Arbeitnehmer um ihre Jobs bangen. Ursachen für die dramatische Entwicklung in der Branche sind der schwache Pkw-Absatz in China sowie die allgemeine konjunkturelle Abkühlung. Neben dem Absatzproblem treffen aber auch strukturelle Veränderungen im Rahmen des Wandels hin zur Elektromobilität die Branche.
Die Zulieferer stecken dabei in einem Dilemma: Einerseits müssen sie Geld sparen, andererseits müssen sie investieren, um sich für das neue Mobilitätszeitalter zu rüsten. Passende Produkte für Themen wie Elektromobilität und autonomes Fahren zu entwickeln, kostet viel Geld, nicht jede Firma hat die Reserven dafür.
Selbst Branchengrößen wie Conti oder Schaeffler bekommen den Wandel in der Branche schmerzlich zu spüren. Beim fränkischen Autozulieferer Schaeffler, die Nummer 6 unter den deutschen Autozulieferern, gibt es bereits Kurzarbeit. Und auch der Platzhirsch Continental prüft im Zuge seines Sparkurses einzelne Werke. Der Konzern schaue überall auf die Wettbewerbsfähigkeit, auch deutsche Standorte würden dabei nicht ausgespart, sagte Conti-Chef Elmar Degenhart kürzlich der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". In einem ersten Schritt gebe es in einigen Betrieben Kurzarbeit, darüber hinausgehende Maßnahmen - möglichweise auch Verkäufe - würden noch mit dem Betriebsrat verhandelt.
Quelle: ntv.de