Athen lässt Troika erneut abblitzen Schulz: Griechenlands Finanzlage "ist gefährlich"
19.03.2015, 08:00 Uhr
Sokrates schweigt - Athen und Brüssel reden durcheinander.
(Foto: REUTERS)
Plötzlich drängt die Zeit. Athen hat die Pleite vor Augen - und zwar binnen Tagen. Da ist es wenig hilfreich, dass die Regierung erneut die Troika vor die Tür setzt. Nun trübt sich selbst bei den größten Optimisten in der EU die Stimmung.
Griechenland steht nach den Worten von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz wegen kurzfristiger Zahlungstermine finanziell am Abgrund. Die Finanzlage des Landes "ist gefährlich", sagte er dem "Deutschlandfunk". Kurzfristig sei es so, dass zwei bis drei Milliarden erforderlich sind, um die laufenden Verpflichtungen aufrechtzuerhalten.
"Die Zeit wird knapp", warnte Schulz. Das Land müsse bis Ende des Monats weiteren Zahlungen nachkommen. Zudem bräuchten griechische Banken Geld, die Möglichkeiten der nationalen Zentralbank zu deren Geldversorgung seien fast erschöpft. "Deshalb wäre es gut, Griechenland würde jetzt endlich die Verpflichtungen, die es eingegangen ist, erfüllen - dann fließt auch wieder Geld", forderte Schulz.
Er höre mit Sorge, dass die Gespräche der internationalen Institutionen - der früheren Troika - mit der griechischen Regierung nur schleppend liefen. "Die Kooperationsbereitschaft der griechischen Regierung muss einfach besser werden", forderte er.
Gespräche in Athen gescheitert
Zuvor hatte das "Handelsblatt" berichtet, dass die Gespräche zwischen der griechischen Regierung und den internationalen Geldgebern über die weitere Zusammenarbeit vorerst gescheitert seien. Politische Kreise in Athen bestätigten eine entsprechende Meldung. In Brüssel hieß es, die Gespräche seien auf Eis gelegt worden. Athen zeige keinerlei Kooperationsbereitschaft, berichteten Vertreter von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) nach einer Telefonschalte mit dem Finanzministerium in Griechenland.
Zudem habe die Regierung in Athen ohne Rücksprache neue Staatsausgaben beschlossen und verstoße damit gegen Vereinbarungen. Damit sei die Chance, die Auflagen des laufenden Hilfsprogramms bis Ende April zu erfüllen, nur noch gering. Die Griechen hätten die Troika-Institutionen "wieder vor die Tür gesetzt", hieß es laut "Handelsblatt" in Brüssel.
"Die Lage verschlechtert sich"
Beim EU-Gipfel wollen Europas Spitzen unterdessen einen Ausweg aus der bedrohlichen Griechenland-Krise suchen. Dazu ist ein Krisentreffen in kleiner Runde am heutigen Abend geplant, an dem Kanzlerin Angela Merkel und Griechenlands Premier Alexis Tsipras ebenso teilnehmen wie EU-Ratspräsident Donald Tusk, Frankreichs Präsident François Hollande, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, sowie EU-Kommissionschef Juncker und Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem.
Unmittelbar vom dem Spitzentreffen zeigte sich EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker unzufrieden mit den Fortschritten in Griechenland: "Ich bleibe beunruhigt." Ein Diplomat sagte: "Die Lage verschlechtert sich, wir müssen eine Lösung finden."
Deutschland und andere Kreditgeber pochen im Schuldenstreit darauf, Bedingungen der Euro-Finanzminister einzuhalten. Das bedeutet: Neue Hilfsmilliarden sind strikt an Reformen und den Abschluss des schon zweimal verlängerten Hilfsprogramms gebunden. Merkel hat Tsipras für Montag nach Berlin eingeladen.
Athen: Keine Hilfen seit August erhalten
Wenige Stunden vor dem EU-Gipfel hat die griechische Regierung nun doch ein Liquiditätsproblem eingeräumt. Sie brauche die Unterstützung der europäischen Partner, um einen finanziellen Engpass zu vermeiden, sagte Vize-Regierungschef Yannis Dragasakis im griechischen Fernsehen. Griechenland habe seit August keine Kredittranche aus dem Hilfsprogramm der Euro-Partner und des IWF mehr erhalten. Der Staat habe aber in dieser Zeit alle finanziellen Verpflichtungen erfüllt.
"Um unseren Verpflichtungen nachzukommen, brauchen wir die gute Kooperation der europäischen Institutionen", sagte Dragasakis. Das klamme Land muss am Freitag eine weitere Rate über 350 Millionen Euro eines Kredites an den IWF zahlen. Weitere Zahlungen stehen bis Ende März an. Gleichzeitig sind die Steuereinnahmen deutlich hinter den Prognosen zurückgeblieben. Setzt Griechenland seine Reformzusagen glaubhaft um, könnte die Regierung kurzfristig auf Geld seiner Partner in Europa und vom IWF von zusammen sieben Milliarden Euro hoffen.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/rts