Wirtschaft

Erster Spatenstich in Dresden Selbst Infineon-Fabrik löst Chip-Mangel nicht

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Der Münchner Halbleiterhersteller investiert fünf Milliarden Euro in das neue Werk in Dresden, das ist die größte Einzelinvestition in der Geschichte des Unternehmens.

Der Münchner Halbleiterhersteller investiert fünf Milliarden Euro in das neue Werk in Dresden, das ist die größte Einzelinvestition in der Geschichte des Unternehmens.

(Foto: picture alliance/dpa)

Der Bedarf an Halbleitern reißt nicht ab und die Pandemie hat gezeigt, wie anfällig globale Lieferketten sind. Nicht zuletzt deswegen baut der deutsche Halbleiterhersteller Infineon eine eigene Fabrik. Der Spatenstich in Dresden ist der Beginn einer Aufholjagd, die laut Experten kaum gelingen kann.

Für Infineon ist es die bislang größte Investition in der Geschichte des Unternehmens: Der deutsche Halbleiterhersteller baut in Dresden für fünf Milliarden Euro eine neue Chip-Fabrik. Hergestellt werden sollen dort sogenannte Leistungschips, die unter anderem für Windparks oder Elektroautos benötigt werden.

Das Unternehmen beginnt mit dem Spatenstich eine Aufholjagd. Der Chipmangel während der Corona-Pandemie hat der Industrie nicht zuletzt die Anfälligkeit globaler Lieferketten vor Augen geführt. Die Fabrik in Dresden soll auch dazu beitragen, Europa weniger abhängig von den USA und China zu machen. Doch bis es so weit ist, werden noch einige Jahre vergehen: Erst im Herbst 2026 sollen die ersten Chips die Anlage verlassen.

Laut dem Halbleiter-Experten der Stiftung Neue Verantwortung Jan-Peter Kleinhans ist es nicht ungewöhnlich, dass der Aufbau einer neuen Fertigung mindestens drei, eher sogar vier Jahre dauert. "Insofern hilft keine der in Deutschland oder Europa angekündigten Fabriken, um die jetzigen Knappheiten zu beheben", sagt Kleinhans ntv.de. Außerdem sei die Halbleiter-Fertigung hochgradig diversifiziert. "Eine Fabrik für Leistungselektronik, kann nicht genutzt werden, um etwa Server-Prozessoren herzustellen."

Infineon begründet seine Investition mit den langfristigen, guten Wachstumsaussichten der Branche. Der Konzern erhofft sich jährliche Erlöse von rund fünf Milliarden Euro, wenn die Anlage die Produktion aufnimmt - das wäre ein Umsatzplus von rund einem Drittel.

Ohne Investitionen wäre Deutschland laut dem Halbleiter-Experten Marcus Gloger von der Strategieberatung PwC Strategy& aktuell nicht in der Lage, seine Marktposition an Leistungshalbleitern zu halten. "Dieser Markt wächst so schnell, dass wir eine bestimmte Fabrik nicht brauchen, um die Nachfrage der Welt zu bedienen, sondern allein, um unseren eigenen steigenden Bedarf zu decken", sagt Gloger im Gespräch mit ntv.de. "Eine einzelne Fabrik ist bei Weitem nicht in der Lage, alle Engpässe, die wir heute haben, zu decken."

Weltweit beachtetes Chip-Ökosystem

Die Wahl des Standorts kommt indes nicht von ungefähr: Inzwischen stammt jeder zweite bis dritte europäische Halbleiter aus Sachsen. Mit zahlreichen Forschungseinrichtungen und Zulieferern hat sich ein weltweit beachtetes Chip-Ökosystem entwickelt, das auch auf der jahrzehntelangen Erfahrung in Dresden mit der Halbleiterei gründet. Schon 1961, zu DDR-Zeiten, wurde hier eine erste Halbleiterfabrik errichtet. Heute jedoch sind größere Unternehmen und vor allem deren Hauptquartiere Mangelware.

Dabei verfügt der Freistaat über eine Fläche von 170 Hektar bei Dresden, die für Chip-Investoren bereitsteht; an einem weiteren Grundstück in der Nähe von Leipzig wird gearbeitet. Die Branche hat insbesondere TSMC im Blick. TSMC-Chef C.C. Wei sagte bei der Vorlage der jüngsten Quartalszahlen erneut, sein Unternehmen prüfe den Bau einer Chipfabrik in Europa, die sich auf Kunden in der Autobranche spezialisieren solle.

Bei der Standortwahl kommen inzwischen laut Gloger neben rein wirtschaftlichen Überlegungen auch Themen der Resilienz der Wertschöpfungskette als auch Aspekte der digitalen Souveränität zum Tragen. Dabei könnte es zukünftig auch Anforderungen geben, dass Chips, die in europäischen Produkten und Anwendungen verbaut werden sollen, zumindest teilweise auch in Europa produziert werden. Neben Infineon planen auch der US-Chiphersteller Intel und der US-Hersteller Wolfspeed den Bau von Fabriken in Deutschland. "Selbst gemeinsam könnten es mehrere Anbieter wie Infineon, Intel und Wolfspeed gerade so schaffen, den steigenden europäischen Bedarf zu decken. Sie werden nicht in der Lage sein, neben Deutschland auch noch andere Länder mit Chips zu beliefern. Es wird sicherlich keine Überkapazität entstehen. Nicht einmal in Europa."

Europäisches Fördervolumen hinkt hinterher

Dessen ist sich auch die EU bewusst. Mit dem "European Chips Act" im Volumen von insgesamt 43 Milliarden Euro soll der weltweite Produktionsanteil von Halbleitern in Europa binnen zehn Jahren auf 20 Prozent verdoppelt werden. Die EU will mit damit Anschluss an die USA und asiatische Länder finden, die zum Teil weitaus größere Subventionspakete geschnürt haben. In den USA stehen 52 Milliarden Dollar für die Chipindustrie bereit, in Asien sind es Hunderte Milliarden. Dennoch zieht das EU-Programm Investoren an: Seit Ankündigung der Pläne im vergangenen Jahr wurden einem EU-Vertreter zufolge Investitionen im Volumen von mehr als 100 Milliarden Euro angekündigt.

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Laut Gloger soll mit dem sogenannten Chip-Gesetz einerseits die Industrie stabilisiert, gleichzeitig aber auch die digitale Souveränität sichergestellt werden. "Unter diesen Gesichtspunkten führt kein Weg vorbei an dem 20-Prozent-Ziel." Um es zu erreichen, seien allerdings massive Anstrengungen und noch weit höhere Fördermaßnahmen notwendig.

Etwas anders argumentiert Kleinhans: "Das Ziel ist weder sinnstiftend noch realistisch" sagt er. Schließlich sei Europa noch nie ein Hub der Halbleiter-Fertigung gewesen, sondern hatte immer etwa 8 bis 12 Prozent des globalen Produktionsanteils. "Bei einer nachhaltigen europäischen Industriepolitik sollte es vielmehr darum gehen, weiterhin marktführend in bestimmten Schlüsseltechnologien zu sein." Außerdem sollte seiner Einschätzung nach das Augenmerk viel stärker auf Chip-Design und der Stärkung des europäischen Startup-Ökosystems sein als auf der Fertigung.

Quelle: ntv.de, mit rts

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