Qoros, Nio, Byron So motzen Deutsche Chinas E-Autos auf
29.08.2021, 17:09 Uhr
Faraday FF91S 2017
(Foto: Andrej Sokolow//dpa)
China ist der wichtigste Autoabsatzmarkt der Welt. Elektro ist im Reich der Mitte in. Die Modelle der Chinesen haben es bislang nach Deutschland nicht geschafft - trotz tatkräftiger Unterstützung zahlreicher Ex-Manager von BMW und VW.
Angefangen hat alles zu Beginn des neuen Jahrtausends: Damals fand die chinesische Regierung, es wäre an der Zeit, dass ihre im Inland doch so erfolgreiche Autoindustrie erste Schritte zur Eroberung des Weltmarktes machen könnte. Schließlich gab es in fast allen der insgesamt 23 Provinzen des Landes mittlerweile Autohersteller - insgesamt mehr als 300. 2005 taucht in den Niederlanden ein Gefährt namens Landwind auf, ein Geländewagen des Autobauers Jiangling, in Europa völlig unbekannt. Der Landwind war ein Nachbau des Isuzu Rodeo der Baujahre 1991 bis 1997 sowie von dessen Schwestermodell Opel Frontera. Der Landwind erhielt vernichtende Kritiken und fiel am Markt spektakulär durch - wegen extrem schlechter Crashtests, im Ernstfall mit teils tödlicher Konsequenz für die Insassen. Ein ähnliches Schicksal ereilte knapp zwei Jahre später den Hersteller Brilliance mit dem BS6. Auch dessen Versuch eines Markteintritts wurde zu einem Desaster.
Aufgrund all dieser Misserfolge kam die chinesische Regierung zu der Erkenntnis, dass es, um auf dem Weltmarkt erfolgreich zu sein, für ihre Autoindustrie nicht ausreichte, westliche Technologie nur zu kopieren und nachzubauen. Peking war sich nun sicher, dass man "humanes" automobiles Engineering, also Knowhow in Person erfahrener Automanager aus westlichen Herstellerunternehmen, an den Beginn der Markteroberung setzen müsse. Hohe Personal-Einstandskosten inklusive.
Erfahren, rüstig, sucht ...
Und so geschah es dann auch die nächsten 20 Jahre. Immer wieder tauchten in der Autowelt Prototypen oder neue chinesische Automarken auf, hinter denen als treibende Kräfte und Aufbauhelfer Spitzen-Manager aus Entwicklungs- oder Vertriebsressorts deutscher Autohersteller standen. Eine Win-Win-Situation für beide Seiten: Die chinesische Autoindustrie bekam ausgewiesenes automobiles Knowhow aus der Autobranche in Deutschland und die meist rüstigen deutschen Manger, die ihre Unternehmen in der Regel altersbedingt und oft gegen den eigenen Willen verlassen hatten, eine neue Herausforderung.
Die erste von deutschen Managern für den europäischen Markt entworfene und durchdachte chinesische Marke war Qoros, die im Dezember 2013 mit großem PR-Getöse in Schanghai präsentiert wurde. Führender Kopf hinter Qoros war der 70-jährige Manager Volker Steinwascher, von VW mit 63 in Rente geschickt. Unterstützt wurde Steinwascher von 2,57 Milliarden Dollar und einem Team von Experten aus Unternehmen anderer westlicher Autobauer, wie etwa von Ex-BMW-Managern Klaus Schmidt (Fahrzeugentwicklung) und Autodesigner Gert Hildebrand, der zuvor bei Opel für den Manta, bei VW für den Golf III und schließlich bei BMW für den Mini verantwortlich zeichnete und bei BMW ebenfalls mit 60 in Rente sollte.
Steinwascher plante für den Anfang den Verkauf von 150.000 Qoros, so war die Fabrikkapazität ausgelegt, mit denen er vor allem den Angriff auf den chinesischen Markt starten wollte. Verkauft wurden im Startjahr 2014 dann aber lediglich 7000 Qoros. 2015 waren es 14.000. Steinwascher und Kollegen wurden 2015 entlassen. Die Firma selber erwies sich bislang zuverlässig als hoch verlustreich und unverkäuflich.
Ein Abstecher nach Vegas
Haupttummelplatz für futuristische Prototypen und Showcar-Vorstellungen unter Mitwirkung rüstiger deutscher "Automobil-Experten" war und ist bis zum heutigen Tag das Silicon Valley, genauer die CES in Las Vegas. Dort werden seit 50 Jahren elektronische Neuheiten und seit 20 Jahren Showcars und Zukunftsvisionen der Mobilität in Gestalt von Concept-Studien von Roboter- und Elektroautos gezeigt. Erinnert sei hier an den legendären Sneakers- und Blue-Jeans Auftritt von Daimler-Chef Dieter Zetsche bei der Präsentation seiner Daimler-Zukunftsvision, des F 105, von Nachfolger Ola Källenius erbarmungslos eingestampft.
Chinesische Investoren stellten auf der CES 2015 ein Elektroauto-Startup namens Faraday Future (FF) samt Concept-Car FF-Zero1 vor. Sie verkündeten sogleich den Bau eines Werkes in Nevada, ähnlich wie bei Tesla, wo die Investoren über eine Milliarde US-Dollar investieren wollten. Anfang 2017 wollte Faraday Future auf der CES als erstes serienreifes Modell zeigen, den FF91- ein 1000 PS-starker Elektro-Sportwagen. Serienproduktion war für 2018 in Nevada geplant.
Allerdings: Außer dem Show-Car FF91 wurde ein Auto der Marke Faraday bislang nicht gesichtet. Statt Fabrikeröffnung und Fahrzeugproduktion befand sich Faraday Future bis 2020 ununterbrochen in finanziellen, technischen und personellen Turbulenzen, in die zeitweise auch die Ex-BMW-Manager Stefan Krause (Finanzvorstand) und Ex-BMW-Vordenker für das i-Projekt, Ulrich Kranz, (Technikchef) eingebunden waren. Ohne nachhaltigen Erfolge, zumindest für FF.
Große Pläne und Visionen, aber kein Kapital
Dann betrat als nächster Automobil-Rentner Carsten Breitfeld 2019 als neuer Vorstandschef die Faraday-Bühne und sollte dem Unternehmen und der Marke neue "future" einhauchen. Breitfeld war 20 Jahre für BMW tätig, wo er zuletzt die Entwicklung des neuartigen Carbon-Elektro-Hybrid-Sportwagens i8 geleitet hatte. Dann ging er mit einem Team von BMW-Kollegen und anderen deutschen Autobauern in die Volksrepublik China, versuchte dort erst die Elektroauto-Marke Byton aufzubauen, arbeitete dann ein paar Monate für Iconiq Motors und wurde schließlich im Herbst 2019 Chef bei Faraday Future in Los Angeles.
Mit Vorstandschef Breitfeld kamen als Personalneuzugänge Ex-GM-Veteran Bob Kruse (Senior President for Product Execution) und der langjährige Ex-BMW Manger Benedikt Hartmann (Senior Vice President of Global Supply Chain Organization), der die gesamte Logistik leiten und kontrollieren sollte. Was er zuvor schon für das Joint-Venture BMW-Brilliance in China erfolgreich getan hatte.
Und natürlich hatte Breitfeld sofort nach Dienstantritt große Pläne für seinen neuen Arbeitgeber Faraday Future: etwa den sofortigen Bau einer Fabrik in Nevada, um dort später jährlich noch zu entwickelnde 270.000 Elektroautos der Luxus-, Mittel- und Oberklasse zu bauen. Geschätzter Kapitalbedarf: über eine Milliarde Dollar - die nicht vorhanden waren. Zwar konnte Breitfeld Ende Juli 2021 einen Börsengang über eine Milliarde Dollar erfolgreich durchführen, der Neuanfang von Faraday Future wäre damit geschafft. "Aber jetzt müssen wir liefern, und das ist absolut entscheidend", sagte er damals. Ob es aber dazu kommt, ist offen.
An akuter Kapitalknappheit leidet auch noch ein weiteres chinesisches Auto-Startup: Byton. Das Unternehmen stand seit Gründung 2017 unter der deutschen Führung von Daniel Kichert. Er hatte zuvor unter anderem für BMW in China gearbeitet. Der Name Byton ist Programm: Er steht als Kurzform für "Bytes on wheels" (Bytes auf Rädern) - ein Computer auf Rädern. Und so sehen die Autos auch aus. Kichert wollte bereits Ende 2020 mit dem M-Byte die ersten Elektroautos in Deutschland verkaufen. Das Angebot: Ein Premium-Elektroauto mit Smartphone-Qualitäten, bis zu 500 Kilometer Reichweite, zu einem erschwinglichen Preis.
Unterstützt wurde Byton bislang durch einflussreiche Investoren wie den chinesischen Internetgiganten Tencent, den Autokonzern FAW und den Elektronikriesen Foxconn. Eine weitere Investorenrunde ist notwendig und steht laut Kichert kurz vor dem Abschluss. Zumindest kurzfristig ist damit sichergestellt, dass die Schar Automobil-begeisterter Silver-Ager der deutschen Automobilindustrie auf Jobsuche nicht weiterwächst.
Quelle: ntv.de