Diskriminierung von Migranten Studie: Wirtschaft entgehen jährlich 100 Milliarden Euro
19.09.2023, 14:59 Uhr Artikel anhören
Menschen mit ausländischen Wurzeln haben es oft schwerer, einen Job zu bekommen.
(Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur)
Laut einer Studie entfalten viele Menschen mit ausländischen Wurzeln ihr Potenzial auf dem Arbeitsmarkt nicht - und das in Zeiten von akutem Personalmangel. Ein Grund ist, dass sich viele diskriminiert fühlen. Mangelnde kulturelle Diversität spiegelt sich zudem in den DAX-Konzernen wider.
Der deutschen Wirtschaft entgehen jedes Jahr 100 Milliarden Euro, weil Menschen mit ausländischen Wurzeln daran gehindert werden, ihr volles Potenzial zu entfalten. Das berichtet der "Spiegel" mit Verweis auf eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey und der Personalberatung Egon Zehnder. Sie basiert unter anderem auf einer repräsentativen McKinsey-Umfrage unter mehr als 2000 Beschäftigten in Deutschland, von denen 75 Prozent einen kulturell diversen Hintergrund haben.
Demnach müssen Menschen aus Einwandererfamilien mehr Bewerbungen schreiben, bekommen weniger Gehalt und werden seltener befördert. Beschäftigte mit ausländischen Wurzeln fühlen sich im Arbeitsalltag doppelt so häufig diskriminiert. Und von denen, die diskriminierende Erfahrungen machen mussten, spielt mehr als jeder Zweite mit dem Gedanken an eine Kündigung.
Derzeit sind mehr als zwei Millionen Arbeitsplätze in Deutschland unbesetzt. 40 bis 50 Prozent dieser Stellen könnten besetzt werden mit Menschen, die schon hier leben, so die Studienautoren Denis Francis von McKinsey und So-Ang Park von Egon Zehnder.
Wenige Migranten im Topmanagement
Bei den DAX-Konzernen liegt der Anteil an kulturell diversen Vorstandsmitgliedern, die eine klassische Migrationsgeschichte haben und als soziale Aufsteigerinnen und Aufsteiger gelten können, bei weniger als fünf Prozent. Das Fazit von So-Ang Park: "Viele Konzerne haben sich kulturelle Diversität auf die Fahnen geschrieben, aber im deutschen Topmanagement ist gelebte Vielfalt trotzdem eher noch die Ausnahme als die Regel."
Diese Ignoranz bremse nicht nur einzelne Firmen aus, sondern gefährde auch den ökonomischen Wohlstand und die Innovationskraft des gesamten Wirtschaftsstandorts Deutschland. Schließlich hat schon jetzt mehr als jeder dritte Beschäftigte zwischen 25 und 44 Jahren ausländische Wurzeln.
Fachkräftemangel und das Erstarken der AfD
Viele Branchen klagen aktuell über Personalmangel. Hinzu kommt, dass in den kommenden Jahren viele Menschen in Rente gehen. Als eine Lösung des Problems wird immer wieder die Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland genannt.
Deutsche Wirtschaftsverbände sehen dabei ein Risiko in den Erfolgen der AfD. Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" berichtete unter Berufung auf eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), dass 48 Prozent der Befragten als größtes kurzfristiges Problem angegeben haben, dass Unternehmen in AfD-Hochburgen Schwierigkeiten bekämen, ausländische Fachkräfte zu gewinnen. Befragt wurden die Hauptgeschäftsführer der zentralen deutschen Unternehmerverbände, darunter die Mitgliedsverbände des Industrieverbands BDI und des Arbeitgeberverbands BDA.
Der Berliner Starkoch Tim Raue kritisierte zudem kürzlich im Interview mit ntv.de bürokratische Hürden: "Überall herrscht Fachkräftemangel. Und die Politik begreift nicht, dass dieses Land Arbeitsmigranten und Zuwanderung braucht. Was ist mit den Flüchtlingen in Deutschland? Wir kommen hier nur in ganz kleinen Schritten voran, weil wir uns bürokratisch Betonklötze an die Beine hängen."
Quelle: ntv.de, rog