Über zwei Millionen BeschäftigteTarifverhandlungen für öffentlichen Dienst der Länder beginnen - drohen Streiks?

Im öffentlichen Dienst der Bundesländer arbeiten etwa Lehrer, Pfleger, Ärzte, Müllwerker und auch Straßendienstmitarbeiter. Sie alle sollen nach dem Willen von Verdi und Beamtenbund sieben Prozent mehr verdienen. Für die Arbeitgebervertreter ist das zu viel.
Gewerkschaften und Arbeitgeber beginnen ihre Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Bundesländer. Ziel sei es, nicht nur einen Inflationsausgleich, sondern einen Reallohnanstieg durchzusetzen, sagt Verdi-Chef Frank Werneke unmittelbar vor Verhandlungsbeginn in Berlin.
Für wen wird verhandelt?
Für insgesamt rund 2,2 Millionen Beschäftigte. Direkt betroffen sind laut Verdi mehr als 900.000 Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst der Länder außer Hessen, das separat mit den Gewerkschaften verhandelt. Da das Tarifergebnis im Nachhinein in den einzelnen Ländern per Gesetz auf die Beamtinnen und Beamten und Versorgungsempfänger übertragen werden soll, sind auch diese rund 1,3 Millionen Personen in der Gesamtzahl enthalten.
Verhandelt wird etwa für Lehrkräfte an Schulen, Lehrende an Hochschulen sowie Pflegerinnen und Pfleger, Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken. Strafvollzug und Justizwesen sind genauso betroffen wie die Kitas.
Was fordern die Gewerkschaften?
Sieben Prozent mehr Geld im Monat - mindestens aber 300 Euro zusätzlich. Das soll die unteren Lohngruppen stärken. 200 Euro pro Monat mehr soll es für Nachwuchskräfte geben - und die Aussicht auf unbefristete Übernahme. Alle Zeitzuschläge sollen um 20 Prozentpunkte steigen. Das Ganze bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.
Verdi-Chef Frank Werneke begründet die Forderungen so: "Wir haben in der gesamten Breite des öffentlichen Dienstes, nicht nur in den Ländern, aber eben auch in den Ländern, im großen Umfang ungedeckten Personalbedarf." Das betreffe Unikliniken, die Straßenbauverwaltung, das Justizwesen und in den Stadtstaaten auch eine Menge bürgernaher Dienstleistungen.
Wie bewerten die Arbeitgeber die Forderungen?
Der Verhandlungsführer der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel von der SPD, beharrt beim Start auf seine harte Position, die Gewerkschaften verlangten schlicht zu viel. Seine Aussage, es handele sich um "astronomische Forderungen", mit der der Verhandlungsführer bereits im Vorfeld Kritik der Gewerkschaften auf sich gezogen hatte, wiederholte er nicht.
Bereits seit 2013 seien die Tabellenentgelte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder um durchschnittlich rund 42 Prozent erhöht worden - bei unteren Lohngruppen sogar um bis zu rund 59 Prozent, argumentiert Dressel. Die Verbraucherpreise hätten nur um rund 33,6 Prozent zugelegt.
Bei den Finanzen sehe es in den Ländern dagegen schlecht aus - vor allem ein "dramatisches Ausgabenwachstum" bei den Sozialleistungen übertreffe das schmale Einnahmewachstum weit. Auf besonders harte Kritik stößt bei Dressel die Forderung nach einem zusätzlichen freien Tag für Gewerkschaftsmitglieder - da dies wohl eher der Mitgliederwerbung als dem Tarifgefüge diene.
Was macht die Verhandlungen vom Start weg schwierig?
Unterschiedliche Einschätzungen zur Lage. Werneke argumentiert, die Gewerkschaften seien "absolut entschlossen" zu verhindern, dass es schlechtere Tarifverträge in den Ländern als in Bund und Kommunen gibt. Dies sei "nicht einsehbar". Für den öffentlichen Dienst dort - unter anderem Busfahrer und Müllwerker waren betroffen - ergab eine Tarifrunde im April mehr Geld in zwei Stufen, zunächst drei Prozent, mindestens aber 110 Euro mehr, dann noch einmal 2,8 Prozent mehr. Weniger gilt bei den Gewerkschaften als nicht akzeptabel.
Die Länder sehen angesichts der für sie zu hohen Forderung dagegen die eigene Handlungsfähigkeit bedroht. Sachsens Finanzminister Christian Piwarz von der CDU sagt sogar, es gehe am Ende um die Frage: "In welchem Umfang können wir uns diesen öffentlichen Dienst noch leisten?"
Was spüren die Bürgerinnen und Bürger von der Tarifrunde?
Voraussichtlich Warnstreiks und Protestaktionen. Die Streikkassen seien "ausreichend" gefüllt, sagt Werneke. Verdi-Vizechefin Christine Behle verkündet: "Die Mobilisierungsfähigkeit ist gut." Zwar handele es sich bei rund 60 Prozent der Betroffenen um Beamtinnen und Beamte, die nicht streiken dürften. "Aber insbesondere an Unikliniken, Universitäten, aber auch klassischen Bereichen wie Straßenbauverwaltung erleben wir derzeit tatsächlich ein großes Bedürfnis, nicht abgehängt zu werden."
Beamtenbund-Chef Volker Geyer sagt: "Wir setzen auf konstruktive Verhandlungen." Aber wenn die Arbeitgeber sich verweigern und kein Angebot vorlegen würden, werde man den Druck erhöhen müssen. "Dann sind Aktionen und Warnstreiks in vielen Bereichen vorstellbar, zum Beispiel im Straßenbetriebsdienst, bei den Tarifbeschäftigten der Landespolizeien, Unikliniken oder in der Finanzverwaltung", sagt Geyer.
Bis zu einem möglichen neuen Tarifvertrag kann es dauern. Die vorerst letzte Verhandlungsrunde ist für 11. bis 13. Februar in Potsdam angesetzt.