"Gesamtbelegschaft unterstützen" Tech-Chefs verzichten auf Millionen Dollar
07.02.2023, 16:09 Uhr
Apple-Chef Tim Cook tritt massiv auf die Kostenbremse, setzt aber ein Zeichen, indem er sein eigenes Gehalt zuerst kürzt. Entlassungen sind für ihn die "letzte Möglichkeit".
(Foto: picture alliance/dpa/LaPresse via ZUMA Press)
Der Boom der Pandemie-Jahre ist vorbei. Die Techriesen im Silicon Valley schwingen die Jobkeule. Rund 60.000 Beschäftige in der Branche haben bereits ihr Kündigungsschreiben erhalten. Indem sie selbst den Gürtel enger schnallen, wollen die Chefs von Apple, Intel und Alphabet die Flaute abfedern.
Apple-Chef Tim Cook hat’s getan, Intel-Chef Pat Gelsinger hat's getan, ebenso wie der Vositzende der Google-Mutter Alphabet, Sundar Pichai. Alle drei kündigten in den vergangenen Wochen an, auf einen Großteil ihrer millionenschweren Gehälter verzichten zu wollen, um ihren Unternehmen mehr finanziellen Spielraum zu geben. Die Party im Silicon Valley während der Corona-Jahre ist vorbei. Die hohe Inflation und die drohende Rezession machen der erfolgsverwöhnten amerikanischen Technologiebranche schwer zu schaffen.
Viele Unternehmen zücken den Rotstift, um sich auf weitere magere Jahre vorzubereiten. Laut der Website Layoffs.fyi wurden in diesem Jahr bereits mehr als 55.000 Tech-Mitarbeiter vor die Tür gesetzt, darunter 12.000 bei der Google-Muttergesellschaft Alphabet, 10.000 bei Microsoft und 11.000 bei der Facebook-Mutter Meta. Um die schwierige Lage abzufedern, haben Chefs einiger Tech-Riesen reagiert.
Intel-Chef Pat Gelsinger ließ nach enttäuschenden Quartalszahlen Anfang des Monats wissen, dass er auf 25 Prozent seiner Grundvergütung verzichten werde, um Kosten zu sparen und Entlassungen zu vermeiden. Andere Führungskräfte im Konzern nahmen im Schnitt zwischen fünf und 15 Prozent Kürzungen in Kauf. "Diese Änderungen sollen die Investitionen und die Gesamtbelegschaft unterstützen", zitiert das Portal Business Insider einen Microsoft-Sprecher. Das Unternehmen strebt in diesem Jahr Kostensenkungen in Höhe von 3 Milliarden US-Dollar an. Bloomberg prognostizierte im vergangenen Oktober, dass tausende Mitarbeiter ihre Jobs verlieren könnten.
Der Chef von Alphabet, Sundar Pichai, teilte ebenfalls Anfang Februar mit, die Top-Führungskräfte der Google-Mutter müssten eine "sehr signifikante Kürzung ihrer Jahresprämie" hinnehmen. Um wie viel oder für wie lange die Kürzung anhalten werden, verriet er nicht. Kurz zuvor hatte das Unternehmen rund 12.000 Mitarbeiter entlassen - rund sechs Prozent der Belegschaft.
Auch Apple-Chef Tim Cook tritt massiv auf die Kostenbremse. Er setzt jedoch ein Zeichen, indem er bei seinem eigenen Gehalt anfängt. Wie aus bei der US-Börsenaufsicht SEC eingereichten Dokumenten hervorgeht, verzichtet er in diesem Jahr freiwillig auf 40 Prozent - womit ihm allerdings immer noch komfortable 49 Millionen US-Dollar Jahresgehalt bleiben. Wie viel Cook am Ende wirklich für 2023 einstreicht, hängt auch davon ab, wie sich sein Aktienpaket entwickelt. Trotz enttäuschender Zahlen will der Konzern vorerst zumindest auf Kündigungen verzichten. "Ich sehe Entlassungen als letzte Möglichkeit", zitiert das "Wall Street Journal" Cook: "Man kann niemals nie sagen. Wir möchten die Kosten auf andere Weise so weit wie möglich kontrollieren."
Welle wird auch nach Europa schwappen
In der Regel begründen die Tech-Firmen ihr Streichkonzert damit, dass sie während der Pandemie zu schnell gewachsen sind und zu viele Leute eingestellt haben. Auch die Inflations- und Rezessionsgefahren werden angeführt. Die Massenentlassungen seien nicht übertrieben, sagt Maren Freyberg von der Personalberatung Dwight Cribb im Interview mit "Capital". Viele Unternehmen müssten sparen. Grund sei eine "Kombination aus Kosten und Ausblick". Freyberg glaubt nicht, dass die europäischen Firmen mit einem blauen Auge davonkommen werden. Die Welle werde weiterschwappen. Europa hinke nur hinterher, sagt sie.
SAP ist das erste bekannte europäische Tech-Unternehmen, das im größeren Stil Mitarbeiter entlässt. Ebenfalls erreicht hat die Entlassungsflut den Marktführer unter den Musik-Streamingdiensten Spotify, der angekündigt hat, rund sechs Prozent der Mitarbeiter gehen zu lassen. Der aus Schweden stammende Anbieter will rund 600 Mitarbeiter entlassen. Zuletzt hatte das Unternehmen laut seines jüngsten Geschäftsberichts knapp 10.000 Mitarbeiter weltweit. "Ich denke, da wird noch mehr kommen. Es kommt aber auch darauf an, wie sich die Makrolage verändert. Und vor allem in Europa ist das vom Ukraine-Krieg abhängig", sagt Freyberg.
Großen Grund zur Sorge sieht Olaf Groth, Wirtschaftsprofessor an der amerikanischen Universität Berkley, trotzdem nicht. Die Pandemie habe für einen Mega-Boom gesorgt, sagt er im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. "Die digitalen Dienstleister haben sich dieser Welle ziemlich schnell angenommen." Von einer großen Krise zu sprechen, hält er jedoch für übertrieben. Unternehmen wie Alphabet, Apple, Meta oder Amazon verfügten über milliardenschwere Cash-Reserven und machten nach wie vor hohe Gewinne.
Quelle: ntv.de, ddi