Verdächtige Kurssprünge US-Börsenpläne von Firmen aus China gestoppt
23.10.2022, 22:51 Uhr
Bei mehreren Neulingen aus China gab es auffällige Kurssprünge beim Börsengang an die Nasdaq.
(Foto: REUTERS)
Ungewöhnlich hohe Kurssprünge nach chinesischen Börsengängen rufen die Nasdaq auf den Plan. Die Premieren von vier Neulingen liegen auf Eis, bis Fragen nach der Identität der Investoren geklärt seien, verraten Insider. Möglicherweise geht es um den Schutz unbedarfter Kleinanleger.
Nach auffälligen Kurssprüngen bei Börsenneulingen aus China hat die US-Börse Nasdaq geplante Vorhaben von vier anderen Firmen aus der Volksrepublik gestoppt. Der Wertpapier-Experte Douglas Ellenoff sagte, er sei von der Nasdaq informiert worden, dass bestimmte Börsengänge nicht zugelassen würden, bis klar sei, was hinter den Vorgängen bei einigen chinesischen Emittenten zu Jahresbeginn stecke.
Damals hatten die Kurse von Börsen-Neulingen beim Debüt um bis zu 2000 Prozent zugelegt und waren dann wieder abgeschmiert. Dabei ging es um eher kleine Börsengänge (IPOs, Initial Public Offerings) mit einem Emissionswert von 50 Millionen Dollar oder weniger. Der Finanzmarktplattform Dealogic zufolge gab es in diesem Jahr bei chinesischen IPOs in den USA an deren erstem Handelstag einen durchschnittlichen Kursanstieg von mehr als 400 Prozent - verglichen mit 68 Prozent für alle anderen Börsengänge. Zudem habe die Zahl kleinerer chinesischer IPOs in den USA deutlich zugelegt: In den vergangenen fünf Jahren habe es 57 davon gegeben, nach 17 in den fünf Jahren davor.
Überprüfung von Aktionärsidentitäten
Ein Banken-Insider sagte Reuters, die Nasdaq habe im September damit begonnen, Beratern kleiner chinesischer IPO-Kandidaten Fragen zu stellen. Dabei sei es um die Identität der Aktionäre, deren Wohnort, ihr Investitionsvolumen und um die Frage gegangen, ob ihnen zinslose Kredite für eine Beteiligung angeboten worden seien. Welche Maßnahmen die Nasdaq am Ende ergreifen werde, sei unklar. Auch sei offen, ob alle oder einige der jetzt gestoppten Börsengänge fortgesetzt werden dürften. Ein Sprecher der Nasdaq wollte sich dazu nicht äußern.
Mehrere Insider sagten, hinter den Kurssprüngen bei den IPOs zu Jahresbeginn stünden einige wenige Investoren aus Übersee, die ihre Identität verborgen hätten. Sie hätten die meisten Aktien aufgekauft und damit den Eindruck erweckt, dass die Papiere gefragt seien. Die US-Wertpapieraufsicht SEC und andere US-Behörden hätten aber bislang noch nicht von einer erfolgreichen Verfolgung eines solchen "Pump-and-Dump"-Falles berichtet, weil chinesische Unternehmen und ihre ausländischen Banker sie bisher im Geheimen durchgeführt hätten.
Kleinanleger im Visier?
Das Eingreifen der Nasdaq zeigt, dass die Standards noch Schlupflöcher haben, die die US-Börse in den vergangenen Jahren zur Abwehr von Manipulationen bei kleinen IPOs eingeführt hat. Danach muss ein Unternehmen, das an die Börse gehen will, mindestens 300 Investoren haben, die jeweils mindestens 100 Aktien halten, die zusammen mindestens 2500 Dollar wert sind. Kleine chinesische Firmen streben Beobachtern zufolge an die Nasdaq und nicht an die New Yorker Börse, weil die Nasdaq traditionell als Handelsplatz für innovative Tech-Startups gilt - und sich die Unternehmen damit schmücken möchten.
Laut Jay Ritter, Börsenexperte und Professor an der University of Florida, sind fast alle dieser Microcap-Börsengänge "Story"-Aktien, bei denen versucht wird, unbedarfte Kleinanleger davon zu überzeugen, dass das neue Unternehmen ein Überflieger sei "und das nächste Facebook sein könnte". Welchen vier chinesischen Unternehmen die Nasdaq den Börsengang derzeit verwehrt, wollten die Insider nicht sagen. Die Entwicklung zeigt laut Dan McClory, Chef des Bereichs Aktienmärkte beim Handelshaus Boustead Securities, die im Vergleich zu China lockeren IPO-Regeln in den USA. Den hier in Frage kommenden Unternehmen wäre es demnach "praktisch unmöglich, in China an die Börse zu gehen".
Quelle: ntv.de, mau/rts