Klimawandel treibt Inflation Werden Rekordpreise im Supermarkt neue Normalität?


Europa hat im Jahr 2023 laut dem Copernicus-Klimareport eine Rekordanzahl von Tagen mit "extremem Hitzestress" erlebt.
(Foto: picture alliance / Sipa USA)
Olivenöl, Kakao und Orangensaft werden immer teurer. Schuld an der Preisexplosion ist auch der Klimawandel. Die Landwirtschaft müsse darauf jetzt zwingend reagieren, sagt Experte Höhne ntv.de. Ansonsten könnte es noch teurer werden.
Fallende Preise haben die deutsche Inflation zuletzt auf den tiefsten Stand seit drei Jahren gedrückt. Nicht nur Energie kostete im März weniger als ein Jahr zuvor - auch viele Nahrungsmittel wurden erstmals seit langem billiger. An bestimmten Produkten geht diese Trendwende allerdings vorbei: Für Olivenöl, Kakao und Orangensaft etwa müssen Verbraucher zuletzt sogar außergewöhnlich tief in die Tasche greifen.
Im März kostete Olivenöl 54 Prozent mehr als noch vor einem Jahr, wie das Statistische Bundesamt zuletzt mitteilte. Das liegt daran, dass hohe Energie- und Kraftstoffpreise die Produktionskosten in die Höhe getrieben haben. Schuld an der Preisexplosion ist aber auch die dramatisch schlechte Ernte der Saison 2022/2023. Beim weltweit größten Produzenten Spanien brach der Ertrag um mehr als die Hälfte ein - in Italien und Griechenland lief es nicht viel besser. Olivenbauern geben dem Klimawandel die Schuld. Laue Winter statt Kälte, zu hohe Temperaturen genau zur Blütezeit und später zu wenig Regen machten es den Bäumen schwer, Früchte zu bilden und zu tragen.
In den vergangenen zwölf Monaten sind nicht nur die Temperaturen weltweit enorm gestiegen. Auch die Weltmeere sind wärmer als je zuvor. Das führt zu Extremwetterereignissen. "Dürre, Überschwemmungen und Stürme haben deutliche Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion. Daran werden wir uns gewöhnen müssen", sagt Niklas Höhne, Gründer des New Climate Institute im Gespräch mit ntv.de.
Die Landwirtschaft könne mit unterschiedlichen Wetterverhältnissen umgehen. "Was jetzt aber passiert: Es verschieben sich ganze Klimazonen." In bestimmten Bereichen, in den beispielsweise Olivenbäume bis vor einiger Zeit noch gut wachsen konnten, sei es langfristig zu trocken oder zu nass. "Darauf muss sich die Landwirtschaft jetzt langfristig einstellen. Die aktuell hohen Preise zeigen, dass das noch nicht passiert ist", sagt Höhne.
Passen sich Produzenten nicht an die neuen Gegebenheiten an, könnte das teuer werden. Eine gemeinsame Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und der Europäischen Zentralbank (EZB) hat ergeben: Erhöhte Durchschnittstemperaturen könnten die Lebensmittelinflation in der Eurozone um bis zu 3,2 Prozentpunkte jährlich und die Gesamtinflation um bis zu 1,18 Prozentpunkte jährlich bis 2035 ansteigen lassen. Der Effekt gelte gleichermaßen für reichere und ärmere Länder. Das macht den Klimawandel "zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor für die Preisstabilität", heißt es.
Mit verbesserten Anbaumöglichkeiten ist es zwar vorstellbar, einen Ernteverlust teilweise wettzumachen. Laut Höhne ist es aber viel wichtiger, dass Produzenten vorausschauend handeln und genau schauen: Wie wird sich das Klima ändern und welche Pflanzen werden unter diesen Bedingungen überleben? Dass das schon ein Großteil der Produzenten tut, hält Höhne für unwahrscheinlich. Er geht deswegen davon aus, dass die Preise auch in Zukunft noch weiter steigen.
Ein Blick auf die Rohstoffbörse in New York zeigt: Auch die Preise für Kakao und Orangensaft brechen inzwischen einen Rekord nach dem anderen. Anfang April erreichte der Preis für eine Tonne Rohkakao die Marke von 10.000 Dollar. Zum Vergleich: In den vergangenen Jahrzehnten wurden im Durchschnitt lediglich 3000 Dollar fällig.
Bei jeder Preiserhöhung schwingt der Vorwurf mit, dass Unternehmen die aktuelle Situation ausnutzen. Mit Blick auf die Rohstoffbörse geht Höhne davon aus, dass bei Kakao und Orangensaft, tatsächlich die steigenden Kosten an die Käufer weitergegeben werden. "Aber ganz ausschließen kann man es nie, dass Unternehmen etwas noch zusätzlich draufschlagen, weil es eben gerade möglich erscheint, Preise zu erhöhen", sagt Höhne.
Ursache für den rasanten Preisanstieg bei Orangensaft und Kakao ist Experten zufolge wie bei Olivenöl eine Verknappung des Angebotes infolge klimabedingter Extremwettereignisse. Längere Dürreperioden, Starkregen, Überflutungen und Pflanzenkrankheiten haben in Kakao-Anbauländern wie der Elfenbeinküste und Ghana zuletzt zu deutlich geringeren Erträgen oder sogar zu vollständig zerstörten Ernten geführt.
In die EU importierte Orangen verteuerten sich im vergangenen Jahr um bis zu 89 Prozent. Der Verband der deutschen Fruchtsaftindustrie (VdF) mahnte erst kürzlich: "Wir befinden uns in der schwierigsten Situation seit mehr als 50 Jahren." Die Lager in Brasilien seien quasi leer, in den USA fielen die Ernten aus. Die Verfügbarkeit von Orangensaft-Konzentrat sei "massiv eingeschränkt".
Einerseits hat die "gelbe Drachenkrankheit" die Zitrusfruchtproduktion im US-Bundesstaat Florida um 75 Prozent reduziert. Andererseits wirken sich auch in diesem Fall der Klimawandel und Extremwetterereignisse negativ auf die Orangenindustrie aus. Nach den Erkenntnissen einer US-Studie aus dem Jahr 2022 werden Orangen durch die globale Erderwärmung weniger haltbar, anfälliger für Krankheiten und verlieren an Qualität.
Dass in absehbarer Zeit auch Grundnahrungsmittel von kräftigen Preisanstiegen und Knappheit betroffen sind, kann Höhne nicht ausschließen. "Der Klimawandel ist ein Risiko für die globale Nahrungsmittelversorgung." Zu so dramatischen Knappheiten wie in Afrika durch Dürren werde es bei uns aber nicht kommen. "Wir haben die Möglichkeit, auch zu teuren Preisen Lebensmittel auf dem Weltmarkt einzukaufen. Aber das können eben nicht alle."
Handelsunternehmen und Produzenten bleibt nichts anderes übrig, als sich auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten. Dazu hat zuletzt auch die Europäischen Umweltagentur (EUA) aufgerufen. Europa muss nach Einschätzung der EUA dringende und zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um sich auf "katastrophale" Folgen des Klimawandels vorzubereiten. "Produzenten müssen sich diversifizieren. Nur so können Risiken minimiert werden", mahnt auch Höhne.
Quelle: ntv.de, mit dpa