Wirtschaft

Habeck wirbt für Solidarität Wie kann die EU die Gas-Krise bewältigen?

Bei seinem Aufenthalt in Prag plante Habeck mit dem tschechischen Industrie- und Handelsminister Sikula ein Erdgas-Solidaritätsabkommen.

Bei seinem Aufenthalt in Prag plante Habeck mit dem tschechischen Industrie- und Handelsminister Sikula ein Erdgas-Solidaritätsabkommen.

(Foto: picture alliance/dpa/CTK)

Ein russischer Gas-Lieferstopp könnte die Wirtschaft zahlreicher europäischer Ländern erschüttern. Im Falle einer solchen Krise dürften sich die EU-Staaten nicht nur um die eigene Versorgung kümmern, mahnt Wirtschaftsminister Habeck. Stattdessen sei Solidarität gefragt.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck reist nach Prag und Wien, es geht es um die Versorgungssicherheit in Zeiten des Ukraine-Kriegs. Im Winter drohen hohe Rechnungen, kalte Wohnungen und eine ausgewachsene Wirtschaftskrise. Europäische Solidarität könnte zumindest etwas Abhilfe schaffen.

Warum ist europäische Solidarität bei der Gasversorgung wichtig?

Sollte die Gasversorgung im kommenden Winter tatsächlich so knapp werden, dass Gas rationiert werden muss, würde dies zu einer "schweren Wirtschaftskrise in Europa und in Deutschland führen", warnt Habeck. Um dies zu verhindern, brauche es "entschiedenes, gemeinsames und solidarisches, aber vor allem sehr schnelles Handeln".

Würden sich Staaten stattdessen "einigeln" und nur um die eigene Versorgungssicherheit kümmern, so würde dies der europäischen Wirklichkeit "überhaupt nicht gerecht", so der Grünen-Politiker. "Eine Wirtschaftskrise in Deutschland ist eine europäische Wirtschaftskrise, und ein Zusammenbruch des europäischen Binnenmarktes schädigt die deutsche Wirtschaft." Europa sei zu einer "Schicksalsgemeinschaft" zusammengewachsen.

Wie steht es um die Gasversorgung in Deutschland und Europa?

Aktuell steigen die Füllstände der europäischen Gasspeicher. Insgesamt sind die Gasspeicher in der EU derzeit zu rund 61,6 Prozent befüllt, Deutschland liegt mit knapp 64 Prozent leicht über dem Schnitt. Die EU will bis zum 1. November einen Füllstand von 80 Prozent erreichen. Allerdings gibt es große Unterschiede zwischen den Ländern: Während beispielsweise Portugal seine Speicher vollständig gefüllt hat, sind die Speicher in Bulgarien und Kroatien nur zu 36,7 beziehungsweise gut 37 Prozent voll.

Müssen Länder in Europa solidarisch sein?

Neben dem reinen Eigeninteresse hält auch die EU ihre Mitgliedstaaten zur Solidarität an. So sind EU-Staaten verpflichtet, in Extremfällen Gas an andere Staaten abzugeben, um die "wesentlichen Bedürfnisse" von durch "Solidarität geschützten Kunden" zu decken. Die europäische Gasverordnung meint hier insbesondere Privatkunden, aber auch das Gesundheitswesen, die grundlegende soziale Versorgung sowie Not- und Sicherheitsdienste können von dieser Definition erfasst werden.

Konkret umgesetzt werden soll dieser Solidaritätsmechanismus laut Verordnung von den Mitgliedstaaten untereinander, indem sie entsprechende "technische, rechtliche und finanzielle Regelungen" erlassen. Laut EU-Kommission hat Deutschland solche Solidaritätsabkommen bisher mit Dänemark und Österreich geschlossen.

Damit soll laut Habeck aber noch nicht Schluss sein. "Ich werbe seit Monaten dafür, dass wir noch stärker Solidaritätsabkommen unterzeichnen", sagt er. Neben Österreich und Tschechien verweist der Minister auch auf die Nachbarländer Polen und Frankreich. "Eckpunkte" seien zudem mit ost- und südosteuropäischen Nachbarländern festgehalten worden. "Wir sind hier auf eine Solidarität verpflichtet und angewiesen."

Welche europäischen Solidaritätsmaßnahmen gibt es noch?

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Der Solidaritätsmechanismus der EU-Gasverordnung ist "ein letztes Mittel, das nur im Notfall und unter eingeschränkten Voraussetzungen zum Einsatz kommt". Mit einem solidarischen Vorgehen versucht die EU jedoch, bereits beim Einkauf von Gas die geeinte europäische Wirtschaftsmacht zu ihrem Vorteil zu nutzen: Die im März geschaffene Energiebeschaffungsplattform der EU bringt alle Mitgliedstaaten zusammen, um gemeinsam Gas, Flüssiggas und Wasserstoff zu beziehen.

So soll die Verhandlungsmacht der EU optimal genutzt werden - dringend verhindert werden soll ein Überbietungswettbewerb der EU-Mitgliedstaaten angesichts geringer Gasliefermengen, der die Preise weiter in die Höhe treiben würde. Durch eine Bündelung der Nachfrage soll zudem eine zuverlässige Versorgung zu stabilen Preisen gesichert werden. Auch eine effizientere Nutzung der europäischen Gasinfrastruktur soll so erreicht werden.

Quelle: ntv.de, Felix Hoffmann, AFP

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