
Diesmal wurden vor allem Edeka-Märkte bestreikt.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die Ausbildung ist beliebt, die spätere Bezahlung liegt allerdings weit unter dem Durchschnitt. Erneut legen Beschäftigte im Einzelhandel ihre Arbeit nieder. Verdi fordert einheitliche Löhne für die gesamte Branche - die ist davon weit entfernt.
Die Waren, die sie verkaufen, kosten heute teils ein Drittel mehr als noch vor drei Jahren. Gleichzeitig erhalten die meisten Beschäftigten im Einzelhandel vergleichsweise niedrige Löhne. Verdi fordert deshalb eine Gehaltserhöhung von 13 Prozent, mindestens 400 Euro mehr im Monat - seit bald einem Jahr, die Tarifverhandlungen stecken fest. Am Freitag legten erneut bundesweit Verkäuferinnen und Verkäufer ihre Arbeit nieder, besonders Edeka hatte die Gewerkschaft ins Visier genommen. Und die nächsten Aktionswochen sind bereits geplant, vor Ostern.
Zuletzt lag das mittlere Bruttogehalt (Median) von Verkäufern nach Angaben der Arbeitsagentur bei 2635 Euro in Vollzeit - die Hälfte verdient mehr, die Hälfte weniger. Ein Viertel kam im Jahr 2022 auf höchstens 2140 Euro, ein Viertel auf mindestens 3305 Euro. Deutlich niedrigere Zahlen weist eine Analyse der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung aus demselben Jahr aus: Das Durchschnittsgehalt nach zehn Berufsjahren betrug demnach 2190 Euro in Vollzeit. Berufseinsteiger verdienten im Schnitt 1930 Euro, nach 20 Jahren waren es 2280 Euro.
Zum Vergleich: Über alle Branchen hinweg berechnete das Jobportal Stepstone für 2022 ein Median-Gehalt von umgerechnet rund 3670 Euro im Monat für eine Vollzeitstelle. Das Durchschnittsgehalt von Vollzeitbeschäftigten in Deutschland lag laut Statistischem Bundesamt im April des Jahres bei gut 4100 Euro.
Unter 2000 bis über 5000 Euro
Verkäuferinnen verdienten der Böckler-Stiftung zufolge im Schnitt 210 Euro weniger als ihre männlichen Kollegen. Beim Median-Gehalt betrug die Differenz laut Arbeitsagentur sogar 485 Euro in Vollzeit. Zwei Drittel der Beschäftigten im Einzelhandel sind Verdi zufolge weiblich. Bei den Gehaltsunterschieden spielt auch die Entgeltgruppe eine entscheidende Rolle, der überwiegende Teil der Beschäftigten ist nach Gewerkschaftsangaben in den beiden unteren Gruppen eingestuft. Je nach Region liege der Stundenlohn folglich zwischen dem Mindestlohn und 17,44 Euro.
Denn auch die regionalen Unterschiede sind groß. So reichte die Spanne der Durchschnittsgehälter laut Böckler-Stiftung von 1970 Euro in Thüringen bis 2290 Euro in Baden-Württemberg. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel, das Platz zehn im Ranking der Bundesländer belegt, begannen die Tariflöhne in der unteren Gehaltsgruppe, also für ausgebildete Verkäufer und Kassierer, zuletzt bei knapp 1940 Euro im ersten Berufsjahr. Ab dem sechsten Jahr standen den Beschäftigten gut 2830 Euro zu. In der höchsten Gruppe der Leiter sah der Tarifvertrag nach dem fünften Jahr zwischen 3846 und 5252 Euro vor.
Die Tarifbindung hat allerdings stark abgenommen. Von den rund 3,5 Millionen Beschäftigten im Einzelhandel arbeitet nur gut ein Viertel in tarifgebundenen Unternehmen, wie Verdi auf ntv.de-Anfrage mitteilte. Die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer verdienten bis zu 30 Prozent weniger, betont die Sprecherin. In den laufenden Verhandlungen fordert die Gewerkschaft, die Tarifverträge für allgemein verbindlich zu erklären. Dann wären alle Arbeitgeber der Branche daran gebunden, also nicht nur die Mitglieder der tarifschließenden Parteien. Bis Ende der 1990er Jahre waren die wesentlichen Tarifverträge im Einzelhandel nach Gewerkschaftsangaben noch allgemein verbindlich.
Fast zwei Drittel raten von ihrem Beruf ab
Die Arbeitgeber boten zuletzt rund zehn Prozent mehr Lohn, allerdings bei einer Laufzeit von zwei Jahren - die Arbeitnehmervertreter verlangen einen Tarifvertrag mit einem Jahr Gültigkeit. Dieser gilt zwar nicht bundesweit, verhandelt wird regional. Meist wird aber der erste regionale Abschluss für die übrigen Tarifregionen übernommen.
Immer mehr Unternehmen entschieden sich in der laufenden Tarifrunde jedoch, nicht länger auf einen Abschluss zu warten, sondern selbstständig höhere Gehälter zu zahlen: Auf Rewe folgten Aldi, Lidl, Kaufland und die Otto-Gruppe. Zufrieden sind die Gewerkschafter damit allerdings nicht - eine Verkäuferin bekomme nun 92 Cent mehr, Verdi fordert 2,50 Euro mehr pro Stunde. Freiwillige Erhöhungen seien ohnehin keine Lösung, sondern rechtsverbindliche Tarifabschlüsse. Die Arbeitgeber verweisen dagegen auf die allgemeine Kaufzurückhaltung und beklagen mangelnde Verhandlungsbereitschaft der Gewerkschaft.
Unter jungen Menschen ist der Job immer noch gefragt, bei beliebten Ausbildungsberufen taucht er auf den vordersten Plätzen auf. Mit den Berufsjahren ändert sich das allerdings: Verkäuferinnen und Verkäufer im Einzelhandel fänden ihren Beruf oft interessant und abwechslungsreich, vor allem den Umgang mit Menschen, berichtet die Böckler-Stiftung. Doch viele fühlten sich unterbezahlt und litten unter den Arbeitszeiten und Stress. 63 Prozent rieten deshalb von ihrem Beruf eher ab.
Quelle: ntv.de