Wirtschaft

Chinesischer Investor schweigt Warum Beschäftigte einer Recyclingfirma seit 100 Tagen streiken

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Die Beschäftigten des Schrott- und Recyclingunternehmens SRW Metalfloat sind seit dem 8. November im Streik.

Die Beschäftigten des Schrott- und Recyclingunternehmens SRW Metalfloat sind seit dem 8. November im Streik.

(Foto: picture alliance/dpa)

Im Kampf um einen Tarifvertrag und bessere Arbeitsbedingungen befinden sich die Beschäftigten der Recyclingfirma SRW Metalfloat in einem kuriosen Dauer-Ausstand. Die Arbeitgeberseite verweigert hartnäckig Gespräche. Der Protest verhallt in einem komplizierten Firmengeflecht, das bis nach China reicht.

Es ist ein Kampf gegen Windmühlen für die 180 Mitarbeiter von SRW Metalfloat. Seit 100 Tagen sind die Beschäftigten der Recyclingfirma am Standort Espenhain bei Leipzig im Ausstand, um für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Erfolglos. Nicht, weil die Verhandlungen so schwierig sind. Sondern, weil gar nicht verhandelt wird. Nach zwei erfolglosen Runden hat die Arbeitgeberseite im August den Verhandlungstisch verlassen. Seitdem ist sie abgetaucht und schweigt. Die Beschäftigten harren aus und hoffen weiter.

Ihre Forderungen sind vergleichsweise moderat. Das Ziel: ein Tarifvertrag mit acht Prozent mehr Entgelt, eine Erhöhung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes auf je 1500 Euro und eine Reduzierung der Arbeitszeit von 40 auf 38 Stunden die Woche. Laut IG Metall bekommen die Beschäftigten jeden Monat rund 600 Euro weniger als vergleichbare Betriebe der Schrott- und Recyclingbranche. Die Arbeit am Fließband mit schweren Metallabfällen ist hart, argumentieren die Arbeitnehmervertreter. Recycling ist zudem eine wichtige Zukunftsbranche. In Espenhain werden jedes Jahr sieben Millionen Tonnen Schrott verarbeitet – ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, jede recycelte Tonne Schrott verhindert einen Bruchteil des CO2-Fußabdrucks, den neu hergestelltes Metall in der Klimabilanz hinterlässt.

Die Beschäftigten bekommen Unterstützung von wissenschaftlicher Seite: "Der Schrott- und Recyclingsektor ist für eine ökologisch-nachhaltige Kreislaufwirtschaft von elementarer Bedeutung", sagt Thorsten Schulten, Tarifexperte der Hans-Böckler-Stiftung. Er nennt es einen "Skandal, dass viele Beschäftigte bei SRW Metalfloat mit Stundenlöhnen zwischen 13,50 und 14,00 Euro nur wenig mehr als den gesetzlichen Mindestlohn verdienen".

SRW Metalfloat ist profitabel. In normalen Zeiten, wenn gearbeitet wird, macht der Standort Espenhain 25 Prozent des Umsatzes für die Scholz-Gruppe. Das Unternehmen bildet auch aus, heute keine Selbstverständlichkeit. Allein die Tatsache, dass das Unternehmen seit drei Monaten kein Geld verdient, könnte Anlass genug sein für die Firmenmutter Scholz Recycling an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Etwa 100 Millionen Euro sind dem Konzern bereits durch den Streik entgangen. Trotzdem lautet der offizielle Standpunkt: Mitbestimmung und Tarifverträge sind nicht Teil der Unternehmenskultur bei Scholz Recycling.

China ist weit weg

Der Grund, dass sich seit 100 Tagen niemand rührt, liegt irgendwo im Firmengeflecht verborgen, das bis nach China reicht. SRW Metalfloat gehört zwar zu 100 Prozent Scholz Recycling. Doch ab hier wird es kompliziert: 2016 hat die Chiho Environmetal Group mit Sitz in Hongkong die Scholz Recycling GmbH gekauft. Die Chinesen übernahmen Scholz, als die Gruppe finanziell mit dem Rücken zur Wand stand, für einen symbolischen Euro. Nach eigenen Angaben ist Chiho das weltgrößte Schrott-Recyclingunternehmen der Welt. Es unterhält in Asien, Europa und Nordamerika mehr als 200 Verarbeitungs- und Werftbetriebe. Dazu ist es eines der größten börsennotierten Unternehmen dieser Art.

Registriert ist der Schrottriese aus Hongkong auf den britischen Cayman Islands, wo auch chinesische Konzerne wie Alibaba registriert sind. Mehrheitsaktionär von Chiho wiederum ist die USUM Group, die dann wieder eine Tochterfirma der Loncin Group ist. Beide chinesisch. Wie gesagt, kompliziert. China ist weit weg.

In dem Verhaltenskodex von 2023 von Scholz Recycling heiße es ausdrücklich, dass Scholz "das Recht auf Tarifverhandlungen respektiert, die Bildung von Gewerkschaften anerkennt und einen offenen, lösungsorientierten Umgang mit der Arbeitnehmervertretung verfolgt", betont der Verhandlungsführer der IG Metall Leipzig, Michael Hecker, gegenüber ntv.de. Ändern tut das nichts. Laut IG Metall wird es sogar immer dubioser. Mittlerweile widersprächen sich die Aussagen der Geschäftsführer von Scholz Recycling und SRW Metalfloat, wer eigentlich für die Tarifauseinandersetzung zuständig sei, heißt es. Einer zeigt mit dem Finger auf den andern. Nur voran geht es offensichtlich nicht. Eine Anfrage von ntv.de beim Geschäftsführer und Abgesandten von Chinho bei SRW Metalfloat, Yongming Qin, blieb unbeantwortet.

"Wir sind fassungslos, was hier für ein Theater gespielt wird", sagt Hecker. "Ein beschämendes Jubiläum", wenn die Strategie ausschließlich darin bestehe, auf das Einknicken der Belegschaft zu setzen, ergänzt IG Metall-Bezirksleiter Dirk Schulze. "100 Tage Verweigerung und Respektlosigkeit durch den Arbeitgeber" trage kaum zur Lösung der Auseinandersetzung bei, sondern verlängere sie.

Angesichts des Fachkräftemangels schwierig

Angesichts des akuten Fachkräftemangels beobachtet die Bundesregierung den allgemeinen Rückgang der Tarifbindung mit Sorge, wie der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, auf Anfrage von ntv.de mitteilt. "Haben im Jahr 2000 noch rund 60 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit Branchentarifvertrag gearbeitet, waren es 2022 nur noch 41 Prozent." Gute Löhne und Arbeitsbedingungen seien nicht nur "eine Frage der Fairness, sondern auch der Arbeitgeberattraktivität", so Schneider. Einmischen darf der Staat sich in Tarifverhandlungen aber nicht, das garantiert die Tarifautonomie.

Versäumnisse sieht der Ostbeauftragte bei SRW Metalfloat nicht. Metallrecycling gehöre nicht zu den sicherheitsrelevanten Wirtschaftssektoren. Abgesehen davon sei die Übernahme der Scholz Gruppe durch die Chiho Enviomental Group im Jahr 2016 vor der Verschärfung des Außenwirtschaftsrechts erfolgt, so Schneider gegenüber ntv.de.

Grundsätzlich sind die Erfahrungen mit chinesischen Übernahmen gut. "SRW Metalfloat ist eine Ausnahme", betont Hecker. Er verweist auf die gute Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite beim Roboterhersteller Kuka, der seit 2016 im Mehrheitsbesitz des chinesischen Midea-Konzerns ist. Hier gab es damals große Bedenken wegen eines möglichen Ausverkaufs deutschen Know-hows an China.

Wie es für SWR Metalfloat weitergeht? "Wir werden den ökonomischen Druck jetzt erhöhen, der durch unseren Streik entsteht", sagt er ntv.de, "und den politischen Druck in der Öffentlichkeit, bei Lieferanten und Kundenbetrieben sukzessive steigern". Das Verweigern von Gesprächen könnte dem Ruf von Unternehmen mit chinesischen Eigentümern, die in Deutschland wirken wollen, nachhaltig schaden, warnt er. "Staatliche Förderung und Aufträge sollten nur Unternehmen erhalten, die tarifgebunden sind, Standortgarantien fest zusagen und Wertschöpfung in Deutschland garantieren."

Quelle: ntv.de

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