Wirtschaft

17.000 Beschäftigte warten Wo steckt Galeria-Kaufhof-Boss Benko?

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Der Ruf des Immobilien-Milliardärs hat in den vergangenen Jahren stark gelitten.

(Foto: picture alliance/dpa)

René Benko ist einer der schillerndsten Investoren der Immobilienbranche. Steuerzahler haben seinen Kaufhauskonzern bereits mit insgesamt 680 Millionen Euro gerettet. Gereicht hat es nicht. Galeria Kaufhof steht schon wieder vor dem Aus. Die Beschäftigten wollen klare Ansagen.

Bei Galeria Kaufhof heißt es wieder: alles auf Anfang. Die Zukunft des letzten großen deutschen Warenhauskonzerns, der 2019 aus Kaufhof und Karstadt entstanden ist, steht einmal mehr spitz auf Knopf. Anfang der Woche musste der Konzern erneut Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen. Es ist das zweite Mal - und bereits das dritte Mal in weniger als zwei Jahren, dass der Konzern um Staatshilfen gebeten hat.

Diesmal wurden sie ihm verwehrt - beziehungsweise nur unter einer hohen finanziellen Eigenbeteiligung angeboten. Konzerneigner René Benko hat abgelehnt. Eine Insolvenz im Schutzschirmverfahren bedeutet, dass ein Unternehmen die Insolvenz selber verwaltet und versucht, sich zu sanieren.

Galeria Kaufhof gehört seit September 2019 zu 100 Prozent der Signa-Holding des Tiroler Immobilien-Investors. Benko hatte sich wohl auch diesmal gute Chancen ausgerechnet, dass der Bund ihm einen weiteren Nachschlag bewilligen würde. Als Summe sollen ihm weitere 250 Millionen Euro vorgeschwebt haben. Damit ist er diesmal jedoch nicht durchgekommen. Das Risiko, gutes Geld schlechtem hinterherzuwerfen, war der Regierung offenbar zu groß. Der Griff ins Staatssäckel wurde Benko - ohne stattliche Eigenbeteiligung - somit verwehrt.

Der Grund liegt auf der Hand: Benko hat in den vergangenen Jahren bereits 680 Millionen Euro aus Steuergeldern getankt - böse Zungen würden sagen, versenkt. Darüber hinaus wurden mehr als zwei Milliarden Euro Schulden erlassen. All das konnte nicht verhindern, dass immer mehr Konzernfilialen geschlossen und Mitarbeiter scharenweise entlassen wurden. Der Aderlass ging trotzdem immer weiter.

Auch diesmal drohen wieder harte Einschnitte. Wie Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz dem WDR sagte, soll nur ein harter Kern von den aktuell noch 131 Kaufhäusern übrig bleiben. Die Hoffnungen der 17.400 Beschäftigten und ihrer Familien ruhen jetzt unter anderem auf einem Investor, der Bereitschaft signalisiert hat, primär in mittelgroßen Städten 47 gefährdete Galeria-Filialen zu übernehmen. Der Geschäftsführer des Online-Händlers Buero.de, Markus Schön, glaubt noch immer an das Warenhauskonzept, wie er ntv.de sagte. Es könnte die Rettung für Häuser in Städten wie Bad Homburg, Fulda, Goslar und Wismar mit insgesamt 6000 Arbeitsplätzen sein.

Wer hat Schuld am "Tod auf Raten"?

Es sei Benko nie um den Kaufhausbetrieb gegangen, sondern immer nur um die Immobilien, sagte Linksparteichef Martin Schirdewan diese Woche. "Die öffentliche Hand darf die Immobilienspekulation des Milliardärs Benko nicht mit weiteren Hilfsgeldern belohnen." Der Staat sollte stattdessen die bereits ausgezahlten Millionen zurückfordern.

Die Frage ist, wen trifft die Schuld an diesem "Tod auf Raten", wie es der Frankfurter Ökonom Volker Brühl im ntv.de-Interview nennt? Sind es die Krisen - erst die Pandemie mit den Lockdowns, gefolgt von der Inflation und der Kaufzurückhaltung der Kunden? Oder hat sich das Geschäftsmodell der Warenhäuser schlicht überlebt, wie viele sagen, und Eigentümer Benko tatsächlich versäumt, mit neuen Ideen aufzuwarten, die die Zukunft der Warenhauskette hätten sichern können?

Eine einfache Antwort gibt es nicht. Aber Fakt ist: Das Warenhaus-Imperium ist heute keinen Deut besser aufgestellt als damals, als Kaufhof und Karstadt fusioniert wurden. Die vielen hundert Millionen Euro haben ganz offensichtlich nicht die Resultate gebracht, die man sich erhofft hatte. Das Vertrauen in Benko als Unternehmer hat gelitten. Eine erfolgreiche Umstrukturierung müsste anders aussehen "Eigentum verpflichtet", zitierte die "Süddeutsche Zeitung" Stefanie Nutzenberger, Verdi-Vorstandsmitglied diese Woche. "Die Frage ist: Können wir Herrn Benko und seine Vorstellungen zum Warenhaus der Zukunft ernst nehmen, oder war das in den letzten Jahren nur Wortgetöse zum Kauf der Unternehmen samt der vorhandenen Immobilien?"

Als dreist wird Benkos jüngste Forderung nach einer Finanzspritze des Staates auch deshalb wahrgenommen, weil der milliardenschwere Immobilieninvestor die nötigen Mittel selber stemmen könnte. Galeria Kaufhof ist finanziell ausgeblutet. Der Warenhaus-Riese häufte im vergangenen Jahr laut Bundesanzeiger einen Verlust von gut 620 Millionen Euro an. Dagegen bescherten die Immobiliengeschäfte Benkos der Signa-Gruppe zuletzt satte Gewinne.

Laut Bilanz verfügt die Holding über Eigenkapital von 4,6 Milliarden Euro. Im Fall von operativen Verlusten würden demnach hohe Reserven zur Verfügung stehen, schreibt der Business Insider. "Angesichts der hohen Eigenkapitalquote von Signa stellt sich die Frage, ob es eine Notwendigkeit für Staatshilfen gibt", zitiert die Seite die Bilanzexpertin Carola Rinker.

Investor Carsten Maschmeyer kritisierte den Eigentümer des angeschlagenen Warenhauskonzerns im ntv.de-Interview scharf. Ihm "ging es darum, sich die Filetstücke wie das Berliner KaDeWe unter den Nagel zu reißen oder teuer weiterzuverkaufen", sagte Maschmeyer. Galeria Karstadt Kaufhof habe "in nicht zu verantwortender Weise Staatshilfen in Höhe von fast 700 Millionen Euro bekommen." Im Gegensatz zur Lufthansa habe der Konzern diese bisher nicht zurückgezahlt.

Bei der Gewerkschaft Verdi schrillen die Alarmglocken. Hat Benko wirklich genug zum Überleben des letzten großen deutschen Warenhauskonzerns und der Beschäftigten beigesteuert? Und was passiert, wenn der Steuerzahler Benkos Imperium nun nicht mehr durchfüttert? Wut und Enttäuschung bei den Beschäftigten seien groß, erklärte Verdi-Chef Frank Werneke am Dienstag. Sie hätten per Gehaltsverzicht "jahrelang Millionen Euro in Galeria Karstadt Kaufhof investiert", kritisierte Verdi-Vorstandsmitglied Nutzenberger. "Die Beschäftigten haben klare Erwartungen. Erstens: Es muss jetzt zusätzliches Geld ins Unternehmen. Da gibt es klare Erwartungen an den Eigentümer." Kolleginnen und Kollegen in den 131 Warenhäusern fragten sich, wo der Eigentümer in dieser "existenziell höchst bedrohlichen Situation für 17.400 Menschen und ihre Familien" sei?

Benko auf Tauchstation

Wie es weitergeht, ist offen. Bitten von ntv um eine Stellungnahme blieben bislang erfolglos. René Benko, habe "seine Zusagen, umfassend in die Häuser zu investieren, nicht eingehalten", kritisiert Verdi. Die Frage sei: "Wo ist jetzt René Benko? Den Beschäftigten jedenfalls stellt er sich nicht." Bis Freitag hatte auch Verdi keine weiteren Informationen, wie die Gewerkschaft ntv.de bestätigte.

Über die Gründe, warum Benko die Öffentlichkeit meidet, lässt sich nur spekulieren. Es könnte mit seinen juristischen Problemen in Österreich zu tun haben. In seiner Signa-Holding fand Mitte Oktober eine Durchsuchung statt. Die Behörden verdächtigen ihn, einem Spitzenbeamten im Finanzministerium einen Posten bei Signa angeboten zu haben, um eine Steuerprüfung zu beeinflussen. Darüber hinaus ist Benko der Bestechung wegen angeblicher Spenden von Immobilienunternehmern angeklagt. Der Prozess beginnt im November in Wien. Wie unter anderem "Der Spiegel" berichtete, nimmt jetzt auch die deutsche Finanzaufsicht (BaFin) die Geschäfte des umstrittenen Investors ins Visier.

Der Ruf des Milliardärs hat in den vergangenen Jahren gelitten. Die einen fragen: Wie dreist kann ein Unternehmer sein? Die anderen: Ist dieser Mann nur ein Schaumschläger, der alle an der Nase herumführt? Seinem Selbstbewusstsein hat das bislang jedoch offenbar nicht geschadet. Nur zwei Tage nach den Durchsuchungen in seinen Wiener Büros gab es laut "Süddeutscher Zeitung" einen Rundgang für Investoren durch Berliner Projekte, bei dem Benko per Video-Call zugeschaltet war. Benko habe sich dabei mit den Worten gebrüstet: "Ich habe nie einen einzigen Cent bei einer einzigen Investition verloren," zitiert das Blatt einen nicht namentlich genannten Teilnehmer. "Er ist ein richtig guter Verkäufer", kommentierte der Investor.

Aber es geht nicht nur ums Image. Auch Benkos Geschäftsmodell wirft in heutigen Zeiten Fragen auf. In der Niedrigzinsphase war das Geld für Immobilienunternehmer wie Benko billig. Corona hat die Mieten in der Branche jedoch unter Druck gebracht. Gleichzeitig steigen die Zinsen für Kredite. Auch Signa dürfte das zu spüren bekommen. Laut "Handelsblatt" betrug der Gewinn der Signa Holding 2020 noch 800 Millionen Euro. 2021 soll die Holding laut Busness Insider "nur" noch einen Jahresüberschuss von über 570 Millionen Euro erwirtschaftet haben. Die Krise hinterlässt also Spuren. Beobachter warnen: Benko und sein Geschäft könnte sich noch als Klumpenrisiko für die kreditgebenden Banken entpuppen.

Quelle: ntv.de

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