Zu viele Probleme in Deutschland ZEW-Chef: "Energie dürfte nie mehr richtig billig werden"
28.02.2024, 08:13 Uhr Artikel anhören
Strom aus fossilen Energieträgern ist teuer - und der Ausbau der erneuerbaren nicht ausreichend vorangekommen.
(Foto: IMAGO/rheinmainfoto)
Nach dem schwindelerregenden Anstieg durch die russische Invasion in der Ukraine hat sich Energie wieder deutlich verbilligt. ZEW-Chef Wambach gibt dennoch einen pessimistischen Ausblick auf die Preisentwicklung. Beim Ausbau von günstigen Energieträgern, allen voran der Windkraft, gibt es viele Probleme.
Verbraucher und Unternehmen in Deutschland müssen sich nach Einschätzung vom Präsident des Leibniz-Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Achim Wambach, auch künftig auf vergleichsweise hohe Energiepreise einstellen. "Energie dürfte nie mehr richtig billig werden. Wir haben weniger Wind und weniger Sonne als viele andere Länder", sagte Wambach. Die Folgen würden vor allem die energieintensiven Branchen der deutschen Wirtschaft zu spüren bekommen.
"Der Arbeitsmarkt beginnt zu reagieren", sagte der Ökonom. So will etwa der Chemieriese BASF seinen Sparkurs verschärfen und weitere Stellen im Stammwerk Ludwigshafen streichen. "Die große politische Aufgabe wird sein, die notwendige Transformation in Richtung Klimaneutralität hinzubekommen, ohne dass signifikant Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden und die Arbeitslosigkeit steigt", sagte Wambach.
Aus Sicht des Präsidenten des Wirtschaftsforschungsinstituts belasten die im internationalen Vergleich höchsten Unternehmenssteuern, Kosten für Bürokratie, unzureichende Digitalisierung und dadurch Zurückhaltung der Unternehmen bei Investitionen derzeit den Wirtschaftsstandort Deutschland. Auseinandersetzungen innerhalb der Ampel-Koalition sorgten für Unsicherheit bei den Unternehmen, diese hielten sich mit Investitionen zurück. "Hohe Unsicherheit ist ein Problem. Ein gemeinsamer Wille der Regierung ist wichtig und da besteht derzeit Unsicherheit", sagte Wambach.
Auch die Kürzungen beim Wachstumschancengesetz und dessen Blockade im Bundesrat seien kein gutes Signal. CDU und CSU wollen dem Paket mit Steuerentlastungen und Bürokratieabbau nur zustimmen, wenn die Ampel-Koalition den bereits beschlossenen Abbau von Steuerentlastungen beim Agrardiesel für Landwirte zurücknimmt. Im Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat war das Volumen der Entlastungen bereits von einst geplanten sieben Milliarden Euro jährlich auf 3,2 Milliarden Euro zusammengestrichen worden, weil das Paket zu Einnahmeausfällen bei den Ländern führt.
Probleme beim Ausbau der günstigen Windkraft
Strom aus Wind- und Solaranlagen ist deutlich günstiger als fossile Varianten und Kernenergie. Und vor allem mit den windigen Küstenregionen im Norden und dem sonnigen Süden verfügt Deutschland durchaus über Potenzial. Der Ausbau der Windkraft, der wichtigsten Säule der Energiewende, ist in Deutschland allerdings zwischen 2018 und 2020 deutlich ins Stocken geraten. Erst in den vergangenen Jahren hat das Ganze wieder leicht an Fahrt aufgenommen. Doch es ist längst noch nicht ausreichend.
Administrative Hürden hemmen nach Ansicht des europäischen Windkraftverbands WindEurope den Ausbau. Es sei bekannt, dass die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland unzureichend sei, sagte WindEurope-Chef Giles Dickson. Aber es gebe in Deutschland noch ein weiteres Problem, nämlich die Genehmigungen für den Transport von Windkraftanlagen. "Das ist ein totales Durcheinander." Zwar sei das auch ein Problem in anderen Ländern, so Dickson. "Aber es ist nirgendwo so schlimm wie in Deutschland."
Um beispielsweise ein Rotorblatt durch Deutschland zu transportieren, braucht es demnach verschiedene Genehmigungen der jeweils betroffenen Bundesländer. Auch die Begleitung der Sondertransporte durch die Polizei müsse nach Übertritt der Landesgrenze gewechselt werden.
ZWE-Chef: "Investitionen stärken"
"Wir müssen Investitionen stärken und brauchen konsequente Strukturreformen", mahnte ZWE-Präsident Wambach. "Außerdem muss der europäische Binnenmarkt weiter ausgebaut werden." Die Inflation sieht der Ökonom dagegen auf einem "guten Weg". Zusammen mit höheren Löhnen dürfte das den Privatkonsum stärken, der eine wichtige Stütze der deutschen Konjunktur ist.
Die Inflation ist seit einiger Zeit tendenziell rückläufig. Im Januar lagen die Verbraucherpreise 2,9 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 hatten sich vor allem Energie und Lebensmittel sprunghaft verteuert. Die Teuerungsrate in Deutschland kletterte bis auf 8,8 Prozent im Herbst 2022.
Quelle: ntv.de, rog/dpa