Tirol

Hausmusik mit Maria und Josef Wo es im Ötztal noch beschaulich ist

Ötztal und Winter - da denken die meisten Touristen gleich ans Skilaufen und die Après-Ski-Partys in Sölden. Doch das Tal in Tirol hat in der kalten Jahreszeit auch eine völlig andere Seite. Neben dem Trubel auf den Pisten und in den Clubs gibt es hier ein ganz beschauliches Alltagsleben.

Blick auf Ötz - der schmucke Ort hat dem Tal in Tirol seinen Namen gegeben.

Blick auf Ötz - der schmucke Ort hat dem Tal in Tirol seinen Namen gegeben.

(Foto: picture-alliance / gms)

Der alte "Gasthof zum Stern" in Oetz ist völlig eingeschneit. Drinnen sitzen noch ein paar Stammgäste beim Bier. Am grünweißen Kachelofen stimmt der Josef seine Harfe. Josef Grießer, ein Mann um die 70 mit weißgrauen Haaren, führt den Traditionsgasthof, der seit Generationen in Familienhand ist. Eine Frau hat er nicht, dafür helfen ihm seine Schwestern Maria und Margit. Früher war der Josef Kapellmeister, die Geschwister musizierten häufig für ihre Gäste.

Frivole "Gstanzln"

Als jetzt ein paar Besucher nach Hausmusik fragen, sind die Schwestern sofort Feuer und Flamme: "Heute muss der Josef mal wieder spielen", sagt Maria resolut. Der Hausherr beginnt, an seiner Harfe zu zupfen. Sofort trällern die beiden alten Damen mit Unschuldsmiene frivole "Gstanzln". Der "Gasthof zum Stern" hat die Geschichte des Ötztals vom Bauerntal zum Ski-Tourismuszentrum miterlebt. Im Jahr 1611 ist in den Chroniken des Hauses der erste Wirtsbetrieb belegt. Davor war das Gebäude Gerichtssitz des Klosters Frauenchiemsee.

Die Rofenschlucht im hinteren Ötztal bei Vent.

Die Rofenschlucht im hinteren Ötztal bei Vent.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Heute leben die meisten Talbewohner von den Touristen. Fast 500.000 kamen im vergangenen Winter. Einer, der diese Entwicklung kritisch verfolgt, ist der Ötztaler Mundartdichter und Volkskundler Hans Haid. Seit Jahren polemisiert der 71-Jährige gegen den Massentourismus. Im "Gasthof zum Stern" erzählt er an diesem Abend über seine politischen Initiativen für mehr Umweltschutz und eine Rückbesinnung aufs alte Brauchtum.

"Alpines Ibiza"

Das seiner Meinung nach "pervertierte Ötztal" beginnt etwa 30 Kilometer entfernt beim Wintervergnügungsparadies Sölden. Das ehemals kleine Bergdorf zählt jedes Jahr zwei Millionen Übernachtungen. Wer abends die Hauptstraße entlang schlendert, kann Haids Rede vom "alpinen Ibiza" verstehen: Klotzige Hotels versperren die Sicht auf die Berge, unzählige Bars und Diskotheken werben mit blinkenden Leuchtreklamen für Après-Ski und Party nonstop. "Zwei Kilometer Beleidigungsarchitektur sind das", sagt Haid zornig.

Haid ist wohl der schärfste Kritiker der Entwicklung im Ötztal, aber nicht der einzige. Einige Bauern haben sich in den vergangenen Jahren zu einer Öko-Kooperative zusammengeschlossen. Auch Angebote für einen sanften Tourismus gibt es: In Niederthai können Romantiker beim Pferdehof Kutschenfahrten durch die verschneite Berglandschaft buchen, bei der Sulztalalm oberhalb des Bergdorfes Gries sind abgelegene Winterwanderwege und Rodelstrecken zu finden.

Grandiose Aussicht am Wintersportort Sölden.

Grandiose Aussicht am Wintersportort Sölden.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Besonders stolz sind die Ötztaler auf ihr "Öko-Designhotel", die "Waldklause" in Längenfeld. Mit Betten aus Tiroler Bergschafswolle und komplett aus Zirbelholz gefertigten Suiten möchte das "Naturhotel" Wellness mit Ötztaler Tradition verbinden. Hier geht es noch persönlich zu. So kann es passieren, dass der Ortspfarrer auswärtige Besucher nach dem Sonntagsgottesdienst um 11.00 Uhr lieber in seine warmen Amtsräume auf einen Schnaps einlädt, als ihnen die Fresken in der winterlich kalten Kirche zu erläutern. "Von Kunstgeschichte verstehe ich sowieso nicht soviel", sagt Hochwürden Stefan Hauser und lacht.

"Ötzi" zum Italiener erklärt

Eine weitere kulturelle Besonderheit erwartet Besucher im alten Ortskern von Oetz. In einem mittelalterlichen Wohnturm sind Antiquitäten, naive religiöse Volkskunst, populäre Druckgrafik, alte Fotografien und vor allem zahlreiche alpine Landschaftsgemälde aus der Zeit von 1800 bis heute ausgestellt. "Alle Exponate haben regionalen Bezug", erklärt Hans Jäger, der dem Turmmuseum seine Privatsammlung zur Verfügung gestellt hat: Bilder, Heiligenfiguren und alte Fotos zum Beispiel. Jäger versteht seine Sammlung nicht nur als Beitrag zur Kultur- und Mentalitätsgeschichte der Region, sondern auch als "ideellen Gegensatz zum Strom der Zeit".

Der berühmteste Ureinwohner des Ötztals: Die 5300 Jahre alte Gletscherleiche "Ötzi" im Archäologischen Museum in Bozen.

Der berühmteste Ureinwohner des Ötztals: Die 5300 Jahre alte Gletscherleiche "Ötzi" im Archäologischen Museum in Bozen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Um das Bild des ursprünglichen Ötztals zu komplettieren, fehlt den Ötztalern eigentlich nur der "Ötzi", der "Mann aus dem Eis", der hier in der Jungsteinzeit lebte. Allerdings haben die Ötztaler nicht viel von ihrem berühmtesten Ureinwohner. Aufgrund einer umstrittenen Grenzbestimmung in der Nähe des Fundortes wurde der Ötzi zum Italiener erklärt und ist nun in einer klimatisierten Vitrine in Bozen zu bestaunen.

Informationen

Ötztal Tourismus, Gemeindestraße 4, A-6450 Sölden
Tel. von Deutschland: 0043/572 00
E-Mail: info@oetztal.com
Internet: www.oetztal.com

Quelle: ntv.de, Caroline Mayer, dpa

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