Auto

Jahrhundertmesse vor 50 Jahren Als die IAA glänzte und wegschaute

Der Ford GT zählte zu den aufregendsten Premieren auf der IAA 1965.

Der Ford GT zählte zu den aufregendsten Premieren auf der IAA 1965.

(Foto: autodrom)

Glamouröse Premieren mitten im Umbruch: Die Frankfurter Autoschau vor 50 Jahren war eine Jahrhundertmesse. Das Wirtschaftswunder hatten seinen Höhepunkt erreicht. Aber es kündigten sich Schatten an - und alle guckten weg.

Nie war die IAA vielfältiger als 1965. 90 Automarken waren vertreten, 13 davon allein aus Deutschland. Noch einmal war die Messe ein gesellschaftliches Ereignis von nationaler Bedeutung. Eine Rekordzahl an Besuchern wurde erwartet, gekleidet in einem Chic wie sonst beim Opern- oder Konzertbesuch. Die glamourösen Premieren verdeckten aber auch, dass die Branche mitten im Umbruch steckte.

Bundeskanzler waren auch vor 50 Jahren nicht von der IAA wegzudenken: Ludwig Erhardt besuchte den BMW-Stand.

Bundeskanzler waren auch vor 50 Jahren nicht von der IAA wegzudenken: Ludwig Erhardt besuchte den BMW-Stand.

(Foto: BMW)

Mit Honda fand der erste asiatische Pkw-Aussteller in die Mainmetropole. Ein kleiner Anfang einer großen Entwicklung: In den kommenden Jahrzehnten sollten sich die Japaner zur Großmacht in Europa aufschwingen. Auch auf Kosten der Amerikaner und Engländer. Die präsentierten vor 50 Jahren ihre neuesten Erkenntnisse zur "Brennstoffzellen als Energiequelle für Kraftfahrzeuge" oder "Elektronikentwicklungen zur automatischen Fahrzeuglenkung auf Autobahnen", wie das autonome Fahren damals genannt wurde. Visionäre Techniken, die in Frankfurt begeisterungsfähiges Fachpublikum fanden.

Gigantische VW-Uhr tickt

Eines der zentralen Themen war jedoch eine höhere Sicherheit. Schließlich wurden schon am ersten IAA-Sonntag Bundestagswahlen abgehalten. Weshalb etwa die FDP mit der Forderung nach Mindestgeschwindigkeiten im Straßenverkehr Wahlkampf machte, während andere Politiker das sogenannte Auto-Abitur, eine besonders anspruchsvolle Fahrausbildung, ins Gespräch brachten und die Absenkung des zulässigen Blutalkoholwerts von 1,5 Promille forderten. Gab es doch mit annähernd 16.000 Verkehrstoten im Jahr fast fünfmal so viele Opfer zu beklagen wie heute. Scheibenbremsen und Sicherheitsfahrgastzellen für alle Neuentwicklungen, Dreipunkt-Gurtsysteme, Knautschzonen, Crashtests und erste Kindersitze zählten deshalb zu den wichtigsten IAA-Innovationen.

Opel war mit Modellen wie dem Rekord noch Nummer zwei in Deutschland.

Opel war mit Modellen wie dem Rekord noch Nummer zwei in Deutschland.

(Foto: Opel)

Die deutsche Industrie hatte das Jahr 1965 zum wirtschaftlichen "Boom-Jahr" ausgerufen und tatsächlich schien das Nachkriegs-Wirtschaftswunder einen Höhepunkt zu erreichen mit erneuter Ausweitung der industriellen Fertigungskapazitäten sowie damit einhergehenden Rekordverkaufszahlen von 1,4 Millionen Pkw bis zum Jahresende. Platz eins in der Zulassungsstatistik belegte einmal mehr Volkswagen, was die Wolfsburger auf der IAA ebenso feierten wie die Auslieferung des zehnmillionsten Käfers. Dazu tickte eine gigantische VW-Uhr nicht Zeit, sondern Produktionsziffern und ein Spruchband verkündete "Alle 8 Sekunden ein neuer VW!" Als Geschenk an die Kunden gab es den billigsten VW Typ 1200 A nun serienmäßig mit arretierbaren vorderen Sitzlehnen und stolzen 34 PS Leistung. Auf den Plätzen zwei bis sechs der Zulassungscharts folgten Opel, Ford, Mercedes-Benz, Fiat und NSU. Wobei Fiat dank seiner Produktionsanlagen in Heilbronn übrigens noch keine Importmarke war. Importiert wurden dafür Autos der französischen Marke Renault, die mit 40.300 Einheiten Platz sieben der Charts belegte und damit einen hauchdünnen Vorsprung auf Auto Union hielt (40.200 Zulassungen). Jener Marke, die sich auf dem Autosalon am Main gerade neu erfand als Audi.

Pleiten und Megafusionen

Die offensichtlichen Schatten an der Wand - die sich ankündigende erste richtige Rezession im Nachkriegsdeutschland - wollte niemand sehen. Der in Berlin gebaute spektakuläre Schwimmwagen Amphicar ging nach gerade einmal 3878 gebauten Exemplaren baden - geplant gewesen waren 25.000 Einheiten. Auto Union/DKW konnte nur dank der Übernahme durch VW überleben und durch das erwähnte neue Viertakt-Modell Audi und die Glas-Pkw bekamen das BMW-Logo verpasst. In Frankreich ging Facel-Vega Ende 1964 unter, gefolgt von Panhard - dem ältesten aller gallischen Autobauer. In Großbritannien begann das Zeitalter der Megafusionen fast aller traditionsreichen Volumenmarken (damals noch über 20), von denen bis heute nur Jaguar, Land Rover (beide in indischer Hand), MG (chinesisch) und Mini (bei BMW) überleben.

Für Bundespräsident Heinrich Lübke und Bundeskanzler Ludwig Erhard, der sich einen Ruf als Vater des deutschen Wirtschaftswunders erworben hatte, waren diese automobilwirtschaftlichen Veränderungen kein Thema. Sie fanden beide bei der feierlichen Eröffnung der IAA überaus optimistische Worte und Kanzler Erhard ließ es sich beim ausgedehnten Eröffnungsrundgang nicht nehmen, den deutschen Autobauern ganz besonderen Respekt zu zollen. Insofern wenigstens unterschied sich die IAA vor 50 Jahren nicht von der IAA 2015.

Quelle: ntv.de, kse/sp-x

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