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Cruiser-Frontalangriff BMW R 18 B - verwegen, aber im Herzen rein

Die BMW R 18 B ist eine waschechte Bagger zum langen Cruisen.

Die BMW R 18 B ist eine waschechte Bagger zum langen Cruisen.

(Foto: Markus Jahn)

Ein bisschen böse darf so ein Cruiser schon aussehen. Vielleicht wie die BMW R 18 B mit einem Big Boxer, einer Frontverkleidung und Seitenkoffern, alles tiefschwarz lackiert. Wer so unterwegs ist, darf sich nicht nur auf eine tourentaugliche Wuchtbrumme freuen, sondern auch auf die Blicke der Umstehenden.

Im Cruiser-Segment war BMW bis dato eher unscheinbar unterwegs. Doch seit dem vergangenen Jahr haben die Bayern mit der R 18 einen echten Frontalangriff auf Harley-Davidson gestartet. Die neuesten Flaggschiffe der R 18-Reihe sind die Transcontinental und ihre Schwester ohne Topcase, die R 18 B. Wobei das B hier für Bagger steht, also darauf hinweist, dass am Heck zwei Hartschalenkoffer mit einem Stauraum vom insgesamt 54 Litern angebracht sind, die dafür sorgen, dass auf ausgedehnter Tour auch die Reiseutensilien Platz finden. Und natürlich bekommt auch der Sozius ein bequemes und auf Wunsch beheiztes Plätzchen. Ganz preiswert ist der Bagger allerdings nicht. Mindestens 26.650 Euro müssen hier schon eingeplant werden.

Mit der R 18 B ist BMW einmal mehr der Spagat zwischen Gegenwart und Vergangenheit geglückt.

Mit der R 18 B ist BMW einmal mehr der Spagat zwischen Gegenwart und Vergangenheit geglückt.

Nun sind Reisemotorrädern in der Art einer R 18 auch immer ein Spagat zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Optisch und technisch muss so ein Motorrad irgendwie zwischen den Welten fahren, damit es bei der Kundschaft ankommt. Für die R 18 hat man hier nicht nur äußerlich eine ganz charmante Lösung gefunden, indem man sich auf die BMW R 5 aus dem Jahr 1936 besann. Insofern findet der Betrachter auch bei der B und der Transcontinantal einen 24 Liter fassenden Tropfentank, Doppelschleifen-Rohrrahmen und natürlich den luftgekühlten Boxermotor. Nur dass der zu einem echten Big Boxer geworden ist. Aus 1802 Kubikzentimetern Hubraum werden 91 PS generiert und über die frei drehende Kardanwelle werden maximal 158 Newtonmeter Drehmoment an das Hinterrad abgegeben, die allerdings schon ab 2000 Kurbelwellenumdrehungen anliegen.

Mit Druck voran

Wer hier richtig am Hahn zieht, spürt einen gigantischen Schub nach vorne, was aber bei einem Gewicht von 398 Kilogramm für die Bagger auch völlig in Ordnung geht. Denn tatsächlich ist es so, dass dieses Motorrad erst in freier Fahrt zu seiner Höchstform aufläuft. Hier spürt man das Gewicht kaum noch und die Bagger lässt sich erstaunlich leichtfüßig und zudem auf Wunsch auch recht schnell über die Landstraße und durch enge Kurven dirigieren. Bei Dunkelheit sogar mit einem adaptiven Kurvenlicht. Hier kommt dem Fahrer der Wuchtbrumme natürlich auch die Schräglagenfreiheit von über 30 Grad entgegen. Hinzu kommt, dass BMW durch die Veränderung des Lenkkopfwinkels um 5,4 Grad das Gewicht der Frontverkleidung zu Teilen vom Vorderrad genommen hat. Ein Umstand, der sich dann auch bei Langsamfahrten und beim Rangieren von großem Vorteil erweist.

Mit 398 Kilogramm ist die BMW R 18 B kein Leichtgewicht, erfreut dafür aber mit einem exzellenten Handling.

Mit 398 Kilogramm ist die BMW R 18 B kein Leichtgewicht, erfreut dafür aber mit einem exzellenten Handling.

(Foto: Markus Jahn)

Wobei natürlich genau hier das Gewicht von knapp 400 Kilogramm zum Tragen kommt. Ja, der sichere Stand mit beiden Füßen am Boden ist bei einer Sitzbankhöhe von 72 Zentimetern auch bei kleineren Fahrern gegeben, aber wenn die Arme zu kurz sind, dann hat man bei einem engen Wendekreis schon zu kämpfen. Das ist natürlich nicht unmöglich, bedarf aber etwas Übung. Um den Fahrern das Rangieren etwas leichter zu machen, bietet BMW eine Berganfahrhilfe und eine Rückwärtsfahrhilfe an. Beides durchaus zu empfehlende Investitionen, wenn man es sich an der einen oder anderen Stelle etwas leichter machen will.

Einfach nur Rock'n'Roll

Leichter wird es auch mithilfe der Fahrprogramme Rain, Roll und Rock. Wobei es bei Rock schon heftig zur Sache geht und selbst Rain bei nasser Fahrbahn nicht zu 100 Prozent verhindern kann, dass das 19er Hinterrad ins Rutschen kommt. Gut, dass hier noch Helferlein wie eine Motor-Schleppmoment-Regelung (MSR) und eine Anti-Hopping-Kupplung am Start sind, die das Rutschen und Stempeln des Hinterrades verhindern. Auch die Bremsen sind bei der R 18 B eine Bank. Vorne beißen die Zangen in Doppelscheiben mit 300 Millimetern Durchmesser, hinten sorgt eine Einzelscheibe in gleicher Größe für eine ordentliche Verzögerung. Dennoch sollten auch bei diesen mit einem vollintegralen ABS unterstützten Stoppern nicht die physikalischen Kräfte vergessen werden, die aufkommen, wenn 400 Kilogramm abrupt abgebremst werden. Und das kann hier, wenn der Fahrer nur kräftig am Gashahn zieht, aus einer Topgeschwindigkeit von über 180 km/h erfolgen.

Dank der mehr als 30 Grad Schräglagenfreiheit kann man mit der R 18 B auch recht dynamisch um die Kurve gehen.

Dank der mehr als 30 Grad Schräglagenfreiheit kann man mit der R 18 B auch recht dynamisch um die Kurve gehen.

(Foto: Markus Jahn)

Allerdings ist schwerlich anzunehmen, dass jemand den Wunsch verspürt, in diesen Highspeed-Regionen mit der R 18 B unterwegs zu sein. Denn ihre primäre Ausrichtung ist und bleibt die eines Cruisers. Hinter der halbhohen Kanzel findet man je nach Körpergröße ordentlichen Schutz vor dem Fahrtwind und wenn es dem Fahrer dann wirklich mal zu langweilig wird, kann er seine Umwelt und sich selbst mit Klängen aus einer Marshall-Soundanlage beschallen. BMW hat mit dem legendären englischen Gitarrenverstärkerhersteller nämlich einen Vertrag geschlossen, der es möglich macht, aus vier Boxen mit einer Ausgangsleistung von bis zu 280 Watt seine Lieblingslieder in den Fahrtwind zu feuern. Nun ist das ganz ehrlich gesagt Geschmackssache. Der Autor hat es ausprobiert und für sich befunden, dass er es hier lieber mit den Elementen hält. Sich also mehr an den Windgeräuschen und am Klang des Big Boxers erfreut, der so manche feurige Salve bei der Gaswegnahme in die Wildnis entlässt.

Der Weg ist das Ziel

Nun ist es beim Cruisen nicht unwichtig, den richtigen Weg zu finden. Damit es hier keine zeitraubenden Verwirrungen gibt, hat BMW eine sehr charmante Lösung in das Cockpit gezaubert. Zu einem informieren vier analoge Rundinstrumente über Geschwindigkeit, Drehzahl, Motortemperatur und Tankfüllung, zum anderen wurde ein 10,25 großer TFT-Farbmonitor darunter platziert, der wie im Auto als Steuereinheit für Telefon, Musik, Motor-Mapping und für das Navigationssystem dient. Das Bild und die Informationen dafür nimmt es von der eigens von BMW Motorrad entwickelten Connected App.

Das Cockpit der BMW R 18 B: schöner als in jedem Auto.

Das Cockpit der BMW R 18 B: schöner als in jedem Auto.

(Foto: Markus Jahn)

Das ist dann auch nicht nur sehr gut ablesbar, sondern funktioniert auch wirklich sehr gut. Wobei die viel gelobte Menüführung über das Drehrad am linken Lenkerende nicht in allen Details mit seinen Dreh- und Drückfunktionen bis in die Untermenüs selbsterklärend ist. Hier muss man schon ein wenig üben, um ohne große Ablenkung vom Fahrgeschehen alle Einstellungen zu finden.

Wenn man am Ende des Tages ein Fazit zur BMW R 18 B zieht, dann muss man sagen, dass sie ein ganz feines, dem Segment entsprechend nicht ganz leichtes Motorrad ist, das aber im öffentlichen Raum für unglaubliche Aufmerksamkeit sorgt. Das mag zum einen an diesem gigantischen Motor liegen, aber auch an der Verkleidung und der tiefschwarzen Lackierung. Mit der R 18 B ist man ein bisschen im Stile der "Sons of Anarchy" unterwegs. Verwegen, aber im Herzen rein.

Quelle: ntv.de

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