Auto

Erste Fahrt mit dem E-Koreaner Neuer Hyundai Ioniq 6 - mehr Reichweite als Tesla

Hyundai_Ioniq_6_FEMA_VO.jpeg

Der neue Hyundai Ioniq 6 strahlt einen Hauch von Futurismus aus. Sein extrem aerodynamischer Luftwiderstandsbeiwert von cw 0,21 trägt zu seiner hohen Effizienz bei.

(Foto: Patrick Broich)

Artikel anhören
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Informationen zu unserer Vorlesefunktion finden Sie hier.
Wir freuen uns über Ihr Feedback zu diesem Angebot. 

Für frischen Wind sorgt Hyundai mit seiner neuen E-Limousine. Der auf den Namen Ioniq 6 hörende Hightech-Viertürer mit 800-Volt-Ladetechnik kann mit einer Batteriefüllung sogar weiter kommen als das benchmarkverdächtige Tesla Model 3 - je nach Variante. ntv.de war mit dem Neuling unterwegs.

Limousinen sind in Westeuropa so ziemlich vom Aussterben bedroht, in den unteren Segmenten erst recht. Doch immer kommt irgendein Autohersteller und verspricht mit teuren, viertürigen Kofferraum-Kreationen Coolness. So richtig gelingen mag das nicht - Audi startete in der jüngeren Vergangenheit eine solche Offensive mit dem A3 Stufenheck und Hyundai mit dem i30. Sogar als sprotzelnden und Fehlzündungen simulierenden knallenden N mit reichlich Kraft unter der Haube donnert der Kompakte manchmal um die Ecke, diese Karosserieform hat also Fans. Zur Massenerscheinung ist sie indes nicht geworden.

Hyundai_Ioniq_6_FEMA_HI.jpeg

Erinnern Sie sich noch an den ersten Porsche 911 Turbo aus dem Jahr 1975? Der Ioniq 6 scheint genau diese Erinnerung auffrischen zu wollen mit seinem Spoiler-Heck.

(Foto: Patrick Broich)

Jetzt also pirscht sich der Ioniq 6 im Format irgendwo zwischen Business- und Mittelklasse lautlos an mit einer Länge von stattlichen 4,86 Metern. Mit Designzitaten in der Bandbreite von Mercedes AMG GT bis Porsche 911 macht er an, zieht die Blicke der Passanten auf sich. Auch Hyundai strebt an, elektrisch zu werden - keine Frage. Und das fehlende Sprotzeln eines zumindest von Fans (und die gibt es reichlich) heißgeliebten i30 N wollen die Ingenieure um jeden Preis kompensieren. Am besten sogar überkompensieren. Mit Leistung beispielsweise.

Für die Basis mit 53 kWh kleinem Akku gilt das zwar nicht gerade (151 PS), aber man muss ja mal bürgerlich starten. Bei ersten Testfahrten wollten die Koreaner das Grundmodell allerdings lieber nicht auf die Präsentationsteilnehmer loslassen. Die zweite Stufe mit 229 PS ist gerade so genehm, aber die meisten Mitglieder der ans Fußballstadion von Atlético Madrid verfrachteten Ioniq-6-Testflotte vereinen zwei Elektromaschinen unter dem Blech mit einem Output von üppigen 325 PS.

Eher geschmeidiger Tourer als wilder Racer

Hyundai_Ioniq_6_FEMA_Fond.jpeg

Kein Wunder, dass es hinten so viel Platz gibt: Mit 4,86 Metern Außenlänge und 2,95 Metern Radstand ist der Ioniq 6 ein verdammt großes Auto.

Damit geht es dann auch auf die erste Testrunde. Zum Glück haben die Routenplaner ihre Hausaufgaben gemacht und geschafft, das Fahren in der Metropole Madrid zu vermeiden. So rollt der jüngste Ioniq in geschliffener Art und Weise nur wenige Kilometer durch die (heute immerhin recht leere) Stadt, schönen Gruß an die "NVH"-Kollegen. Diese Ingenieure sind nämlich dafür zuständig, dass Noise, Vibrations und Harshness (dafür steht "NVH" - zu Deutsch Krach, Vibrationen und Härte) möglichst vermieden werden.

Und Vibrationen gibt es im Ioniq 6 nun wirklich nicht. Die geschmeidige Attitüde dominiert das Bild. Denn was viele Autofahrer nicht wissen: Auch Elektroautos können sich beim Anfahren leicht schütteln oder eben ein bisschen rappelig wirken. Aber in dieser Liga darf das natürlich nicht sein.

Hyundai_Ioniq_6_FEMA_Sta_VO.jpeg

Wie hat Hyundai die ausladende Limousine bloß ins Stadion von Atlético Madrid bekommen? Weder Aufzug noch Kran waren im Einsatz - sie wurde einfach hereingefahren. Der coole Pixelstyle leuchtet den Betrachtern schon aus der Ferne entgegen.

Der Ioniq 6 ist ein piekfeiner, technisch besonders anspruchsvoller elektrischer Tourer. Man denke nur an das Bordnetz mit 800 Volt Spannung. Dieses ermöglicht, beide Akku-Versionen binnen 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent zu laden, um damit bis zu 614 Kilometer (große Batterie in Verbindung mit Heckantrieb) weit zu fahren gemäß WLTP.

Tesla, bekannt für Effizienz und hohe Reichweiten, schafft mit seinem Model 3 Version "Maximale Reichweite" laut Werk lediglich 602 Kilometer nach WLTP-Disziplin - zumindest mit 19-Zoll-Felgen. Der Hyundai muss mit 18-Zöllern auskommen, wenn man besonders weit fahren will. Effizienz ist ein komplexes Thema in der Elektromobilität. Bestellt der Ioniq-6-Kunde die 20 Zoll großen Aluräder, steigt der Energieverbrauch und die kombinierte WLTP-Reichweite schrumpft im Gegenzug auf 545 Kilometer.

Schnell und effizient

Hyundai_Ioniq_6_FEMA_SE.jpeg

Dass der Ioniq 6 recht lang ist, merkt man ihm kaum an. Er fühlt sich deutlich kompakter an und sieht auch so aus.

(Foto: Patrick Broich)

Hyundai hat alle Register gezogen, um den Ioniq 6 effizient und vor allem ladeperformant zu machen. David Labrosse, Ingenieur aus dem Hyundai Motor Europe Technical Center, kommt ins Schwärmen, wenn er über die Leistungselektronik seines neuesten Babys spricht. Dank Siliziumkarbid-Technologie beim Wechselrichter (hier wird der Gleichstrom in den für die E-Maschine nötigen Wechselstrom umgewandelt) konnte das Technikerteam die Effizienz um fünf Prozent steigern.

Glücklicherweise handelt es sich hier um eine Win-win-Situation, denn mehr Effizienz im Antriebsstrang bedeutet wiederum weniger Wärmeentwicklung. Und das heißt, die thermischen Gegebenheiten sind besser in den Griff zu bekommen bei weniger nötiger Kühlperformance. Spart nämlich Entwicklungsaufwand und Gewicht. Auch Elektropionier Tesla verwendet übrigens Siliziumkarbid.

Hyundai_Ioniq_6_FEMA_Koffer.jpeg

Für den Besuch des Baumarktes nimmt man besser ein anderes Auto. 401 Liter Gepäckraumvolumen sind nicht gerade viel.

(Foto: Patrick Broich)

Mit der Reichweite ist das in der Praxis übrigens so eine Sache. Mittlerweile ist der Koreaner der Stadt entkommen und rollt über die Landstraße der Sierra de Guadarrama entgegen, jener zentralspanischen Gebirgskette, die sich fast 2500 Meter erhebt und bis an den Rand der Provinz Madrid heranreicht. Und wo die Gegend einsamer wird, wird der Gas-, ähm, Stromfuß plötzlich schwerer. Mit Schmackes und ohne auch nur den Hauch von mangelnder Traktion schieben die beiden lautlosen Maschinen das 2,1 Tonnen schwere Designerstück in einer Art über den Asphalt, dass die Nackenmuskeln plötzlich eine spürbare Aufgabe bekommen. Logisch, nach 5,1 Sekunden zeigt der großen Screen vor den Augen des Fahrers 100 km/h. Und ähnlich wuchtig geht es weiter bis 185 Sachen, nämlich bis Kollege Begrenzer dem spaßigen Treiben ein jähes Ende bereitet.

Schneller dürfte vielleicht eine künftige N-Variante fahren - für den kleineren Ioniq 5 ist sie immerhin für Jahresende angekündigt, beim Sechser dagegen ist sie (noch) Spekulation. Doch selbst wer von der limitierten Topspeed ständig Gebrauch macht, wird definitiv früher wieder an die Ladesäule müssen. Diese Testfahrt schließt immerhin mit rund 17 kWh/100 Kilometer ab, was für die Version mit Allradantrieb als effizient durchgeht.

Finger weg von den Kamera-"Spiegeln"

Hyundai_Ioniq_6_FEMA_Kamera.jpeg

Die Kamera-"Spiegel" sind ein witziges Gimmick. Bessere Sicht schaffen allerdings die konventionellen Spiegel.

(Foto: Patrick Broich)

Eine zweite Testrunde im Hecktriebler mit auch nicht gerade ärmlichen 229 PS zeigt, dass Jammern über mangelnde Power auf ziemlich hohem Niveau stattfindet. Denn selbst diese Version beschleunigt druckvoll und erreicht das zuvor besprochene Spitzentempo ebenfalls in überschaubarer Zeit. Und ha! Eine Sache fällt beim schwächeren Testwagen sogar angenehm auf: Er verfügt über konventionelle Außenspiegel. Wie bitte? Was denn zum Teufel auch sonst?

Tja, es gibt eben auf Wunsch die im Konzern verbauten Kamera-"Spiegel" - bekannt beispielsweise aus dem Genesis GV60. Spiegel sind das nicht, vielmehr links und rechts auf einem Arm angebrachte Kameras, deren Bild auf zwei Displays innen im seitlichen Türbereich projiziert wird. Ganz ehrlich? Das mag witzig sein, ist aber technischer Overkill und bei Dunkelheit oder Regen gar nicht mal so gut. Nette Idee, aber besser die richtigen Spiegel nehmen.

Hyundai_Ioniq_6_FEMA_IN.jpeg

Großer Doppelscreen, Head-up-Display und viele Knöpfchen: Der Hyundai Ioniq 6 bietet alles, was das Infotainment- und Technikherz begehrt.

(Foto: Patrick Broich)

Eine noch nettere Idee ist allerdings, die Tasten für die elektrischen Fensterheber in die Mittelkonsole zu legen (sonst in der Regel in den Türen) - haben sich die Innenarchitekten hier mal wieder getraut. War bei Mercedes früher absoluter Standard und hat gut funktioniert. Muss man sich allerdings erst wieder dran gewöhnen. Schön ist, dass in diesem Fall eben nicht nur der Fahrer, sondern auch der Beifahrer die Hoheit über das Öffnen und Schließen aller Seitenfenster bekommt. Denn üblich ist, dass sich abgesehen von der Fahrertür mit den Schaltern für alle Fenster immer nur der Knopf für das jeweilige Fenster in den restlichen Türen befindet.

Bleibt noch zu erwähnen, dass die mit 18- statt 20-Zöllern ausgestatteten Varianten eine Nuance sanfter über schlechte Straßen rollen. Hyundai hat die Power-Ausführung in der Präsentationsflotte indes mit großen Rädern ausgerüstet. Doch selbst damit gelingt es dem stattlichen Tourer, seine menschliche Fracht auf komfortablen Recycling-Fauteuils an weit entfernte Ziele zu bringen.

Hyundai_Ioniq_6_FEMA_Sta_HI.jpeg

Sobald es dunkel wird, kommt das Pixeldesign des hinteren Leuchtbandes zur Geltung.

(Foto: Patrick Broich)

Preislich bewegen sich die optisch extrovertierten Ioniq-6-Vertreter mit Doppelspoiler und retroangehauchter Pixel-Leuchtgrafik zwischen 43.900 Euro für die 151-PS-Basis mit Heckantrieb (53-kWh-Batterie) und 64.200 Euro für das 325 PS starke Topmodell samt 77,4-kWh-Akku sowie Allradantrieb. Ärmlich ausgestattet allerdings ist auch das Grundmodell keineswegs mit Goodies wie elektrischer Heckklappe, LED-Scheinwerfer, Rückfahrkamera, Parkpiepser, Sitzheizung, Smartphone-Integration (Apple CarPlay oder Android Auto) sowie Tempomat mit adaptiver Steuerung.

Wer dem Braten mit der neuen Technik nicht traut und Angst vor einem Defekt am teuren Akku hat, den möchte Hyundai mit acht Jahren Garantie auf die Batterie locken. Und mit günstigen Leasingraten ab 299 Euro monatlich. Ein Besuch beim Händler gibt sicherlich Aufschluss über die konkreten Kosten, die bei der Konfiguration des eigenen Wunschmodells anfallen. Die Auslieferung des Ioniq 6 ist übrigens schon in vollem Gange.

Quelle: ntv.de

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen