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Komplettausstattung im Test Reichen 1000 Euro für Motorradbekleidung?

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Einmal komplett bitte: Aber für nicht mehr als 1000 Euro.

(Foto: Holger Preiss)

Wer als Ritter der Landstraße auf zwei Rädern unterwegs ist, sollte das nicht ohne Rüstung machen. Aber muss man dafür immer ganz tief in die Tasche greifen? n-tv.de hat die Probe gemacht und eine Komplettausstattung für knapp 1000 Euro getestet.

Wer sich ein Motorrad kauft, braucht auch die entsprechende Bekleidung. In der Regel hängt die bereits im Schrank, bevor das Bike vor der Tür steht. Leider - und hier spricht der Autor aus Erfahrung - sind die Erstkäufe meist keine Glücksgriffe. Das mag an der eigenen Sparsamkeit liegen, an falscher Beratung oder an der Marke. Um dem aus dem Weg zu gehen, hat sich n-tv.de an einen der großen Shops für Motorradbekleidung und -zubehör gewandt, an Polo.

Nach Louis ist die Unternehmensgruppe aus Jüchen in Nordrhein-Westfalen der zweitgrößte Anbieter für Motorrad-Equipment in Deutschland. Die Aufgabe bestand darin, ein Set zusammenzustellen, das für den Fahrer eines Hyper Naked Bikes passt, der neben lockeren Touren auch mal die sportliche Schräglage probt. Das Budget für Helm, Jacke, Hose, Handschuh und Stiefel sollte bei etwa 1000 Euro liegen. Kein Problem, hieße es bei Polo, wir stellen etwas zusammen. Selbst- und preisbewusst griff man bei den Jüchenern auf die Eigenmarken zurück, ließ den teuren Stoff wie Dainese, Alpinestars oder Segura raus und brachte Nexo für den Helm, FLM für Kombi, Stiefel und Handschuhe ins Rennen.

Nexo Fiberglas Sport II und Tour Comfort abgewählt

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Der Nexo Tour Comfort und der Nexo Fiberglas Sport II (v.l.) schaffen es nicht mal zur Testfahrt.

(Foto: Polo)

Fangen wir mit dem Problematischsten an: den Helmen. Zur Wahl standen der Fiberglas Sport II, der Sport II und der Tour Comfort. Die Namen weisen die Helme eindeutig aus, die Preise allesamt unter 200 Euro. Da kann man nicht viel verkehrt machen, jedenfalls was das Budget betrifft. Allerdings schaffte es der Fiberglas Sport II für knapp 200 Euro nicht mal bis zur ersten Ausfahrt. Dabei machte er auf den ersten Blick einen richtig guten Eindruck. Die Rasterung des Visiers war ordentlich, ein Spoiler am Hinterkopf versprach eine gute Aerodynamik und auch der Lüftungsmechanismus flutschte. Doch kaum saß der Helm in Größe M auf dem Kopf, geschah das Unfassbare: Die Sonnenblende schlug beim Herunterlassen mit solcher Präzision auf den Nasenrücken, dass sie unmöglich zu bedienen war. Nun sucht der Tester das Ungemach natürlich in erster Linie an seinem Kopf. Aber auch bei der Sozia schnitt das Sonnenvisier die Nasenspitze ab, erst bei der 12-jährigen Tochter schrammte es haarscharf vorbei.

Doch kein Problem, da ist ja noch der Comfort. Ebenfalls knapp 200 Euro, machte er auf dem Kopf seinem Namen alle Ehre. Passt wie angegossen, erfreut mit einem sportlichen Doppel-D-Verschluss, einer Pinlock-Scheibe, Brillenkanal sowie Atem- und Windabweiser. Hinzu kommt, dass er beim ersten Tragen nicht den Eindruck vermittelt, wirklich 1,5 Kilogramm zu wiegen. Auch die Sonnenblende schlägt nicht auf die Nase, fährt mit ausreichendem Abstand daran vorbei und wieder hoch und wieder …. Nein, nicht mehr runter. Schon nach dem zweiten Versuch hat sich das Sonnenvisier im Gummirand des Helmes verfangen. Mit einem Löffelstiel herausgepopelt, ließ es sich zweimal bedienen, um dann wieder fest zu hängen. Auch das Klarsicht-Visier hatte seine Tücken. Zwar rastet es über große Stufen sehr schön ein, ließ auch vermuten, dass es sich nicht durch den Fahrtwind schließen wird, verzog aber nach links. Bei genauer Betrachtung stellte sich heraus, dass die Visier-Arretierung auf der linken Seite locker war. Ergo, auch der Tour Comfort schaffte es mit dem Tester nicht aufs Bike.

Nexo Sport II - der Sieger

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Der Nexo Sport II ist der preiswerteste und letztlich auch der beste Helm.

(Foto: Holger Preiss)

Letzter Versuch, der Sport II, mit knapp 120 Euro der Billigheimer unter den drei Probanden. Und sieh an: Er passt, das Hauptvisier lässt sich in großen Stufen aber feinfühlig öffnen und schließen, die Sonnenblende fährt problemlos ein und aus, verschont die Nase und hängt sich auch nirgendwo ein. Bildet nicht mal einen Lichtspalt zum Kinnschutz. Sehr schön! Mit 1,4 Kilogramm ist der Sport II, da aus Thermoplast hergestellt, auch der leichteste Helm.

Also Ratschenverschluss zu und ab aufs Bike. Hier glänzt der Nexo Sport II mit einer exzellenten Aerodynamik. Mit seinem "Heckspoiler" sorgt er sogar dafür, dass der Autor auf freier Strecke einen neuen persönlichen Geschwindigkeitsrekord aufstellen konnte. Klar, da das Teil unten offen ist, sind die Windgeräusche hier nicht vom Ohr zu weisen und die Kinn- und Kopfbelüftung ist eigentlich nicht spürbar, außerdem vor allem auf dem Helm extrem fummelig, weil sie über zwei extra Kanäle bedient werden muss. Aber dass der Helm unverschämt laut wäre, wie in einigen Foren-Einträgen zu lesen, kann an dieser Stelle nicht bestätigt werden.

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Der Nexo Sport II erfreut durch seine Aerodynamik, sollte aber eine Nummer kleiner probiert werden.

(Foto: Holger Preiss)

Dafür machte sich bei einer dreistündigen Fahrt ein anderer Nachteil bemerkbar. Sobald der Ritt schweißtreibend wird und die Innenpolster gut mit Feuchtigkeit versorgt werden, verliert der Helm seine Passform. Beim Seitenblick schiebt sich das Teil unangenehm weit über die Wange und bei flotter Fahrt rutscht er, durch den Fahrtwind getrieben, tief in die Stirn und verschiebt die Brille auf der Nase. Helfen könnte es, hier eine Nummer kleiner zu probieren, denn im Dreigestirn der Nexo-Helme ist der Sport II klarer Preis-Leistungs-Sieger, wenngleich er nicht uneingeschränkt empfohlen werden kann.

FLM Sports Leder Kombijacke und Hose 3.1

Es ist ja eine Glaubensfrage, ob die Lederkombi fürs Motorrad ein- oder zweiteilig sein soll. Klar, wer sein ganzes Heil auf der Rennstrecke sucht, der sollte unbedingt im schicken Einteiler über den Rundkurs eilen. Wer sich beim Kurvenlauf auf der Landstraße auch mal ins Café setzen möchte, der ist mit einem Zweiteiler wesentlich besser unterwegs. So gesehen kam die neu im Programm bei Polo angebotene Leder-Kombi 3.1 für insgesamt 750 Euro genau richtig. Das Außenmaterial ist aus 100 Prozent Rindsleder - was dem Ganzen natürlich Gewicht gibt - , und hat zusätzlich Metallhartschalen an Schultern, Ellbogen und Knien sowie Stretchzonen für die Bewegungsfreiheit an den Ärmeln, Ellbogen, am Jackenbund und an Rücken und Schultern. Und natürlich gibt es auch die Slider an Schulter und Ellbogen. Hinzu kommt, dass die Kombi mit dem weißen FLM-Schriftzügen und den Race-Streifen auch optisch echt was hermacht.

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Die FLM Sports Leder Kombijacke und Hose 3.1 fallen sehr klein aus.

(Foto: Holger Preiss)

Allerdings sollte man sich bei der Größenwahl auf keinen Fall auf seine Konfektionsgröße verlassen. Der Autor ist 1,75 Meter klein und trägt bei Jacken eine großzügige 50 und bei Hosen eine 48. Die Passgröße für die FLM-Kombi ist in seinem Fall eine 54 oben und eine 52 unten, was mutmaßen lässt, dass größere Fahrer mit dem feinen Leder ihre liebe Not haben dürften. Wer seine Größe gefunden hat, der sollte beim Ausritt eins beachten: die Jacke niemals mit einem kurzärmeligen T-Shirt anziehen. Der mitunter schweißfeuchte Arm verfängt sich unangenehm im perforierten Inlett der Jacke, das aus 100 Prozent Polyester besteht. Also, wie heiß es auch sein mag, es empfiehlt sich ein langärmeliges Funktions-Shirt darunter.

Ansonsten kann, wer den etwas zu dünnen Metallreißverschluss zugezogen hat, nicht meckern. Die verkrümmte Passform sorgt tatsächlich für einen optimalen Sitz und das auch, wenn man nicht weit nach vorn gebeugt über dem Tank lehnt, sondern wenn die Haltung wie beim Naked üblich etwas aufrechter ist. Während der Fahrt ist der Pilot dankbar für die Perforierung des Leders, denn dadurch ist eine ausreichende Belüftung gegeben und Schweißausbrüche bleiben aus. Anders wird es, wenn man mit dem Bike zum Stehen kommt. Bei Sonneneinstrahlung wird es schnell richtig warm im Lederkorsett.

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Die Kombi von FLM ist eine Empfehlung wert.

(Foto: Holger Preiss)

Aber dafür ist die Kombi ja auch nicht gemacht. Sie ist zum Fahren da und es soll nicht unerwähnt bleiben, dass sich Jacke und Hose mit einem kurzen oder langen Verbindungsreißverschluss vereinen lassen. Allerdings sollte man diese Verbindung herstellen, bevor man in die Kluft steigt oder einen Helfer bitten, den Reißverschluss zu schließen. Allein wird man es nur schaffen, wenn man sich wie ein Schlangenmensch um die eigene Achse winden kann. Fakt ist aber, dass es insgesamt nichts Nennenswertes an der Kombi auszusetzen gibt.

Einzig anzumerken ist, dass, wer gerne Portemonnaie, Fahrzeugpapiere, Smartphone und vielleicht noch eine Powerbank auf die Ausfahrt mitschleppt, sich einschränken muss. Es gibt in der Kombi insgesamt nur zwei Taschen: eine in der Hose, mit Reißverschluss, und eine Innentasche in der Jacke, deren Inhalt aber schnell aufträgt, denn die Jacke ist funktionsbedingt sehr eng.

Und noch etwas: Tatsächlich vermittelt die Kombi dank ihrer Bauart und der Protektoren an Schulter, Ellbogen, Nacken und Hüfte bei der Fahrt ein echtes Gefühl der Sicherheit. Wer das noch verstärken will, sollte nicht auf den nachrüstbaren Rückenprotektor für 50 Euro verzichten. Die Investition lohnt sich.

FLM Sports Stiefel 4.0 und FLM Sports Lederhandschuh 2.1

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Die FLM Sports Stiefel 4.0: Eine Punktlandung. Lediglich der schwergängige Reißverschluss nervt etwas.

(Foto: Holger Preiss)

Wer sich in eine Lederkombi schnürt, braucht auch entsprechendes Schuhwerk. Polo empfiehlt die FLM Sports Stiefel 4.0 für 150 Euro und macht beim Tester eine Punktlandung. Die Konfektionsgröße 43 passt wie angegossen. Allerdings ist das Schließen des Microfiber-Polyuretha-Stiefels gar nicht so einfach, wenn die Kombihose sich um die Wade spannt. Wichtig ist hier, dass die zwei Klettverschlüsse am Stiefelschaft geöffnet werden. Andernfalls ist es schier unmöglich, den Reißverschluss nach oben zu bewegen. Erst wenn der zu ist, können die Klettverschlüsse unter etwas Druck und Zug geschlossen werden. Wenn das geschehen ist, sitzt der Stiefel wirklich gut und bietet trotz hochschlagfester Schienbeinplatte und Verstärkungen an Zehen und Fersen eine ausgezeichnete Elastizität und Biegsamkeit. Die Gummisohle sorgt für guten Halt auf den Rasten, aber auch beim Abstellen des Fußes auf dem Asphalt.

Auch das Belüftungssystem an Spann, Außenrist, den Knöcheln und der Ferse machte während der Testfahrten einen sehr guten Eindruck. Natürlich haben die FLM Sports Stiefel 4.0 auch echte Schleifkanten zum Wechseln. Wer es kann oder wissen will, hat hier also auch die Sensoren für Schräglagenfahrten. Aber Achtung, weder die Lederkombi noch die Stiefel erheben Anspruch darauf, regenfest zu sein. Wer also so bekleidet in einen Regenguss fährt, muss damit rechnen, dass er bis auf die Haut nass wird. Beim Stiefel gilt: Einlage raus, Schuhspanner rein, Reißverschluss schließen und trocknen lassen, andernfalls kann sich das Material unschön verformen.

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Die FLM Sports Lederhandschuhe 2.1: gute Passform und sehr gute Belüftung.

(Foto: Holger Preiss)

Was fehlt noch? Richtig, die Handschuhe. Die Wahl fiel hier auf die FLM Sports Lederhandschuhe 2.1 . Gerade Handschuhe sind ja aufgrund der wirklich sehr individuellen Form eines jeden Fingers eine diffizile Sache. Hat man bei den Sports 2.1 aber seine Passform und Größe gefunden, dürfte nichts schiefgehen. Der Handschuh besteht zu 100 Prozent aus weichem Ziegenleder und hat am Außenhandballen, Handgelenk und dritten Glied des kleinen Finger Safe-Max-Slider. Die Belüftungen hinter den Carbonschalen zum Schutz der Knöchel und auf dem Handrücken sorgen für ein gutes Klima und weniger feuchte Hände.

Die Stretchzonen an Daumen, Zeige- und Mittelfinger verhelfen zu einer guten Beweglichkeit bei der Bedienung von Brems- und Kupplungshebel. Natürlich gibt es auch eine Stützfunktion durch Fingerverbindung zwischen Ring- und kleinem Finger. Wem das nicht so passt, wer lieber mit allen Fingern arbeitet, der kann die Verbindung auch trennen. Allerdings ist die nicht rückgängig zu machen, denn es bedarf eines Schnitts mit der Schere. Einen Tipp noch: Bevor man die 100 Euro für die Handschuhe bezahlt, sollte man die Verschlüsse über Schaft und Handgelenk einmal richtig festziehen, längere Zeit eine Faust machen und die immer wieder ganz leicht öffnen und schließen. Wenn jetzt auf den Knöcheln kein Druck durch die Carbon-Schalen entsteht, kann man den Sports 2.1 mit gutem Gewissen kaufen.

Fazit: Bei Polo eine gute und sichere Ausrüstung aus dem eigenen Haus zu bekommen und dabei preislich bei um die 1000 Euro zu bleiben, ist kein Problem. Die hier getesteten Produkte von FLM sind preiswert, aber keine Billigware. Natürlich fehlt die Langzeiterfahrung. In den Bereich "nicht empfehlenswert" müssen allerdings die Nexo-Helme eingeordnet werden. Neben Ungenauigkeiten bei der Passform fielen sie vor allem durch einige Produktionsschwächen durchs Raster. Wer hier etwas mehr Geld in die Hand nimmt, ist sicher nicht schlecht beraten. Eine uneingeschränkte Empfehlung des Autors wäre zum Beispiel der Nolan N87 für knapp 200 Euro. Ein ausgezeichneter Helm, der nur unter einem nicht besonders kratzfesten Visier leidet, aber als Alternative beim Preis-Leistungs-Verhältnis gewinnen würde.

Quelle: ntv.de

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