Erst Britpop, dann Bigseller Wie der Duster Dacia auf die Erfolgsspur führte
01.06.2024, 19:24 Uhr Artikel anhören
Als Papamobil für Papst Franziskus kam der Dacia Duster der dritten Generation ab 2019 zum Einsatz.
(Foto: Dacia Renault Group)
Es ist eine nahezu einmalige Erfolgsgeschichte in der Autowelt: Der Duster macht Dacia so beliebt, dass die Marke 2023 in Deutschland erstmals mehr Autos als die Konzern-Mutter Renault verkauft. Die Idee zur Erfolgsstory kam den Rumänen allerdings schon 1984.
Ist ein Dacia besser als ein Renault? Tatsächlich fahren die Massen auf die Modelle des rumänischen Billig-Herstellers Dacia weltweit ab, in Deutschland übertraf die Low-Budget-Tochter des französischen Traditionskonzerns Renault 2023 erstmals sogar die Verkaufszahlen der Mutter. Dacia-Modelle punkten speziell bei Privatkunden mit ihrem Preisvorteil - aber auch mit dem Coolnessfaktor des SUV, mit dem der Duster bereits zwei Mal überraschte.
Vor 40 Jahren machte der Duster das erste Mal Schlagzeilen - als Allradler des rumänischen Offroadspezialisten Aro. In der noch kleinen Allrad-Community genossen die pfiffig konzipierten Aro-Modelle Kultstatus. Allerdings bremste die rustikale Verarbeitungsqualität den Erfolg der geländegängigen Crossover auf Exportmärkten am Ende ebenso aus, wie es Dacia seit 1968 mit in Lizenz gebauten Renault-Derivaten erlebte. Dennoch kam es zu einer Vertriebskooperation zwischen Aro und Dacia, und so wirbelte der als Dacia Duster vermarktete Aro Typ 10 speziell in Britannien ab 1984 so viel Staub auf, wie die legendäre TV-Musik-Show "Top of the Pops".
"The biggest value on earth comes to town", versprach die Werbung für den Duster und in der Tat war kein Allradler billiger - bis Suzuki konterte. Wie es besser geht, zeigte Dacia 2009 - nun als Renault-Tochter. Der neue Duster hob ab, zuerst als verwegenes Concept Car, dann als millionenfach verkaufter, solider Budget-SUV. Viele versuchten, die Dacia-Philosophie zu kopieren, aber der Duster bleibt vorn, jetzt in vierter Auflage.
Preiswerte Alternative
Preiswerter als alle Wettbewerber (Rabatt gibt's aber nicht), gekleidet in praktische und angesagte Outdoor-Couture, optionaler 4x4-Antrieb, der die Wüste zum Wohnzimmer macht, und dazu bessere Platzierungen in Pannenstatistiken als mancher Japaner: Der Autobauer aus Pitesti am Rande der Karpaten weiß aus Erfahrung, warum viele Kunden den Duster cooler finden als andere Billigheimer. Dafür haben sie bei Dacia Lehrgeld bezahlen müssen.

Mit in Lizenz gebauten Renault Modellen ab 1968 groß geworden - die rumänische Marke Dacia.
(Foto: Dacia Renault Group)
Schon die Dacia-Aro-Allradler aus den 1980ern versuchten als stylishe Freizeit- und Familienfahrzeuge zu beeindrucken, weshalb sie in Deutschland als "Alternative unter den klassischen Geländewagen" beworben wurden. Konkurrenten wie der Daihatsu Wildcat waren 50 Prozent teurer, andererseits konnten es die kleinen Suzuki-Offroader ebenso preiswert wie die Dacia-Aro-Allradler, die hierzulande Seite an Seite mit dem Dacia 1310 (Lizenzbau des Renault 12) in den Schauräumen standen.
Frühe Verbandelung mit Renault
Das Aus für die frühen Dacia Duster und andere Aro kam nicht durch die rumänische Revolution, die 1990/91 grundlegende politische und wirtschaftliche Veränderungen auch in der Autoindustrie herbeiführte.
Vielmehr war es die Überlegenheit des Wettbewerbs durch qualitativ hochwertigere Produkte, die Aro und Dacia zwang, nach neuen Partnern zu suchen. Dabei hatte doch Dacia mit seinen 1300er Limousinen und Kombis den ersten Millionenseller dieses osteuropäischen Landes lanciert. Ermöglicht wurde diese sensationelle Erfolgsstory durch eine 1966 eingegangene Kooperation mit Renault. Kein Wunder, dass Dacia die Freundschaft mit den Franzosen 1999 erneuerte.
Seitdem ist Dacia Teil des Renault-Konzerns, und die Franzosen schafften, woran andere scheiterten: brave, ultrabillige Autos zu bauen, mit denen sich dennoch Geld verdienen lässt.
Nachdem der Übergangstyp Dacia Solenza die Qualitätsstandards in Pitesti 2003 auf westeuropäisches Niveau gehievt hatte, verblüffte der Dacia Logan/MCV als global billigster Fünf- bis Siebensitzer. Nicht zu vergessen vertrauensbildende Maßnahmen wie großzügige Garantiepakete: Drei Jahre, das bot damals kein anderes Budget-Fabrikat.
Sprungbrett zum Erfolg
Der Sprung zur charismatischen Marke gelang Dacia jedoch erst mit der Neuerfindung des Duster. Diese Story begann 2009 mit einem futuristisch anmutenden Duster Concept Car, das den Genfer Automobilsalon rockte - und sich zwischen Supercars von Ferrari und Koenigsegg als Publikumsliebling präsentierte.

Zu mutig für eine Serienproduktion: der Dacia Duster Concept Car von 2009.
(Foto: Dacia Renault Group)
Zwei gegenläufig öffnende Türen auf der Beifahrerseite, das gab es bisher noch bei keinem Serienfahrzeug. Auf nur 4,25 Meter Länge zeigte das Duster-Showcar jede Menge Kreativität, die vielleicht größte Überraschung war allerdings, dass die Ende 2009 enthüllte Produktionsversion ganz anders gestaltet war. Und dennoch bewirkte auch dieser erste in Serie gebaute Duster bahnbrechendes.
Der 4,32 Meter lange und 1,68 Meter hohe Serien-Duster war das, was die Briten "Defining Car" nennen, denn der sensationell preiswerte Dacia machte 2010 nach, was der Range Rover zuvor am anderen Ende, in der Luxusklasse der Geländekreuzer, gezeigt hatte. Der Rumäne definierte das kompakte SUV-Segment neu, er machte die geräumigen Hochsitze mit Offroadtalenten für junge Familien und Käufer mit schmalem Einkommen erreichbar.
Vom Familienfreund zum coolen Typen
Ein Herzensstürmer war der gegen den Strom "je größer und teurer, desto besser" fahrende SUV sogar auf dem anspruchsvollsten europäischen Markt: In Deutschland sicherte sich der Duster sofort die Pole Position in seinem Segment. Kein Wunder, kostete der Dacia doch über 50 Prozent weniger als ein vergleichbarer Skoda Yeti oder Suzuki Grand Vitara.

Am Ende des Erfolgsjahres 2009 mit allein über 85.000 Dacia-Zulassungen in Deutschland debütiert der Duster als billigster SUV seiner Klasse.
(Foto: Dacia Renault Group)
Vor allem: Mit mehr als 2,6 Millionen verkauften Fahrzeugen bis Ende 2018, davon 1,5 Millionen unter der Marke Dacia, entwickelte sich der Duster zum globalen Shootingstar. Wer jetzt stutzt: Da die Marke Renault weltweit bekannter ist, erfolgt der Vertrieb des Duster bis heute in vielen Ländern mit Renault-Logo.
Alltagsheld, Familienfreund und Freizeitgerät mit optionaler 4x4-Technik, diese Rolle füllte "Deutschlands günstigster SUV" (Werbeslogan) auf Anhieb aus. Was folgen sollte, war der steinige Weg zum coolen Typ: Den Grundstein dafür setzte 2012 der Dacia "No Limit", der mit einem 3,8-Liter-V6 aus dem Nissan GT-R "Godzilla" den dritten Platz beim berühmt-berüchtigten Pikes Peak Hill Climb errang.
Dann lag es an Fußballstar Mehmet Scholl, das rumänische "Statussymbol für alle, die keine Statussymbole brauchen" als Markenbotschafter attraktiver zu machen. Und tatsächlich: Fast wie in der TV-Werbung parkten vor Golfplätzen (oder an der Oper) vereinzelt Duster zwischen Prestige-SUV. Zudem verschaffte sich der Duster bei Rallyes und im Einsatz für Hilfs- und Rettungsdienst Respekt.
Papamobil von Papst Franziskus war ein Duster
Im Jahr 2017 debütierte der Duster in neuer Auflage mit mehr Komfort auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt am Main - und überzeugte später sogar den Heiligen Stuhl in Rom: Papst Franziskus war fortan in einem Dacia unterwegs. Nachgeschärftes Design und neue Antriebe (billiges LPG und effiziente Hybridtechnik, aber keine Vollelektrifizierung) machten den erneuerten Duster zu einem Modell für Privatkunden, die die teils inflationären Preissprünge von Volumenmarken wie Volkswagen nicht mitmachen wollten.
Ähnlich wie die Discounter Aldi und Lidl zeigt Dacia, dass billig auch gut sein kann. Diesem Kurs bleiben die Rumänen mit der neuen, vierten Duster-Auflage treu. Damit Dacia die SUV-Marke der Stunde für Smart-Shopper bleibt, soll Ende 2024 der größere Bigster die Rezeptur des Duster gegen VW Tiguan & Co zum Erfolg führen.
Quelle: ntv.de, Wolfram Nickel, sp-x