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Verbrenner kommen später Wie fährt sich der neue elektrische Fünfer-BMW?

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Zwar haben die Kreativen dem neuen Fünfer von BMW schneidige Linien verpasst. Aber dennoch wirkt die Limousine eher konservativ.

Zwar haben die Kreativen dem neuen Fünfer von BMW schneidige Linien verpasst. Aber dennoch wirkt die Limousine eher konservativ.

(Foto: Patrick Broich)

So weit ist es schon gekommen, dass BMW die Fahrvorstellung seiner brandneuen Fünfer-Reihe lediglich mit zwei elektrisch angetriebenen Varianten durchführt. Muss ja nicht schlecht sein. ntv.de hat die Businessklasse ausprobiert.

Wenn heute ein Premiumhersteller neue Modelle präsentiert, wird es tricky. Nicht nur für den Hersteller, der sich genau überlegen muss, welche Funktionen er hervorhebt und wie er seine Präsentation vorbereitet. Auch für den Journalisten, der der geneigten Leserschaft das neue Fahrzeug erklären soll. Du bist einfach konfrontiert mit Pressedossiers, die dick sind wie ein Roman. Mit Funktionen, die der durchschnittliche User ein ganzes Fahrzeugleben lang niemals ausschöpfen kann. Aber gut, da müssen wir jetzt alle durch.

Der neue BMW-Fünfer wirkt kompakter, als er ist. Die 5,06 Meter Länge sieht man ihm auf den ersten Blick nicht an.

Der neue BMW-Fünfer wirkt kompakter, als er ist. Die 5,06 Meter Länge sieht man ihm auf den ersten Blick nicht an.

(Foto: Patrick Broich)

Vielleicht einfach mal mit dem Design der neuen Fünferreihe starten. Huch, was ist denn da mit BMW passiert? Die Münchener können also doch auch dezent und zurückhaltend. Da steht eine Businessklasse im wirklich eleganten Kleid. Kein Aufriss à la Siebener, kein futuristisches Experiment wie beim iX. Nur ein ganz kleines bisschen Schnickschnack muss sein: die beleuchtete Niere. Yeey. Aber ganz ehrlich, sieht schon cool aus.

Ansonsten gibt der Fünfer eher den Gentleman im Businessdress. Na ja, er ist vielleicht einen Hauch aus der Fasson geraten. Länge 5,06 Meter - ist das nicht ein bisschen dick aufgetragen für obere Mittelklasse? Kann schon sein, aber in der zweiten Reihe finden die Knie richtig viel Platz vor. Schön übrigens, dass man dort jetzt fröhlich herumtouchen kann, um Klimaeinstellungen vorzunehmen. Also für Leute, die Touchbedienung schöner finden als konventionelle Druck- und Drehknöpfchen jedenfalls.

Der Fünfer nutzt keine mechanischen Anzeigen mehr

Das Curved Display dominiert die Architektur.

Das Curved Display dominiert die Architektur.

(Foto: BMW)

Vorn arbeitet ja das BMW Operating System 8.5 - auf das man aber im Rahmen der ersten Testfahrten unmöglich ausführlich eingehen kann. Nur so viel: Es gibt einen Shortcut, mit dessen Hilfe man die Spurvibration zügig ausgeschaltet bekommt. Leider ist jetzt nicht minder nerviges Tempolimit-Piepsen dazugekommen (dafür kann allerdings BMW nichts, das sind behördliche Regularien) - auch das lässt sich einfach deaktivieren. Schaltet sich natürlich bei jedem Neustart wieder ein. Das nur am Rande.

Ansonsten fällt auf, dass die Fahrmodi mit kräftigen Farben hinterlegt sind. Aber das ist auch schon bei älteren BMW-Modellen so. Die Blicke sind gerichtet auf das - natürlich - Curved Display. Sieht schon schick aus, aber ist traurig für die Kunden mit Vorliebe für mechanisches Messwerk. So ist das eben mit dem Fortschritt. Man kann ihn nicht aufhalten. Und jetzt kommt doch noch etwas Bling-Bling: Die breit angelegte Lichtleiste mit etwas krunkeliger Oberfläche ist dazu fähig, von bunt über energisch bis schrill zu leuchten. Kann man mögen oder auch nicht.

Ist die in allen Farben leuchtende Leiste nicht etwas drüber? Geschmacksache.

Ist die in allen Farben leuchtende Leiste nicht etwas drüber? Geschmacksache.

(Foto: BMW)

Wichtiger ist, dass der Fünfer immer noch wie angegossen passt. Eine günstige Sitzposition ist schnell gefunden, das Mobiliar mutet betont komfortabel an. Und da wäre auch schon das Stichwort: komfortabel. Dieser Businessklässler federt wirklich so komfortabel wie keiner seiner Vorgänger. Sicherlich trägt der um zwei Zentimeter auf knapp drei Meter gewachsene Radstand auch noch einmal zur Komfortverbesserung bei. Aber selbst kurzwellige Fahrbahnschnitzer wehren die adaptiven Dämpfer samt luftgefederter Hinterachse sehr gut ab. Ein anderer Aspekt für das in dieser Disziplin ausgewogene Abschneiden ist sicherlich der im Unterboden platzierte Akku für eine exzellente Gewichtsverteilung.

Electric first - zur ersten Fahrpräsentation bringt BMW nur Stromer

Und was bewegt den Fünfer? Es gibt viele Triebwerke, von denen hier aber bloß zwei zur Verfügung stehen. Als da wäre der i5 eDrive40 mit 340 PS Peakleistung auf der Hinterachse. Eigentlich reicht der Punch völlig - das elektrische Aggregat mit 400 Newtonmetern Drehmoment zwischen 0 und 5000 Umdrehungen reißt im Boost-Modus (einfach Paddle am Lenkrad ziehen) energisch an, treibt die 2,2 Tonnen schwere Limousine innerhalb von sechs Sekunden auf Landstraßentempo. Leider ist bei 193 km/h Schluss, aber die hohen Ströme bei Volllast produzieren viel Wärme, mit der man noch seine Problemchen hat im innerprozessualen Umgang.

Eigentlich reicht so ein eDrive40 vollkommen. Die Höchstgeschwindigkeit jedoch ist eines neuen Fünfers kaum würdig mit 193 km/h.

Eigentlich reicht so ein eDrive40 vollkommen. Die Höchstgeschwindigkeit jedoch ist eines neuen Fünfers kaum würdig mit 193 km/h.

(Foto: Patrick Broich)

Ungleich schwungvoller geht der doppelmotorige und damit noch einmal rund 200 Kilogramm schwerere M60 xDrive zu Werke - kein Wunder bei 601 PS Maximalleistung, die aber lediglich im Sportmodus anliegen (sonst 517 PS). Bis zu 820 Newtonmeter Drehmoment sorgen für satten Schub, der Standardsprint auf 100 km/h gelingt binnen 3,8 Sekunden. Hier sind die abgeregelten 230 Sachen fast enttäuschend, zumal BMW ja schneller kann, wie auch der iX M60 zeigt. Mit welcher Begründung fährt ein leistungsgleiches SUV schneller als eine sportive Businesslimousine? Das ist nicht vermittelbar.

Und mindestens schwierig vermittelbar ist, dass ein im Jahr 2023 debütierendes 100.000-Euro-Auto keine 800-Volt-Architektur bietet. BMW zeigt zwar anhand eines Charts, dass die binnen zehn Minuten nachgeladene Strommenge bei einem 800-Volt-Wettbewerber nur drei kWh mehr beträgt. Aber erstens hängt das Ladeverhalten von vielen Faktoren ab, und zweitens sollte man einfach schnellstmöglich Energie nachfassen können. Hier wird man wohl auf die neue Klasse warten müssen. Immerhin sorgen 81 kWh nutzbare Akkukapazität für ordentliche Reisedistanzen ohne Ladestopp, und 205 Kilowatt Peak-Ladeleistung sind natürlich auch nicht von schlechten Eltern. Die Reichweitenanzeige des eDrive40 bekundet bei 74 Prozent State of Charge noch immer 335 Kilometer. Den Verbrauch beziffert BMW mit 15,9 bis 19,9 kWh je 100 Kilometer. Die beiden fremderregten Synchronmaschinen des xDrive sollen im WLTP-Mittel nur wenig mehr verfrühstücken - nämlich 18,2 bis 20,6 kWh.

Erstmals beherrscht ein BMW weitgehend teilautonome Funktionen

Über Platzprobleme hinten dürfte hier kaum jemand meckern.

Über Platzprobleme hinten dürfte hier kaum jemand meckern.

(Foto: BMW)

Zudem kommt der neueste Fünfer mit verrückten Assistenten um die Ecke, kann jetzt auf der Autobahn wirklich assistiert fahren, ohne dass man die Hände ans Steuer nehmen muss. Also, System aktivieren, warten, bis der entsprechende Hinweis im Display erscheint. Und dann: Hände weg vom Lenkrad. Tatsächlich bleibt der Testwagen sauber in der Spur, pendelt nicht nervös zwischen den Fahrbahnrändern. Und jetzt setzt das System aber noch mal einen drauf, bietet nämlich an, selbsttätig zu überholen. Wie leitet man den Überholvorgang ein? Einfach, indem man in den Außenspiegel auf der entsprechenden Seite schaut - wird alles über optische Sensorik erkannt. Allerdings muss der auslösende Blick innerhalb von zwei Sekunden nach dem akustischen Auffordern erfolgen. Um den Fünfer besser auf Kurs halten zu können, haben die Techniker sämtliche Komponenten wie Kamera- und Radarsysteme nochmalig verbessert.

Etwas vergessen? Hoffentlich nicht, aber das Auto ist ohnehin zu komplex, um all seine Features innerhalb kurzer Zeit auszuprobieren. Ab 70.200 Euro startet der elektrische 40er, während BMW für den M60 xDrive schon 99.500 Euro haben möchte. Dienstwagenfahrer dürfen sich auf einen reduzierten Steuersatz freuen, weil bei batterieelektrischen Fahrzeugen als Grundlage für die pauschale Versteuerung privater Fahrten der halbierte Brutto-Listenpreis gilt. Und ich freue mich darauf, bei der nächsten Begegnung mit dem Fünfer die eingebauten Games sowie das Videostreaming auszuprobieren. Aber dann bitte mit den Verbrenner-Varianten. Nicht etwa, weil die flüsterleisen Stromer unschön fahren würden. Doch ein bisschen Abwechslung ist schließlich auch schön.

Quelle: ntv.de

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