Schwer unter Strom Genesis Electrified G80 kann tatsächlich elektrisieren
18.11.2022, 09:36 Uhr
Der Genesis G80 ist definitiv ein stattlicher Wagen.
(Foto: Patrick Broich)
Genesis ist das spannende, junge Luxusautolabel des Kia-Hyundai-Konzerns. Doch wo bekommt man die Autos überhaupt? Denn klassische Händler gibt es schließlich keine. Das und noch viel mehr klärt ntv.de im Rahmen eines Praxistests. Im Fokus hier: die noble Limousine Electrified G80.
Wenn man hierzulande eine neue Automarke etablieren möchte, braucht es mehr als nur ein gutes Produkt. Der Kunde vor allem im höherpreisigen Segment möchte seinen fahrbaren Untersatz womöglich in feinem Ambiente kaufen, zumindest dürfte das für die etwas konservativer eingestellte Klientel gelten. Der Gang ins Autohaus könnte zum erwarteten Einkaufserlebnis dazugehören, möchte man meinen. Nun ist es aber ja so, dass diese Möglichkeit bei Genesis durchaus besteht. Die Genesis Studio genannten Stores lassen mit ihrer nobel anmutenden Innenarchitektur keinen Zweifel daran, als passende Szenerie für den Erwerb eines Genesis durchzugehen - allerdings gibt es solche Stützpunkte aktuell lediglich in München sowie in Frankfurt am Main.
Was also tun? Ein kurzer Check der Website genesis.com schafft Abhilfe - entweder das Kontaktformular ausfüllen oder die auf der Homepage angegebene 0800er-Nummer anwählen, wenn die Geduld nicht ausreicht, bis eine Antwort zu erwarten ist. Genesis verspricht, dass sich ein persönlicher Assistent kümmern werde - von der Beratung über die Probefahrt und die Bestellung des gewünschten Produkts bis hin zu seiner Auslieferung nötigenfalls nach Hause vor die eigene Haustür, all das tütet die Kia-Hyundai-Tochter ein. Dann wäre das ja geklärt.
Ansonsten möchte Genesis elektrisch werden, wie das für viele Automarken heutzutage ebenfalls gilt. Der Electrified G80 ist es auch - allerdings ist er analog zum GV70 ebenso mit Verbrennern lieferbar im Gegensatz zum GV60, der auf der sogenannten E-GMP, also der Elektroplattform des Kia-Hyundai-Konzerns, aufbaut.
In der zweiten Reihe reist man fürstlich
Dass der G80 nicht von vornherein als rein elektrisch angetriebenes Fahrzeug entwickelt wurde, tut ihm zwar keinen Abbruch in der Praxis - aber es gibt kleine Details, die ihn verraten: So liegt das Kofferraumvolumen mit 354 Litern unter dem der Verbrennervarianten (424 Liter). Doch Hauptsache, der Fünfmeterliner beherbergt seine Gäste luftig. Und das tut er, selbst in der zweiten Reihe kommen keine Klagen auf, denn die Vordersitzlehnen sind wahrlich weit entfernt.
Doch als neugieriger Autofahrer möchte ich natürlich hinter das Steuer der stromernden Businessklasse. Aber bevor ich loslege, wandert mein Blick erst durch den Innenraum, nimmt Notiz von den feinen, terrakottafarbenen Lederpolstern, die unter der Bezeichnung "Havanna Brown" in der Preisliste zu finden sind. Edle Nähte auf der belederten Armaturentafel verleihen dem G80 jenes Oberklasseflair, das man von ihm erwartet. Das Aluminium-Dekor des Testwagens wirkt ganz cool, aber etwas stimmiger wäre jetzt eine schöne Holztäfelung. Ist natürlich Geschmacksache, und Genesis wird verschiedenen Geschmäckern gerecht, indem der Hersteller also selbstverständlich diverse Hölzer anbietet.
Schnell noch das Kombiinstrument checken, hier gibt es nur noch virtuelle Grafiken. Aber klassisch mit Rundskalen immerhin. Jetzt aber los - Startknopf angetippt und ready. Leise rollt der 2,3-Tonner (dabei kommt bei der BEV-Ausführung schon viel mehr Aluminium zum Einsatz) auf die Straße, gedanklich ist man schon bei den 370 PS aus zwei potenten Elektromaschinen. Aber der Stadtverkehr erlaubt keine Beschleunigungsorgien, Vorsicht ist vielmehr angesagt. Erst nach dem Ortsausgangsschild darf die elegante Limousine von der Leine.
Jetzt verhindert nur noch der leistungsreduzierende "Eco"-Modus, dass die Nackenmuskulatur überbeansprucht wird. Okay, das lässt sich ändern. In "Sport" ist die volle Power verfügbar. Doch Überraschung, die Techniker haben die Beschleunigungskennline des G80 gemäß seiner Klasse so programmiert, dass er ganz sanft an Tempo gewinnt. Nachdrücklich natürlich schon, 100 km/h sind binnen 4,9 Sekunden abgehandelt. Und die Maximalgeschwindigkeit beziffert das Werk mit 225 km/h, in der Praxis können es auch mal 10 Sachen mehr werden.
Der G80 ist Komfort-Tourer durch und durch

Mit dem Ladeport mitten in der Frontmaske kommt man immer leicht an das Kabel - egal, von welcher Seite aus man die Ladesäule mit dem G80 anfährt.
(Foto: Patrick Broich)
Dabei verliert der Edelkoreaner nie seine Contenance, was nicht zuletzt am tiefen Schwerpunkt liegt (die Batterie wird im Bereich des Unterbodens montiert). Die Ausrichtung des Fahrwerks ist ganz klar komfortabel, trotz variabler Dämpfung wird der Genesis nie sportlich - bei einem Radstand von über drei Metern auch kaum machbar.
Sämig pariert der Allradler langwellige Verwerfungen auf der Autobahn. Und er kann es vielleicht noch einen Tick geschmeidiger als mancher Wettbewerber, denn eine Kamera erfasst den Straßenbelag schon vor der Vorderachse, um das Chassis bestmöglich auf die Gegebenheiten anzupassen. Und während dieses Feature serienmäßig ist, kann man den Komfort mit 5510 Euro Aufpreis noch boosten. Dann gibt es Hightech-Stühle mit Massagefunktion und pneumatischen Seitenwangen. Doch in diesem Package ist noch mehr enthalten - beispielsweise Bildschirme hinten, ein elektrisches Heckrollo und die Zuziehhilfe für sämtliche Türen.
Der G80 erfreut durch seine intuitive Bedienung

In der BEV-Variante ist die Aufnahmefähigkeit des Kofferraums im Vergleich zur konventionellen Version leicht reduziert.
(Foto: Patrick Broich)
Bildschirme spielen beim G80 generell eine große Rolle, denn es gibt vorn ein prägnant großes Exemplar im blickfängerischen 16:9-Format und außerdem in berührungsempfindlicher Ausführung. Über den werden die meisten Fahrzeugfunktionen übrigens abgehandelt. Allerdings hält die Konsole auch noch eine konventionelle Schalterreihe bereit mit Tasten für einzelne Themenkomplexe (ruft die entsprechenden Menüs auf). Darunter prangt ein Modul zur Bedienung der Klimaautomatik - allerdings als kleines Touchfeld mit zwei Drehreglern garniert für die Innenraumtemperatur.
Vielleicht noch ein paar Wörter zum Thema Ladepraxis und Verbrauch: Während der Testphase lag der Stromkonsum bei moderater Fahrt häufiger bei über 20 kWh/100 Kilometer, also über der gemittelten WLTP-Werksangabe von 19,1 kWh. Verbräuche bei elektrisch angetriebenen Fahrzeugen sind jedoch schwierig reproduzierbar, weil sie empfindlich auf viele äußere Faktoren reagieren. Neben der Umgebungstemperatur kann auch die Topografie eine Rolle spielen. Demnach kann es sogar einen Unterschied von zwei bis vier kWh machen, ob man mit ähnlichem Fahrstil von Köln nach München oder umgekehrt von München nach Köln fährt.
Der 87-kWh-Akku des Genesis G80 ist rasch wieder voll
Erfreulich am Genesis ist, dass seine prognostizierte Reichweite immer treffsicher und nicht zu progressiv ausfällt. Bei vielen Elektrofahrzeugen sollte man im Kopf immer einige Kilometer abziehen, um sicher ans Ziel zu kommen. Auch das Gleichstromladen funktioniert dank 800-Volt-Architektur rasch - etwa 22 Minuten sind realistisch, um den Akku von 10 auf 80 Prozent Ladestand zu bringen. Allerdings ist die Ladeleistung des Genesis auf 240 Kilowatt begrenzt und beträgt nicht etwa 350 kW, wie im Prospekt suggeriert. Genesis empfiehlt allerdings die Nutzung von 350-kW-Ladesäulen, um das Ladepotenzial voll auszuschöpfen.
Mit einem Grundtarif von 69.200 Euro fällt der elektrische G80 sogar noch in das förderungsfähige Preisfenster und wird dieses Jahr mit insgesamt 7500 Euro bezuschusst. Diese Summe reduziert sich ab dem 1. Januar 2023 um 3000 auf dann also nur noch 4500 Euro. Weiterhin gilt bei Dienstwagen allerdings der halbierte Bruttolistenpreis als Grundlage für die pauschale Versteuerung privater Fahrten.
Fazit: Unter dem Strich bekommt man mit dem Genesis Electrified G80 jede Menge Auto für sein ausgegebenes Geld, da die Serienausstattung wirklich üppig ausfällt. LED-Scheinwerfer, Navigationssystem, Parkpiepser, Rückfahrkamera, E-Sitze, schlüsselloses Schließsystem, Wärmepumpe und Tempomat mit adaptiver Steuerung sind demnach frei Haus. Klar geht immer mehr: Das Technikpaket zu 4530 Euro extra verlockt mit Gadgets wie Head-up-Display, 360-Grad-Kamera sowie adaptiven Scheinwerfern. Außerdem gibt es dann noch mehr Assistenz insbesondere im Bereich der autonomen Bremsszenarien - mehr Komfort und Sicherheit ist kaum möglich.
Und in einem Bereich punktet der Genesis insbesondere - selbst wenn er sich besser verkaufen sollte, als die Genesis-Manager zu träumen wagen, wird er hierzulande ein Exot bleiben. Und etwas zu haben, was nicht unbedingt Mainstream ist, kann doch auch erfreuen. Oder in diesem Fall vielleicht sogar elektrisieren.
DATENBLATT | Genesis Electrified G80 |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 5,01/1,93/1,47 m |
Radstand | 3,01 m |
Leergewicht (DIN) | 2325 kg |
Sitzplätze | 5 |
Ladevolumen | 354 Liter |
Motorart | Zwei Elektromaschinen mit 19.000 Umdrehungen als Höchstdrehzahl |
Getriebe | Eine feste Übersetzung |
Leistung, E-Maschine vorn und hinten | je 185 PS (136 kW) |
Systemleistung | 370 PS (272 kW) |
max. Drehmoment | 7400 Nm |
Antrieb | Allradradantrieb |
Beschleunigung 0-100 km/h | 4,9 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
Akkukapazität | 87,2 kWh |
Maximale Ladeleistung | 240 kW |
Ladeleistung (Wechselstrom) | 7 kW (einphasig)/11 kW |
Verbrauch (kombiniert) | 19,1 kW/100 km (WLTP) |
kombinierte WLTP-Reichweite | 520 km |
CO2-Emission kombiniert | 0 g/km |
Grundpreis | Ab 69.200 Euro |
Quelle: ntv.de