Praxistest

Wild und knurrig Jaguar XE - Die Katze, die den 3er kratzt

Vor allem in Italien Racing Red mit 18 Zoll "Matrix"-Felgen sieht die Raubkatze richtig scharf aus. Allerdings kostet allein die Lackierung 900 Euro extra.

Vor allem in Italien Racing Red mit 18 Zoll "Matrix"-Felgen sieht die Raubkatze richtig scharf aus. Allerdings kostet allein die Lackierung 900 Euro extra.

(Foto: Holger Preiss)

Jaguar ist zurück und bietet im Segment der gehobenen Mittelklasse endlich ein Auto, das sich locker in die Reihe von BMW, Mercedes und Audi stellen lässt. Ob er aber tatsächlich mit der etablierten Konkurrenz mithalten kann, zeigt der Praxistest auf n-tv.de.

Der Jaguar fällt so flach nach hinten ab, dass der Blick aus dem Heckfenster schwer fällt. Macht den XE aber auch extrem sportlich.

Der Jaguar fällt so flach nach hinten ab, dass der Blick aus dem Heckfenster schwer fällt. Macht den XE aber auch extrem sportlich.

(Foto: Holger Preiss)

Individualismus wird in unserer Gesellschaft groß geschrieben. Ergo ist auch der Autokäufer immer auf der Suche nach Alternativen zu hergebrachten Formen. Wenn dann auch noch der Markenname legendär ist, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Denn gerade im Segment der oberen Mittelklasse haben sich die Präferenzen ziemlich festgeschaukelt. Die Pfründe sind zwischen Mercedes, BMW und Audi ziemlich klar aufgeteilt. Doch mit dem Jaguar XE schickt die britische Traditionsmarke, die seit einigen Jahren finanziell durch den indischen Tata-Konzern geführt wird, einen echten Konkurrenten ins Feld.

Wie die deutschen Mitbewerber ordnet sich der XE im Premiumsegment ein. Allerdings folgt er seiner Tradition und setzt bereits optisch klare Zeichen in Richtung Sport. Mit 1,41 Meter ist er fast so flach wie ein BMW 4er Gran Coupé. Die Motorhaube streckt sich weit nach vorne, die Überhänge sind kurz, während der Grill sehr steil im Wind steht. Die Frontscheibe hingegen kippt weit nach hinten ab, wobei die Dachlinie zum Heck extrem steil abfällt. Das hat optisch den Vorzug, dass der XE sich eindeutig in die Coupé-Ecke einordnen lässt, macht es aber größeren Fahrgästen in der zweiten Reihe nicht leicht. Auch kleine Passagiere sind auf denen für sie vorgesehenen Sitzhilfen gehandicapt. Während die einen also mit dem Kopf am anthrazitfarbenen Himmel schuffeln, greinen die anderen über mangelnde Freiheit für die Füße.

Sportlichkeit hat ihren Preis

Tief tauchen auch die Fondpassagiere in ihren Sitzen ab.

Tief tauchen auch die Fondpassagiere in ihren Sitzen ab.

(Foto: Holger Preiss)

Nun sind beschränkte Platzverhältnisse in dieser Klasse keine Überraschung und es gilt: Sportlichkeit hat ihren Preis. Denn auf der anderen Seite haben diese Umstände natürlich ihre Vorzüge. Der Fahrer taucht bei der Einnahme seines Platzes tief in das Innere des Jaguar ein und zieht sich den XE wie einen Handschuh über. Zu diesem Gefühl trägt auch die innere Optik bei. Wie der Umlauf am Bug eines edlen Segelbootes schwingt sich der obere Rand der Armatur bis in die Türinnenverkleidungen und schafft so eine dynamische Kante, die trotz ihres kühnen Bogens dem Fahrer mehr Raum lässt als in anderen der Sportlichkeit verpflichteten Modellen.

Gewöhnungsbedürftig ist der Umstand, dass die Luftauslassdüsen an den Seiten sich nicht auf Höhe der Fensterkanten befinden, sondern auf den Armlehenen der Türinnenverkleidungen zu ruhen scheinen. Praktisch hat das zur Folge, dass man sich für die Frischluftzufuhr immer von unten anblasen lassen muss. Ansonsten hält man es im Jaguar bei guter Verarbeitung und wertigen Materialien klassisch schick. Tacho und Drehzahlmesser erscheinen in alugeränderter Tubenoptik, dazwischen informiert eine Vollfarbmatrix über alle wesentlichen Belange der Fahrt. Allerdings sind die Größenverhältnisse und die Anordnung zum Teil gewöhnungsbedürftig.

Der Innenraum des Jaguar XE R-Sport gibt sich edel und dynamisch.

Der Innenraum des Jaguar XE R-Sport gibt sich edel und dynamisch.

(Foto: Holger Preiss)

In der mit Paneelen in lasergraviertem Aluminum verzierten Mittelkonsole befindet sich eine überschaubare Anzahl an Knöpfen, deren Funktion schnell durchschaut ist. Allerdings ist die Kombination der Belegung nicht immer logisch. So wird auf Tastendruck zwar die Sitzheizung freigegeben, muss dann aber über den 8,0 Zoll großen Touchscreen gesteuert werden. Dessen Menü hat Jaguar übrigens in einem ganz eigenen Look gestaltet. In vier farblich und mit Bildern unterlegten Feldern verbergen sich die am häufigsten verwendeten Funktionen: Telefon, Multimedia und Navi. Letztgenanntes muss für zusätzlich 980 Euro erworben werden. Den Rest gibt es in der Variante R-Sport bereits im Grundpreis von 42.500 Euro. Wobei der hier beschriebene XE 20d einen Zweiliter-Vierzylinder-Turbodiesel unter der Haube trägt.

Ordentlich Druck aufs Heck

Im Sportmodus wechseln die Skalen von Tacho und Drehzahlmesser auf Rot.

Im Sportmodus wechseln die Skalen von Tacho und Drehzahlmesser auf Rot.

(Foto: Holger Preiss)

Mit 180 PS und einem Drehmoment von 430 Newtonmetern setzten die Briten auch hier auf Sportlichkeit. Gekoppelt ist das Triebwerk an eine 8-Gang-Automatik, die die Kraft an die Hinterräder verteilt. Bei kraftvollem Druck auf das Gaspedal geschieht das so wuchtig, dass das Heck fröhlich winkend einen Vorgeschmack auf eine mögliche Drift gibt, denn das maximale Drehmoment liegt bereits ab 1750 Umdrehungen an. Richtig mit Schmackes geht's ab, wenn der Sportmodus gewählt wird. Das kann zum einen über einen Knopf in der Mittelkonsole erfolgen - wobei sich in diesem Fall die Ambientebeleuchtung und die Skalen von Tacho und Drehzahlmesser rot färben. Zum anderen besteht die Möglichkeit, den Sportmodus über den Drehsteller für die jeweilige Gangart anzuwählen. Wenn das geschieht, ändern sich zwar die fahrdynamischen Parameter, aber nicht die Farbe der Innenbeleuchtung. Warum es diese Trennung gibt, hat sich im Test nicht erschlossen.

Und noch etwas anderes war auffällig. So knackig die britische Mieze auch nach vorne schießt, so angestrengt klingt sie bei dem Wunsch nach schnellem Vortrieb in den unteren Gängen. Das liegt natürlich auch daran, dass der Diesel seine maximale Kraft erst bei 4000 Kurbelwellenumdrehungen erreicht. Um also schnell in die höheren Übersetzungen zu gelangen, wird weit ausgedreht und blitzschnell geschaltet. Das beweist zum einen, dass der XE 20d mit der 8-Gang-Automatik gut bedient ist, hat aber eben auch dieses auf Dauer angestrengt wirkende Aufbäumen des turbogeladenen Motors zur Folge. Am sportlichen Ergebnis ändert das freilich nichts. Der Jaguar beschleunigt in 7,8 Sekunden auf Tempo 100 und rennt laut Datenblatt bis auf 228 km/h. Im eigenen GPS-Test brachte er es sogar auf Tempo 234 in der Spitze.

Am oberen Ende des Kofferraums befinden sich zwei Bowdenzüge um die Rückenlehne zu entriegeln.

Am oberen Ende des Kofferraums befinden sich zwei Bowdenzüge um die Rückenlehne zu entriegeln.

(Foto: Holger Preiss)

Hier muss sich der Brite also keines Falls hinter der deutschen Konkurrenz verstecken. Auch mit Blick auf Fahrwerk und Lenkung spielt der XE ganz vorne mit. Beides ist so exzellent abgestimmt, dass mit erstaunlicher Leichtigkeit und Präzision Kurven durchflogen werden. Die Rückstellkräfte sind so ausgewogen, dass es eine Lust ist die Raubkatze ums Eck zu schieben. Auch bei leidigen Querfugen auf der Autobahn und Kopfsteinpflaster beweist der Brite Premium. Unterstützt wird dieser Eindruck von den Sportsitzen, die straff gepolstert sind und dank aufragender Seitenwangen einen ordentlichen Halt bieten.

Eine auf den Deckel

Was letztlich nicht ganz ins Bild passt, ist der Verbrauch. Die Katze ist nämlich ziemlich durstig und genehmigte sich im Testverlauf über die fast 1000 gefahrenen Kilometer 7,2 Liter im Schnitt. Das ist nicht nur gemessen an den Herstellerangaben - wo im Mittel 4,2 Liter veranschlagt werden - sondern auch mit Blick auf die direkten Konkurrenten, die den Test bei n-tv durchliefen etwas zu viel. Ein vergleichbarer 3er BMW GT brachte es auf 6,3 Liter. Allerdings hat der Bayer auch nur 143 PS zur Verfügung gestellt. Sicher kann der Brite bei entsprechender Strecke und Fahrweise auch weniger. In der Auswertung einzelner Teilfahrten lag der Bestwert ebenfalls bei knapp über 6,0 Litern. Gemessen wurde der aber bei sehr verhaltenem Lauf und einem die Katze streichelnden Gasfuß.

Wichtig für die entspannte Fahrt sind natürlich auch im Jaguar die zusätzlichen elektronischen Helferlein. Dazu gehört selbstredend eine adaptive Geschwindigkeitsregelung mit Stauassistenten. In dem Paket für 1830 Euro ebenfalls enthalten ist ein Totwinkelwarner mit seitlicher Rückfahrüberwachung. Dass der Spurhalteassistent im Testwagen nicht adaptiv war, sondern nur mit Rüttelbewegungen im Lenkrad auf fahrerische Verwerfungen aufmerksam machte, schmälerte das Vergnügen ein wenig. Zusätzlich 360 Euro müssen auch für elektrisch anklappbare Außenspiegel ausgegeben werden. Der schlüssellose Zugang bringt es in Kombination mit einer elektrischen Heckklappe auf zusätzlich 930 Euro.

Der automatisch öffnende Deckel hat natürlich seine Vorzüge. Öffnet er doch den Zugang zu einem 455 Liter offerierenden Kofferraum, der sich dank einer sehr niedrigen Ladekante hervorragend bestücken lässt. Dem steht auch nicht die leichte Schräge am Ende des Laderaums entgegen, die dem Radstand von 2,83 Meter geschuldet ist und der die Hinterachse weit ins Heck verschiebt. Erstaunlich ist allerdings der Mechanismus zum Lösen der Verriegelung der Rückenlehne der zweiten Sitzreihe, die sich im Verhältnis 40/20/40 umlegen lässt. Hier ragen zwei Bowdenzüge, die mit Schaumstoff ummantelt sind, in den Innenraum. Das hat wenig von Premium und enttäuscht ein wenig. Erwarten würde man hier Züge an der Innenseite des Kofferraumes, wie man es von anderen Herstellern gewohnt ist.

Wichtig ist beim Blick auf den Jaguar XE 20d auch der Preis. Mit einem Gesamtpreis von 57.665 Euro reiht sich der Brite zwar hinter einem Mercedes C220d 4Matic ein, liegt aber preislich fast 5000 Euro über einem BMW 320d und einem Audi A4 sport 2.0 TDI mit S-tronic.

Fazit: Wer ein sportliches Auto in der gehobenen Mittelklasse sucht, das sich optisch und technisch locker in die Reihe etablierter Hersteller stellt, der sollte unbedingt einen Blick auf den Jaguar XE werfen. Auch die möglichen Ausstattungs-Features sind entsprechend der zu erwartenden Standards und reichen vom LED-Licht bis zum WLAN. Nur eins darf der Interessent nicht erwarten: ein Schnäppchen. Preislich reiht sich die schicke Katze eben genau dort ein, wo sie auch gesehen werden möchte: im Premiumsegment.

DATENBLATTJaguar XE R-Sport 20d
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)4,67 / 2,07 / 1,41 m
Radstand2,83 m
Leergewicht (DIN)1505 kg
Sitzplätze5
Ladevolumen455 Liter
Motor2.0 liter 4-Zylinder-Turbodiesel mit 1999 ccm Hubraum
Getriebe8-Stufen-Automatikgetriebe
Systemleistung132 kW/ 180 PS bei 4000 U/min
KraftstoffartDiesel
Tankinhalt56 Liter
AntriebHeckantrieb
Höchstgeschwindigkeit228 km/h
max. Drehmoment430 Nm bei 1750 - 2500 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h7,8 s
Normverbrauch (Stadt, Land, kombiniert) je 100 km5,1 / 3,7 / 4,2 l
Testverbrauch7,3 l
CO2-Emissionen
(Normverbrauch)
109 g/km gültig für 17" Leichtmetallfelgen
Wendekreis11,7 m
Grundpreis43.200 Euro
Preis des Testwagens57.665 Euro

Quelle: ntv.de

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