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Die Busch-Trommel Der Staat "Nimmersatt"

Die Konjunktur brummt wieder, die Steuereinnahmen sprudeln. Doch statt das Versprechen von Steuersenkungen einzulösen, übernimmt der wohlmeinende Staat immer mehr Aufgaben für seine Bürger. Börsenkommentator Friedhelm Busch findet das keine gute Nachricht.

Friedhelm Busch

Friedhelm Busch

Die aktuellen Zahlen aus der deutschen Wirtschaft belegen es: Unser Bruttosozialprodukt ist im ersten Quartal verglichen mit dem entsprechenden Zeitraum des Vorjahres um 5,2 Prozent gestiegen. Ein derartiges Wachstum hat es seit der Wiedervereinigung nicht mehr gegeben. Selbst wenn im Laufe des Jahres die von vielen Volkswirten erwartete Konjunkturabkühlung eintreten sollte, könnte das Plus aufs Jahr gerechnet noch mehr als 3 Prozent betragen.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist damit aus deutscher Sicht offensichtlich überwunden. Dazu passt auch das Ergebnis der jüngsten Steuerschätzung, die für die Bundesrepublik bis 2015 135 Mrd. Euro mehr an Steuereinnahmen prognostiziert als noch bei der letzten Untersuchung im November vergangenen Jahres.

Mancher Bundesbürger erwartet jetzt deshalb doch noch die Steuererleichterungen, die uns diese Bundesregierung vor der Wahl versprochen hatte. Durch den unerwarteten Geldsegen wären ja nun die Mittel vorhanden, auf diesem Wege der zaghaft keimenden Binnenkonjunktur über den Tag hinaus eine tragfähige Basis zu verschaffen. Schon um Deutschland aus seiner problematischen Abhängigkeit von der Exportwirtschaft zu lösen. Problematisch, weil die notorischen deutschen Überschüsse in der Handelsbilanz von den weniger erfolgreichen Nachbarstaaten in Europa als eine gewichtige Ursache der gegenwärtigen EU-Krise beklagt werden und damit auch als Druckmittel dienen, gerade von Deutschland für den umstrittenen Euro-Rettungsschirm einen höheren Tribut zu verlangen.

Geld schon ausgegeben

Doch auch jetzt zeigt sich der Bundesfinanzminister hartleibig gegenüber jedwedem Ruf nach Steuersenkungen. Nach seinen Worten ist das zusätzliche Geld längst verplant: Für den verfassungsrechtlich vorgesehenen Abbau der bestehenden Schulden, für die Rettung des Euro, für den deutschen Sozialstaat und natürlich jetzt auch noch für den schnellen Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Atomenergie. Mit einiger Phantasie ließe sich diese Reihe ins Unendliche verlängern. Um Gründe für neue zusätzliche Ausgaben ist bisher noch keine Regierung verlegen gewesen. So verschlingt die jüngst vereinbarte Eurorettung - natürlich im Interesse der deutschen Wirtschaft und damit auch im Interesse der Bundesbürger - bei einer durchaus möglichen Pleite Griechenlands und/oder Portugals vermutlich Milliarden deutscher Steuergelder. Ohne der Rettung der europäischen Währung auch nur einen Schritt näher gekommen zu sein.

Aber kehren wir vor der eigenen Tür: Wir Bürger sind selber auch noch so einfältig, durch immer neue Wünsche und Forderungen diesem nimmersatten Staat die Argumente dafür zu liefern, neue Aufgaben zu übernehmen, für die er dann natürlich unser Geld braucht: Für mittellose Hartz-IV-Empfänger, für ausgebeutete Beschäftigte zu Niedrigstlöhnen, für von Armut bedrohte Rentner, für Not leidende Kinder. Sie alle rufen nach dem Staat, und Frau von der Leyen hat für jeden offene Ohren und auch weniger korrekte Statistiken zur Begründung der staatlichen Finanzhilfen, doch leider leere Taschen. Noch! Bis zum nächsten Wahltermin werden die Unionsparteien gewiss neue Finanzierungsquellen aufspüren. Nach dem Sinn einzelner Milliardenausgaben zu fragen, das geht gar nicht! Das verrät neoliberale Kälte und käme damit einem politischen Selbstmord nahe. Und ganz gewiss verbieten sich gegenwärtig auch Fragen nach dem Sinn und den Kosten eines vorzeitigen Ausstiegs aus der Kernenergie. Fukushima ist doch nun wirklich Grund genug, auch das letzte deutsche Atomkraftwerk lieber heute als morgen abzuschalten. Eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger will das, sagen zumindest die Umfragen. Mithin muss man jetzt - und nicht erst in 20 bis 30 Jahren - den Industriestandort Deutschland von den Füßen auf den Kopf stellen. Aber vielleicht geht es ja gut, vielleicht bleibt unsere Industrie auch ohne den bisher zuverlässigen und billigen Atomstrom international konkurrenzfähig.

Doch wenn diese Operation am offenen Herzen der deutschen Wirtschaft misslingt? Stromausfälle oder zu hohe Stromkosten wichtige energieintensive Produktionen aus Deutschland ins Ausland vertreiben? Ohne die Arbeitsplätze in der Industrie und ohne deren Exporterfolge gäbe es wohl kaum den gewohnten Wohlstand im Lande und damit wahrscheinlich auch keinen deutschen Sozialstaat im gewohnten Ausmaß.

Öko-Visionen nicht zum Nulltarif

Aber warum soll man sich nicht einmal aus der hartherzigen kapitalistischen Realität ins grüne Öko-Paradies träumen? Endlich keine unwägbaren Risiken der Atomenergie mehr, ein glückliches Leben ohne eine klimaschädliche Industrie, Mobilität durch leise schnurrende, energiesparende Elektroautos, geladen mit sauberem Strom aus Wind und Sonne, der über unterirdische Stromautobahnen vom Erzeuger zum Verbraucher transportiert wird. Wer möchte das nicht? Ich auch! Und technisch möglich ist das alles, sogar bis 2020 oder noch früher, sagt die von Frau Merkel eingesetzte Ethik-Kommission, sagt die CSU, sagt die SPD. Und natürlich sagen die Grünen das schon seit Jahren. Nur sagt leider keiner, was es uns kosten wird, dies umzusetzen. Mit Sicherheit werden es Milliardenbeträge im hohen zweistelligen Bereich sein, die wir Bürger dem Staat für eine schnelle Verwirklichung dieser Öko-Visionen abliefern müssen. Jahr für Jahr.

Kein Wunder, dass selbst in diesen Boomzeiten der Staat nicht mit dem Geld seiner Steuerzahler auskommt. Er gleicht auf erschreckende Weise immer mehr dem vollgefressenen Wolf Nimmersatt aus den Grimmschen Märchen, der in seiner Gier so viel von den Wurst- und Fleischvorräten des Bauern verschlingt, dass er sich am Ende mit seinem dicken Wanst nicht mehr durchs enge Kellerfenster ins Freie retten kann und vom wütenden Bauern erschlagen wird.

Quelle: ntv.de

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