Die Zypernkrise in der Chartanalyse Kein Gezeitenwechsel
05.04.2013, 06:07 Uhr
Robert Rethfeld, Wellenreiter-Invest
Die Geschehnisse in Zypern gelten als Zäsur: Einlagen der Bankkunden werden zur Sanierung der angeschlagenen Banken herangezogen, im Medienecho ein erstmaliger Vorgang. Doch was ist mit der Verstaatlichung der niederländischen SNS-Bank?
Für viele Anleger stellt sich die Frage, ob die Entwicklung in Zypern einen Gezeitenwechsel im Rahmen der europäischen Politik darstellt, da Vermögen über 100.000 Euro bei zwei angeschlagenen zypriotischen Banken teilweise zur Sanierung hingezogen werden. Wie die zukünftige Rettungspolitik aussehen soll, wurde vom niederländischen Finanzminister Jeroen Dijsselbloem verdeutlicht. Es wird keine direkte Rekapitalisierung der Banken durch den ESM geben, sondern statt eines "Bailouts" wird in Zukunft der "Bail-in" angewandt. Diese Rettung von innen heraus soll durch folgende Schritt erreicht werden.
- Durch die Einlagen der Banken
- Durch die Aktionäre
- Durch die Halter von Unternehmensanleihen der Bank
- Durch die unversicherten Einlagen und damit über Summen, die über 100.000 Euro hinausgehen und nicht durch die gesetzliche Einlagensicherung abgedeckt sind
Auch wenn die Ereignisse in Zypern den Blick der Anleger auf die Risiken neu gelenkt haben, so können wir aus technischer Sicht feststellen, dass bereits der 01.02.2013 als entscheidendes Datum Hochpunkte beim Euro/USD sowie der Aktie der Deutschen Bank hinterlassen hat. Die Deutsche Bank wurde als Beispiel herausgegriffen, da der deutsche Branchen-Primus in Bezug auf die Marktkapitalisierung auch global eine wichtige Rolle spielt. Am 01.02.2013 wurde die niederländische SNS-Bank verstaatlicht und dieses Ereignis ist der eigentliche Gezeitenwechsel, nicht die Ereignisse in Zypern, die wesentlich mehr mediale Aufmerksamkeit erreicht haben. Darüber hinaus lässt sich feststellen, dass sich die Abwärtsbewegung des Euro/USD, die im Juli bereits ihren 5. Geburtstag feiert, zuletzt nicht beschleunigt hat.
Der Euro/USD hat knapp unterhalb der Marke von 1,27 eine wichtige Unterstützung.
Zum einen verläuft auf diesem Preisniveau das 61%-Retracement der Aufwärtsbewegung von Ende Juli 2012 bis Anfang Februar 2013. Zum anderen bildete sich auf diesem Preisniveau im November 2012 ein wichtiges Zwischentief. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Bereich 1,27 verteidigt werden kann, ist mit Blick auf die Entwicklung des Britischen Pfundes/USD als hoch zu bewerten. Dieses Währungspaar notiert am steilen Abwärtstrend und besitzt gute Chancen wieder in die vorherige Handelsspanne vorzudringen. Beide Währungspaare bewegen sich in den letzten Jahren grundsätzlich in die gleiche Richtung, es existieren allerdings einige Divergenzen bei der Ausbildung von Hoch- und Tiefpunkten. Die jüngste Schwäche des Euro/USD bestätigt dieses Währungspaar nicht und diese positive Divergenz kann als ein Indiz angesehen werden, dass der Euro/USD an einem Preistief angekommen ist.
Am US-Terminmarkt fällt die Netto-Long-Positionierung der Commercials in den jüngsten Daten des CoT-Reports vom 26.03.2013 extrem hoch aus. Sie erreicht beinahe das Rekordniveau von 2010. In 2010 bildeten Euro/USD und Britisches Pfund/USD ein sehr wichtiges Preistief aus. Bei einer ähnlichen Netto-Long-Positionierung der Commercials in 2011 handelte es sich hingegen nur um ein Zwischentief im Euro/USD, im Britischen Pfund/USD wurde das untere Ende der Handelsspanne der Jahre 2011 und 2012 markiert. Insofern ist anzunehmen, dass das Britische Pfund/USD im Umfeld der Abstufung der Bonität (Verlust des "AAA"-Rating durch Moody’s) bereits ein sehr wichtiges Preistief in diesem Jahr markiert hat. Für die kommenden Wochen ist daher auch mit einer Stabilisierung des Euro/USD zu rechnen.
Fazit:
Die Geschehnisse rund um Zypern stellen keinen Gezeitenwechsel dar, dieser fand medial weit weniger beachtet am 01.02.2013 durch die Verstaatlichung der niederländischen SNS-Bank statt. Anleger müssen sich in Zukunft auch Gedanken über die Bonität ihres Kreditinstituts machen, wenn es um Beträge um mehr als 100.000 Euro geht. Eine wieder aufkommende Verschärfung der Bankenkrise ist aus technischer Sicht bisher nicht erkennbar. Der Euro/USD sollte sich in Kürze stabilisieren und dabei den Bereich des 61%-Retracements der Aufwärtsbewegung von Ende Juli 2012 bis Anfang Februar 2013 bei knapp 1,27 USD verteidigen können.
Quelle: ntv.de