Unterhaltung

"Tatort" aus München Auf eine Bratwurst zu den "Reichsbürgern"

Außerhalb des S-Bahn-Rings - und die Herren wirken ein wenig verloren.

Außerhalb des S-Bahn-Rings - und die Herren wirken ein wenig verloren.

(Foto: dpa)

Ein Toter in der Badewanne, Batic und Leitmayr fernab der Zivilisation, "Reichsbürger" beim Abendmahl und Essen aus dem Automaten - "Freies Land" gönnt sich eine Landpartie der ungewöhnlichen Art.

"Die Großen hören auf zu herrschen, wenn die Kleinen aufhören zu kriechen" - so heißt es bei den "Reichsbürgern" draußen vor den Toren der bayrischen Landeshauptstadt. Von Zäunen und Stacheldraht umgeben, die Autobahn zwar im Blick, aber das scheinbare Paradies, die autarke Alternative zur verhassten "BRD GmbH", direkt vor der verwitterten Tür, so leben sie hier, die Frauen und Männer und Kinder.

Die Sägen sägen, das Bier ist kalt, die Kühe wedeln mit den Schwänzen gleichmütig die Fliegen fort und lassen es auf den Acker pladdern - "Freies Land" nennt sich die Kommune dieser versprengten Merkel-Hasser, und wäre da nicht der verbohrte Unter- und Überbau, das Landleben in dieser XL-Parzelle könnte durchaus ganz erquicklich sein. Dass es jedoch unter dem Firnis der Rest-Zivilisation mehr als nur gärt, das erfahren Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) dann doch ziemlich schnell.

Wir müssen leider draußen bleiben.

Wir müssen leider draußen bleiben.

(Foto: BR/Hendrik Heiden/Claussen+Putz )

Die Kommissare hat es hierher verschlagen, weil es, so gehört es sich spätestens gegen 20.25 Uhr am Sonntagabend im Ersten, ein Verbrechen gegeben hat. Florian Berg liegt mit aufgeschnittenen Pulsadern in der übergelaufenen Badewanne. "Die Freiländer haben ihn auf dem Gewissen", verkündet die unter Schock stehende Mutter des Toten.

Das bajuwarische Odd Couple

Dass die anstehenden Ermittlungen eine ausgedehnte Fahrt hinter die Peripherie Münchens beinhaltet, löst bei den Silberrücken unterschiedliche Emotionen aus. Während Leitmayr von der Vorstellung, diverse Stunden mit Batic im Auto verbringen zu müssen, alles andere als amused ist, erwacht in dem wiederum die Abenteuerlust: "Wir zwei jenseits der S-Bahn. Wann warn mir des schon mal?"

Dabei ist der lange Trip im überhitzten Auto und die Kontroverse über die Reise-Playlist nur das Vorspiel zu weit größeren Herausforderungen. Da ist zum einen die Infrastruktur vor Ort: Im einzigen Gasthof des Ortes beim "Freien Land" ist die Speisekarte überschaubar, die Pensionszimmer, auf die das Duo ausweichen muss, da sich die Ermittlungen hinziehen, haben schon bessere Zeiten gesehen und wer nicht ausgesprochener Fan von Bratwurst aus dem Automaten ist, für den wird die Verpflegungssituation schon mal belastend.

Wer sind die "Reichsbürger"?

"Zur 'Reichsbürgerbewegung' zählen uneinheitliche Gruppen und Einzelakteure, die sich selbst als 'Reichsbürger' bezeichnen. Unter den Anhängern dieser Strömung befinden sich Verschwörungstheoretiker ebenso wie Querulanten und Geschäftemacher, aber auch politisch Motivierte. Sie alle eint die Behauptung, das Deutsche Reich bestehe fort, sowie die Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland." (Quelle: Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz)

Und dann ist da ja noch der Tross der "Reichsbürger", die hier versuchen, landschaftlich reizvoll gelegen, ihren Parallelkosmos aufzubauen. Florian Berg war so etwas wie der Finanzminister des Ganzen und könnte unlauteren Machenschaften seiner Mit-Revoluzzer auf die Spur gekommen sein.

Die "Fish out of Water"-Konstellationen sind alles andere als neu, insbesondere beim "Tatort", wo sich das gemeingebräuchliche Ermitteln im Urbanen in Sachen Varianten langsam erschöpft. Dass Autor Holger Joos sich in einem Großthema wie dem der "Reichsbürger" nicht verirrt, liegt an seiner Liebe zu den Figuren, die auch schon seinen letztjährigen Fall "Der Tod ist unser ganzes Leben" auszeichnete.

Das bajuwarische Odd Couple auf Landpartie, umgeben von heruntergekommenen Häusern, knorrigen Alten und wiederkäuenden Schwarzbunten auf der einen Seite, die "Freiländer" zwischen angetrunken-aufbegehrend und fast religiös verblendet auf der anderen Seite: Regisseur Andreas Kleinert baut daraus einen durchweg unterhaltsamen Genremix, kombiniert Western-Romantik mit kontroverser Revolutions-Folklore, Sektiererei mit Polit-Fabel vor aktuellem Hintergrund, wie eine Kreuzung aus "Wir können auch anders" und "The Village", letztes Abendmahl inklusive.

Quelle: ntv.de

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