Unterhaltung

"Aus allem kann ein Lied werden" Die Girls von Boy sind wieder da

Endlich wieder Valeska Steiners leicht verschnupfte Stimme und Sonja Glass' liebevolle Arrangements hören!

Endlich wieder Valeska Steiners leicht verschnupfte Stimme und Sonja Glass' liebevolle Arrangements hören!

Vieles hat sich geändert seit dem letzten Auftritt 2017, und das liegt nicht nur an Corona. Valeska Steiner bekommt ihr erstes Kind und zieht zurück nach Zürich, während Sonja Glass in Hamburg bleibt, ihre erste Filmmusik komponiert und erste Schritte als Musik-Produzentin macht. Doch wer sich einmal in die Musik von Boy verliebt hat, der fragte sich langsam: Kommt da mal wieder was? Und just kommt da mal wieder was! Zum Glück, denn wie sehr sie fehlen, das merkt man vor allem, wenn man ihrem ersten, neuen Song lauscht: "Fit Back In" heißt er, und er fühlt sich an wie ein unverhofftes Wiedersehen mit alten Freunden. Dass Leben und Tod so unmittelbar miteinander verwoben sind, dass Dankbarkeit sich mit Trauer und Unruhe mit Hoffnung mischt - diesen verschlungenen Pfad beschreiten die beiden Freundinnen nun zum Glück wieder gemeinsam. Boy nehmen uns mit auf eine melancholische Reise - und plötzlich ist es gar nicht mehr so schlimm, dass nichts bleibt, wie es war, dass alles sich ändert. Mit ntv.de sprechen die Musikerinnen über das was war. Und das, was kommt.

ntv: Das Album ist ja noch nicht fertig, aber ich freu' mich so, dass es ein Lebenszeichen von euch gibt. Ihr seid ein bisschen abgetaucht - und es gibt sicher Gründe …

Es gibt Hoffnung! Man muss daran glauben, oder daran arbeiten ...

Es gibt Hoffnung! Man muss daran glauben, oder daran arbeiten ...

Valeska Steiner: Als wir Ende 2017 unser letztes Konzert gespielt haben, war ich schon schwanger, und Sonja wurde ungefähr zu der Zeit angefragt, die Musik für einen Kinofilm zu komponieren. Ein halbes Jahr nach der Geburt meines Sohnes starb mein Vater, und so waren wir 2018 beide auf verschiedenen Ebenen mit eigenen Dingen beschäftigt. Trotzdem waren wir immer in engem Kontakt, und Ende 2018 haben wir dann auch wieder begonnen, gemeinsam Songs für das nächste Album zu schreiben.

Und dann seid ihr irgendwann wieder an die Arbeit gegangen …

Valeska: ... ja, und auch da haben sich einige Dinge verändert. Wir haben uns in aller Freundschaft von unserem bisherigen Produzenten getrennt, und nach einer kurzen Ausprobier-Phase dafür entschieden, dass Sonja bei diesem Album die Rolle der Produzentin selbst übernehmen wird.

Die Frage "Gibt's euch noch?" ist somit also hinfällig …

Valeska: Das ist tatsächlich eine Frage, die wir in den letzten Jahren öfter gehört haben, aber es gibt einen ja eigentlich immer, nur kriegen es die anderen manchmal nicht so mit (lacht).

Dann herzliche Glückwünsche zum Kind und zum Produzentendasein! Dass auf der einen Seite Leben kommt und auf der anderen Seite Leben geht, ist in den neuen Song mit eingeflossen …

Valeska: Ja, das empfinde ich als großes Glück an der kreativen Arbeit - einen Raum zu haben, in dem man sich mit den Dingen, die einen beschäftigen, auseinandersetzen kann. Dort gibt es die Möglichkeit, etwas sehr Trauriges in etwas sehr Hoffnungsvolles umzuwandeln. Egal was man erlebt, gut oder schlecht, es kann theoretisch aus allem ein Lied werden.

Ihr seid ja nicht nur eine Band, ihr seid auch Freundinnen. Oder?

Sonja: Hamburg und Zürich sind leider nicht um die Ecke, und ich fand es schon traurig, dass ich nicht mehr für Valeska da sein konnte, sowohl mit dem Baby als auch, als ihr Vater gestorben ist. Auf der anderen Seite ist Trauer etwas sehr Individuelles. Wir mussten uns etwas neu sortieren und auch wieder neu finden, aber das war eine wichtige Zeit. Wir haben musikalisch und auch in unserer Freundschaft ein neues Kapitel aufgeschlagen - das ist der Lauf des Lebens.

Seid ihr erwachsener geworden, wenn man das so sagen darf?

Sonja: Ich fühle mich schon lange erwachsen, ehrlich gesagt. Ich bin über vierzig. Die Pandemie hat uns, neben allen Schwierigkeiten, die Möglichkeit gegeben, einen neuen Blick auf unser eigenes Leben und vor allem auch auf die Gesellschaft zu werfen. Es war keine einfache Zeit für Künstler, aber ich konnte diese Zeit sehr gut nutzen und mich auf das Schreiben konzentrieren. Ich war zum größten Teil in meinem Studio und konnte das genießen, ohne das Gefühl zu haben, da draußen etwas zu verpassen.

Was hast du vermisst?

Sonja: Ich habe vor allem die Nähe zu meinen Freunden vermisst. Aber ich sehe die Erfahrung auch als Chance, uns selbst zu hinterfragen und zu schauen wie es weiter geht. Und vor allem, was wir daraus lernen können, um Dinge in Zukunft besser zu machen.

Und wie?

Sonja: Na ja, die Frage ist ja immer, ob wir etwas Positives aus etwas Negativem mitnehmen können und ob wir es schaffen, das zu verwandeln.

Wie zum Beispiel?

Sonja: Ich fand es faszinierend, dass man jahrelang darüber spricht, wie umweltschädlich zum Beispiel das Fliegen ist, und plötzlich ist das nicht mehr möglich. Also findet man einen anderen Weg sich auszutauschen. Man stellt fest, man muss nicht von Hamburg nach Frankfurt fliegen für einen einstündigen Termin. Ich habe das auch im eigenen Freundeskreis beobachtet. Es ist doch schon absurd, dass man so eine radikale Veränderung immer als "zu viel verlangt" empfindet, obwohl sie nüchtern betrachtet nötig wäre. Und jetzt stellen wir fest, es ist möglich sich auf etwas Neues einzustellen. Und zwar schneller als wir dachten. Das ist doch eine gute Erkenntnis für die Politik.

Man fragt sich, ob man jemals wieder drei Termine am Tag haben möchte oder mehrere Dinge gleichzeitig machen kann?

Sonja: (lacht) Ja, das stimmt. Die Frage ist tatsächlich: "Muss man das?" Und auch: "Will ich das?"

Valeska: Ich denke, man muss das Sozialleben erstmal wieder etwas aufwärmen.

Kultur und Systemrelevanz - was fällt euch dazu ein?

Sonja: Da wir keine Tour in dieser Zeit geplant hatten, haben wir das sozusagen nicht so konkret gespürt, außer, dass ein Konzert in New York ausgefallen ist. Und natürlich ist ein Künstler nicht auf die Art systemrelevant wie zum Beispiel ein Arzt, aber es hat mir schon zu denken gegeben, wie vernachlässigbar Kultur eingestuft wird - denn sie ist doch wahnsinnig wichtig für die Menschen. Ich denke, die ganze Kulturszene hat einen großen Beitrag durch das nicht Stattfinden geleistet und wurde im Gegenzug nicht ausreichend unterstützt. Man hat den Fokus sehr auf andere Wirtschaftszweige gelegt, das finde ich nicht so sympathisch.

Erzählt doch etwas zu dem Video "Fit Back In" bitte, das ist ja ein richtiger kleiner Film!

Sonja: Ja, das war auch der Plan der Regisseure. Sie haben auf echtem Film gedreht, man konnte das Rattern der Filmspule während des Drehs hören. Das Video ist aber schon relativ düster geworden. Ein Freund rief mich an, nachdem er das Video gesehen hatte und fragte ob es uns gut geht. Da haben wir uns schon gefragt, ob es vielleicht etwas zu deprimierend wirkt. Aber es ist ja ein ernstes Thema.

Euer nächstes Video kann ja dann bunter werden. "Fit Back In" ist eben eine Momentaufnahme. Und die nächste ist vielleicht ganz anders.

Valeska: Genau, aber es war eben auch so, dass wir den Regisseuren relativ freie Hand gegeben haben. Sie haben das Lied und den Text bekommen und dann interpretiert. Und ich finde es spannend zu sehen, was dabei rauskommt.

Sonja: Und das ist gar nicht einfach für uns, denn wir sind schon ziemliche Kontrollfreaks (lacht).

Valeska: Das Spannende ist doch aber vor allem, was das Lied, das man geschrieben hat, nicht nur mit einem selbst, sondern was es mit den anderen macht. Jeder legt seine eigene Geschichte in einen Song - und das ist ja etwas richtig Schönes.

Mit Valeska Steiner und Sonja Glass sprach Sabine Oelmann

Gut Ding will Weile haben: Das neue Album ist noch in der Mache.

Quelle: ntv.de

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