Woody Allens "Crisis in Six Scenes" "Du wirst vergewaltigt, ich werde ermordet"
30.09.2016, 18:33 Uhr
Die Anti-Vietnamkrieg-Aktivistin Lennie (Miley Cyrus) mischt die Ehe von Sidney Munsinger (Woody Allen) auf.
(Foto: Amazon Video)
Für Fernsehserien interessiert sich Woody Allen nicht. Dass er trotzdem eine gedreht hat, ist also kein ein gutes Zeichen. In "Crisis in Six Scenes" mischt Miley Cyrus die Ehe eines verkorksten Paars auf.

Elaine May ist der einzige Grund, "Crisis in Six Scenes" nicht sofort auszuschalten.
(Foto: Amazon Video)
Nein, Woody Allen hatte wirklich keine Lust, eine Fernsehserie zu drehen. Den Fluch seines Lebens nannte er das Projekt, das er gemeinsam mit Amazon für den Streaming-Dienst des Unternehmens entwickeln sollte. Er hat es trotzdem gemacht. Das Angebot sei einfach zu lukrativ gewesen, erklärte er vor einem Jahr. Der Zuschauer hat davon nichts – aber er braucht sich auch nicht zu wundern.
"Ich habe mir da auf jeden Fall zu viel vorgenommen", hat Allen über "Crisis in Six Scenes" geätzt, lange bevor das Format einen Namen hatte. Und: "Ich habe im Leben noch nie eine Fernsehserie gesehen und auch nicht vor, es zu tun." Dieser Tatsache mag es denn auch geschuldet sein, dass Allen die Möglichkeiten des Serienformats völlig ungenutzt lässt. Stattdessen hat er einen langen Spielfilm gedreht. Einen langen, langweiligen Spielfilm in sechs nicht einmal halbstündigen Episoden.
Junges Ding mischt Ehe auf
"Crisis in Six Scenes" erzählt die Geschichte eines dysfunktionalen Ehepaares. Der Mann heißt Sidney Munsinger, ist Ex-Werber und angehender Serienschreiber. Es ist Allens Paraderolle des neurotischen Schluffis. Die Frau heißt Kay (Elaine May), ist Psychologin und Sidneys bessere Hälfte im wirklich wahrsten Sinne des Wortes. Sie ist der einzige Grund, "Crisis in Six Scenes" nicht schon nach Szene eins – und damit ist nicht die erste Episode gemeint – zu verwerfen.
Das vorstädtische Leben der zwei 60er-Jahre-Intellektuellen wird jäh gestört, als die junge Lennie (Miley Cyrus) des Nachts in ihr Leben poltert. Sie ist eine politische Aktivistin, hat es mit ihren Anti-Vietnamkrieg-Aktionen auf die landesweite Fahndungsliste der Behörden gebracht und braucht nun dringend Unterschlupf. Kay ist dafür, Sidney dagegen und entsprechend entwickeln sich die Dinge dann auch.
Witze, die betroffen machen
"Du wirst vergewaltigt, ich werde ermordet", prophezeit Sidney seiner Frau, noch bevor die Handlung so richtig in Gang kommen kann. Ganz so schlimm wird es nicht. Aber es ist doch schon eher schmerzhaft, anzusehen, mit welch unerträglichen Dumpfheit die für gewöhnlich recht charmante Miley Cyrus da durch ihre erste Serienhauptrolle seit "Hannah Montana" geistert.
So wenig Humor macht betroffen – besonders nachdem Allens Serien-Alter-Ego ein paar durchaus nette Adoptivtochter-Witze über seinen Hausgast macht. Dazu muss man wissen, dass der echte Regisseur mit der Adoptivtochter seiner Ex-Freundin Mia Farrow, Soon-Ye Previn, verheiratet ist und seit Jahrzehnten mit Missbrauchsvorwürfen seitens seiner und Farrows gemeinsamer Adoptivtochter Dylan konfrontiert wird.
Wie dem auch sei: "Crisis in Six Scenes" funktioniert von vorne bis hinten nicht. Amazon hatte offensichtlich mehr Lust auf Woody Allen als Woody Allen auf Amazon. Der A-Klasse-Regisseur aus Hollywood sollte dem Serienfan eine Orientierungshilfe sein zwischen all den neuen Formaten, die Woche für Woche den Markt überschwemmen. Aber er wollte nicht. Man hätte ihn besser in Ruhe gelassen.
"Crisis in Six Scenes" ist in englischsprachiger Originalversion abrufbar über Amazon.
Quelle: ntv.de