Unterhaltung

"Polizeiruf 110"-Abschied Mach's gut, Sascha Bukow!

"Wir dürfen nicht weitermachen": In der Schlussviertelstunde scheitert das Happy End.

"Wir dürfen nicht weitermachen": In der Schlussviertelstunde scheitert das Happy End.

(Foto: NDR/Christine Schroeder)

Aus, Ende, vorbei: Mit dem 24. Fall verabschiedete sich Charly Hübner alias Alexander "Sascha" Bukow vom Rostocker "Polizeiruf 110". Bis zum Schluss hatte die ARD die Details seiner letzten Minuten geheim gehalten. Sein Ende? Eins mit Tränen. Und der Hoffnung auf ein Wiedersehen. Unser Autor sagt leise Servus.

Wir schreiben den 18. April 2010: Borussia Dortmund kommt über ein 1:1 gegen Hoffenheim nicht hinaus. Bundeskanzlerin Angela Merkel bleibt fast im Ascheregen von Eyjafjallajökull hängen. Peter Alexander hat Stress mit seinem Anwalt. Mehrzad Marashi gewinnt "DSDS". Und in Rostock nehmen Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und Alexander Bukow (Charly Hübner) den Dienst auf, "Einer von uns" lautet der Titel ihrer ersten gemeinsamen "Polizeiruf 110"-Folge. Sie eine Profilerin mit messerscharfer Denke und einer ungewöhnlichen Balance aus Abgeklärtheit und Empathie, er ein etwas lädierter Schlendrian mit Hang zur Plautze, großem Herzen und einem ganzen Rucksack voller privater Baustellen.

Bukow - oder Sascha, wie er gemeinhin genannt wird - ist noch verheiratet, lebt mit Frau und Kind zusammen, entstammt der Plattenbau-Ära, ernährt sich von Currywurst und hat ein emotional aufgeladenes Verhältnis zu seinem Vater, einem Rostocker Kiezboss samt undurchsichtigem Regime zwischen Boxschuppen, Kneipe und Drogendeals.

Im Verlauf der folgenden knapp zwölf Jahre sehen wir, wie all das den Bach runtergeht. Bukows Frau fängt ein Verhältnis mit einem Kollegen vom Revier an, es folgt die Trennung. Undurchsichtige Verstrickungen in die Deals von Saschas altem Herrn ziehen sich durch die Dienstjahre. Die Augenringe werden tiefer, der Wulst überm Hosengürtel etwas größer, das Verhältnis zur Kollegin König durchläuft alle Aggregatszustände von passiver Aggression über feierabendliches Saufi-Saufi bis zu Freundschaft, Anteilnahme und, tatsächlich, Liebe, die es möglicherweise schon von Beginn an gewesen ist.

Das eigentlich Unvereinbare

Der Titel dieses ersten Falls wird so etwas wie das Credo, auf dessen Fundament sich im Laufe der Zehner Jahre ein ausgesprochen inniges Verhältnis zu diesem ungewöhnlich-gewöhnlichen Kommissar ausprägt: Bukow ist eben das, einer von uns. Sein Hoffen und Hadern, seine Tapsigkeit ebenso wie sein Tempo, seine Träume, Tiefschläge und Trostschnäpse, das sind wir. Weniger überhöht betrachtet, mehr aus der Sicht des klassischen Krimi-Publikums auf einen Nenner gebracht: Bukow brachte das eigentlich Unvereinbare zusammen, jenen das Wesen des Lebens ausmachenden Widerspruch verkörperte er wie kaum ein zweiter TV-Kommissar: Irgendwie meinten wir, ihn zu kennen. Gleichzeitig wusste man nie, was man bei ihm zu erwarten hatte.

Außer der Liebe vielleicht, denn dass er mit der heimlichen Königin seines und unserer Herzen irgendwann mehr als nur das Büro teilen würde, war doch eigentlich klar, oder? Dass die beiden sich nun kürzlich also kriegten, atmete erneut jeden Widerspruch: Die Freude auf und über ein vermeintliches Happy End. Und die Befürchtung, dass es damit doch wieder nichts werden würde. Halb fiel sie, halb zog er sie - plötzlich gab es hier sogar einen Heiratsantrag. Womöglich den ersten zwischen zwei Kriminalern überhaupt in der deutschen Fernsehhistorie? Man weiß es nicht genau. Ganz sicher aber der erste mit verbogenem Blechdraht anstelle zweier Ringe und dann auch noch beide voreinander auf den Knien. Das war doch fast zu schön, um wahr zu sein, oder?

Tränen, Abschied, letzter Blick

War es dann ja auch, das gab schließlich die Schlussviertelstunde eindrücklich zu verstehen. Eiskalt pustete Hübner da dem Kontrahenten Subocek das Lebenslicht aus. Notwehr? Ganz sicher nicht. "Wir ziehen uns immer tiefer", resümierte die konsternierte König, entsetzt über Bukows Alleingang: "Wir dürfen nicht weitermachen." Dem hatte denn auch Bukow nichts entgegenzusetzen, er, der schon als 17-Jähriger jemand anders sein wollte, aber nicht weiß, wie das geht: "Ich habe es verkackt." Tränen, Abschied, ein letzter Blick. Over und aus.

So heißt es nun: Bye-bye, Bukow. Überhaupt, der Name. Nicht Bukow mit tonlosem W wie in Flow oder wie in Wussow. Nein, Bukow. Wie in Bukowski. Und ein bisschen wie in Fuck off. Nehmen wir es also hin und sagen Farewell. Und wenn unsere Tränen getrocknet sind, dann erwarten wir mit Spannung die Neue, die da kommt. Lina Beckmann, im wirklichen Leben Charly Hübners Ehefrau, und das ist mehr als nur eine schöne Pointe in dieser Geschichte. Denn Beckmann, die kürzlich dort, wo Hübner zurzeit in Studio Brauns "Coolhaze" für Stehbeifall sorgt, das Publikum als "Richard III" ebenfalls von den Sitzen riss - im Hamburger Schauspielhaus - wird aus dem Stand ein neues "Polizeiruf 110"-Kapitel aufschlagen.

Wer Beckmann schon einmal gesehen hat, ahnt, was da auf uns zukommt: eine Art Olivia Colman auf Speed, eine unglaubliche Schauspielerin, so todkomisch wie todesmutig, mit allen Nuancen zwischen brüchig und brachial. Freuen wir uns darauf. Aber erst trauern wir noch ein bisschen. Und überhaupt: Was hatte Bukow da am Ende noch gesagt? "Vielleicht komm' ich irgendwann wieder. Mal schauen." In diesem Sinne: So long, Sascha Bukow. Man sieht sich.

Quelle: ntv.de

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