Unterhaltung

Absturz eines "Comedians" Shame on you, Luke Mockridge

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Mit völlig deplatzierten Äußerungen über Menschen mit Behinderung und die Paralympischen Spiele schießt sich Luke Mockridge selbst ins Aus. Und das nicht zum ersten Mal. Der Sender Sat.1 zieht ihm deshalb den TV-Stecker. Zu Recht? Oder ist das die berühmt-berüchtigte "Cancel Culture"?

Es war dann doch ein ziemlich kometenhafter Aufstieg, den Luke Mockridge hingelegt hat. Ob es tatsächlich an seinem Talent gelegen hat oder eher an seiner Herkunft und seinem Umfeld, sei einmal dahingestellt. Schließlich hat der 35-Jährige mit dem Kabarettisten, Ex-"Lindenstraßen"-Darsteller und Gründer des Bonner "Springmaus"-Theaters, Bill Mockridge, einen prominenten Vater vom Fach. Auch seine Mutter Margie Kinsky ist Kabarettistin. Ganz zu schweigen davon, dass keine Geringeren als Hella von Sinnen und der verstorbene Dirk Bach einst als seine Pateneltern fungierten.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet die Bühne, die ihm einst Stefan Raab in "TV total" bereitete, mit dazu beitrug, Mockridge vom Tingeltangel-Comedian zum Star der Szene aufzubauen. Denn während Raab am kommenden Wochenende mit seinem Boxkampf gegen Regina Halmich womöglich zu einem fulminanten TV-Comeback ansetzt, hat sich Mockridge gerade vielleicht endgültig sein Grab als Witzereißer im Fernsehen geschaufelt.

Der Grund ist sein Auftritt in einem Podcast des Duos Nizar & Shayan, die sich an ihren Mikrofonen regelmäßig über Dialoge dieser Art beeumeln: "Wer ist euer Lieblingskünstler weltweit?" "Osama Bin Laden, er war so ein krasser Creative Director." Oder im Gespräch mit einer Astrologin: "Hast du Männer bei dir?" "Ja, ich hab Stammkunden." "Heterosexuelle Männer?" "Ja." "Die daran glauben?" "Ja." "Heterosexuelle Männer? An Astrologie? Boah, Sachen gibt's. Oder denkst du nur, die sind heterosexuell?" Oder mit Blick auf die Fragen, die vor einer Ehe geklärt werden sollten: "Wie läuft das? Was sind deine Wünsche? Was sind deine Bedürfnisse? Was erwartest du von mir?" "Was heißt, wie läuft das?" "Wie läuft für dich eine perfekte Ehe, eine schöne Ehe ab? Was erwartest du?" "Gleichberechtigung." "Ja, dann sagt sie so Sachen. So Fantasiewörter."

Nicht nur ein "Ausrutscher"

2022 geriet Nizar, der mit vollem Namen Nizar Akremi heißt, in die Kritik, weil er in einem Bühnenprogramm antisemitische Vorurteile geschürt haben soll. Laut der "Jüdischen Allgemeinen" erklärte er etwa - natürlich nur im "Spaß" - die Juden hätten "die ultimative Macht". Veranstalter kündigten daraufhin die Zusammenarbeit mit ihm auf. Auch TV-Sender wie das ZDF oder Sat.1 erklärten, sie wollten Nizar keine weitere Plattform mehr bieten. Wenn er und sein Kumpel Shayan (mit vollem Namen Shayan Garcia) auf Tour gehen, gastieren sie dennoch in Deutschlands größten Hallen. In ihrem Podcast begrüßen die beiden zudem gelegentlich auch prominente Gäste wie Bushido, Mario Barth - oder eben jetzt Luke Mockridge.

Das Niveau, auf das er sich begeben hat, als er seinen Gastauftritt bei Nizar & Shayan zusagte, dürfte Mockridge also durchaus bewusst gewesen sein. Dementsprechend wusste er sich rasch anzupassen, als er hier zu seinen herablassenden Äußerungen über die Paralympischen Spiele und ihre Athleten ansetzte, während seine Gegenüber Menschen mit Behinderung nachäfften. "Es gibt Menschen ohne Beine und ohne Arme. Die wirft man ins Becken. Und wer als Letzter ertrinkt, der hat dann gewonnen", lautet etwa eine Kostprobe von Mockridges "Humor".

Schon deshalb, weil er wusste, worauf er sich einließ, sind seine Podcast-Entgleisungen nicht irgendein "Ausrutscher", der Mockridge halt dummerweise mal eben passiert ist. Ganz abgesehen davon, dass es auch nicht der erste Eklat ist, den er produziert hat. Nicht gemeint sind hier die Vergewaltigungsvorwürfe, die eine Ex-Freundin gegen ihn erhoben hat, für die sich aber kein hinreichender Tatverdacht ergab - hier war Mockridge eher das Opfer von Verdachtsberichterstattung. Nicht wenige werden sich aber zum Beispiel auch noch an seinen Auftritt 2019 im "ZDF-Fernsehgarten" erinnern, mit dem er die ansonsten eigentlich nie zu entschärfende Gute-Laune-Granate Andrea Kiewel zu nicht für möglich gehaltener Weißglut trieb: "Shame on you, Luke Mockridge."

"Na, ihr Opis"

Auch dieser Auftritt war bereits vor allem eins: respektlos. Nicht weil man sich nicht über Fernsehflausch der Marke "Fernsehgarten" irgendwie lustig machen dürfte, sondern wegen der Art und Weise. "Na, ihr Opis", rief Mockridge damals dem Publikum zu, um dann erst einmal - offenbar in Anspielung auf das mutmaßlich etwas höhere Durchschnittsalter des "Fernsehgarten"-Publikums - einen "Witz" aus der Hölle zu machen. "Woran erkennt man eigentlich alte Menschen? Ich weiß es: Sie haben graue Haare, sie sind schrumpelig und sie riechen immer nach Kartoffeln." Mockridges Gaga-Auftritt gipfelte in Affengeräuschen, ehe "Kiwi" seinem Treiben ein Ende bereitete.

Im Nachhinein gab Mockridge den Ahnungslosen. Er habe "was Besonderes" machen wollen und deshalb für die Sendung Gags mit Kindern im Grundschulalter entwickelt, behauptete er. "Falls sich jemand beleidigt gefühlt hat, dann war das wirklich nicht meine Absicht", versuchte er sich in einer Relativierung seines Affentheaters, das nicht nur diskriminierend anmutete, sondern ganz offenkundig auch so gemeint war.

Ganz so, wie er es jetzt nach der Empörung wegen seiner unterirdischen Podcast-Gags, von denen er einen auch noch in schlechter Kopie vom US-Comedian Shane Gillis geklaut hat, versucht hat. "Selbstverständlich war es nie meine Absicht, Menschen mit Behinderung ins Lächerliche zu ziehen - besonders während dieser großartigen Paralympischen Spiele", versicherte Mockridge auf seiner Instagram-Seite. Dazu postete er ein Video, das belegt, dass er nicht nur mit Nizar & Shayan zu "Scherzen" über Behinderte aufgelegt war, sondern Ähnliches auch in seinem Bühnenprogramm verarbeitet. Zu seiner Rechtfertigung erklärte er: "Die Jokes habe ich gemeinsam mit einem paralympischen Sportler und Comedian erarbeitet."

Mathias Mester widerspricht

Gemeint ist Mathias Mester, der unter anderem bei den Paralympischen Spielen 2008 eine Silbermedaille im Kugelstoßen holte und den einige vielleicht auch wegen seiner "Let's Dance"-Teilnahme 2022 kennen. Der hat Mockridge inzwischen allerdings öffentlich auf seiner Instagram-Seite widersprochen: "Ich habe nicht mit Luke Mockridge an seinem Programm gearbeitet. Ich habe mit den diskriminierenden Äußerungen in Bezug auf die Paralympics nichts zu tun. Ich finde sie geschmacklos und grenzüberschreitend."

Zwar, so Mester, habe ihn Mockridge im vergangenen Jahr auf ein paar Witze über Kleinwüchsige angesprochen und ihn gefragt, wie er sie finde. "Ich fand sie lustig und das habe ich ihm gesagt", erklärt der 37-Jährige. Aber: "Die Aussagen im Podcast sind etwas völlig anderes und haben mit Humor in meinen Augen nichts zu tun."

So kann man sich über die Dreistigkeit, aber auch die Naivität von Mockridge eigentlich nur noch wundern. Und das hat nichts mit übertriebener Political Correctness zu tun. Was geht und was nicht, lässt sich vielmehr schon seit 75 Jahren im Grundgesetz nachlesen: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden", heißt es da.

Die Empörung ist berechtigt

Natürlich absolvieren Comedians und Kabarettisten hier stets eine Gratwanderung - denn gerade, sich mit politischen Anschauungen auseinanderzusetzen, ist bei ihnen oft das Salz in der Suppe. Dass aber Minderheiten und Menschen mit Merkmalen, für die sie nichts können, einen besonderen Schutz erfahren, sollte doch bitte schön weiter Common Sense sein. Die Empörung, die Mockridge nun entgegenschlägt, ist deshalb auch nur allzu berechtigt.

Dennoch werden einige jetzt laut "Cancel Culture" rufen, da Veranstalter sich von Mockridge distanzieren und Sat.1 sogar die mit ihm geplante Show "Was ist in der Box?" aus dem Programm gekickt hat. Doch bitte, was soll ein Sender tun, wenn er befürchten muss, dass sein offenbar regelmäßig außer Kontrolle von Würde, Sitte und Anstand geratender Protagonist mal wieder verbal vor laufenden Kameras Amok läuft?

Mockridge wird sicher auch weiterhin Menschen finden, die ihn trotz oder gerade wegen seiner Entgleisungen auf der Bühne feiern werden. Seine Tage als TV-Clown könnten hingegen jetzt tatsächlich gezählt sein. Vergeudetes Talent? Das mag so sein oder auch nicht. Den Athleten bei den Paralympischen Spielen kann man ihr gleich doppeltes Talent, ihrer Behinderung zu trotzen und dabei noch Höchstleistungen zu absolvieren, hingegen definitiv nicht absprechen. Was das angeht, sind sie Mockridge in jeder Hinsicht überlegen.

Quelle: ntv.de

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