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"Das drucken Sie aber nicht!" Sven Michaelsen schadet der Dummheit

In der "Ehehölle": Jeff Koons und Pornodarstellerin  Cicciolina.

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(Foto: imago/ZUMA/Keystone)

Die Aussage in der Überschrift stammt von Peter Sloterdijk und ist so wahr: Bei Sven Michaelsen geht es um Sex, Kunst, Saufen, Essen, Liebe, Verrat, Geld, Tod - die Dinge des Lebens. Und Michaelsen weiß, was er bringen darf und was nicht. Jetzt als Buch.

Interview-Situation: Zwei Menschen sitzen sich im Idealfall gegenüber und unterhalten sich. Der eine fragt, die andere antwortet. Oder umgekehrt. Einer, der das richtig gut kann, ist der Journalist Sven Michaelsen. Er scheint diese magische Art zu haben, die jeden guten Interviewer auszeichnet: Er kitzelt ohne große Not und scheinbar ohne allzu viel Mühe Dinge aus den Menschen heraus, die sie vielleicht gar nicht erzählen wollten. Und ohne seine Interviewpartner bloßzustellen, ist es dem "SZ-Magazin"-Journalisten, der 20 Jahre Reporter und Autor beim "Stern" war, gelungen, ein Buch voller interessanter Gespräche zu veröffentlichen. Mit Details, die zu gut sind, um sie sich auszudenken. So ist das Leben.

Bekommt heraus, warum einer Callboy war und ein anderer von der Stiefmutter vergewaltigt wurde: Sven Michaelsen.

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(Foto: Andra/ Amazon)

Er stellt Fragen wie: "Sind Sie beide privat auch ein geselliges Paar?" Da könnte es dem Journalisten auch passieren, dass der Gefragte mit den Augen rollt, bittend den beisitzenden Agenten/Aufpasser/Anstandswauwau anschaut und der dann sagt: "Keine privaten Fragen." Bei Michaelsen antwortet das Gegenüber jedoch genauestens, lässt tief blicken, addiert sogar noch ein paar Zusatzinformationen, die gar nicht gefragt wurden.

Michaelsen stellt auch Fragen, die gar keine Fragen sind. Er beginnt ein Interview zum Beispiel mit: "Ihr Deutsch ist immer noch Wienerisch gefärbt." Da könnte die befragte Person nun sagen: "Ja." Oder: "Stimmt." Macht sie aber nicht, die befragte Person in diesem Fall sagt: "(...) Mein Urschleim ist der 7. Bezirk."  Und noch vieles mehr.

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Michaelsen fragt nach Geld, nach Sex, nach Frauen, nach Betrügereien, nach Kunst und nach der Zeit in Auschwitz. Er fühlt den Dingen und den Menschen auf den Zahn und sie lassen sich anscheinend zu gerne auf den Zahn fühlen. Dabei geht es um Klatsch und Tratsch, ja, aber auch um das Leben, das aktuelle, das gelebte, das verblasste. Die KZ-Überlebende und Schriftstellerin Ruth Klüger erzählt Michaelsen, dass sie Auschwitz nicht überlebt habe, sie sei ein totes Kind. Eine Aussage, die man sacken lassen sollte, über die man gerne nachdenken darf.

Keine Tabuthemen

Ein anderer sagt: "Saufen ist Arbeit, Saufen ist ein Beruf." Das stammt von Jürgen Teller, dem berühmten Fotografen, der mit Nacktfotos von Charlotte Rampling und Vivienne Westwood Furore machte. Der "Teaser" zum Kapitel mit Teller ist für jeden Boulevard- und anderen Journalisten ein Lehr- und Meisterstück dessen, wie man einen Leser in seine Geschichte zieht: "Jürgen Teller über Alkoholexzesse und Nordic Walking, über die bombastischen Eitelkeiten von Celebrities und warum er am Grab seines Vaters nackt und mit Zigarette in der Hand Fröhlich-Bier aus der Flasche trinkt." Noch Fragen?

Ja, sehr viele, und die werden unter anderem von Rupert Everett ("Ich glaube nicht mehr an horizontalen Sex - er geht zu sehr auf die Ellenbogen"), Jeff Koons ("Sex ist ein Narrativ, das nicht lügen kann") oder Diane von Fürstenberg ("Ich wollte ein Männerleben in einem Frauenkörper - und Männer jagen nunmal") beantwortet.

Sven Michaelsen schafft es, dass er dem Leser ein paar sehr vergnügliche Stunden bereitet; so vergnüglich, dass man das Buch immer mal wieder aus der Hand legen will, weil man es nicht zu schnell durchgelesen haben möchte.

Quelle: ntv.de

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