"Haywire" ist "Ocean's Eleven" auf Speed Diese Frau schlägt zurück
07.03.2012, 09:49 Uhr
Mallorys Arbeit erfordert vollen Einsatz.
(Foto: Concorde Filmverleih)
Wer Mallory zu nahe kommt, lebt gefährlich. Die Agentin ist eine Kampfmaschine, die allerdings erst nachdenkt und dann zuschlägt. Das muss sie auch, denn man(n) hat es auf ihr Leben abgesehen. Gut, dass sich Mallory auf ihre Fäuste und Füße verlassen kann.
Steven Soderbergh ist ein Alleskönner: Der US-Regisseur dreht unterhaltsame Gangsterfilme, politische und soziale Dramen, Science-Fiction-Filme und Thriller. Mit "Haywire" ergründet Soderbergh nun ein weiteres Genre: den Actionfilm. Genauer gesagt: den Martial-Arts-Action-Reißer.
Im Mittelpunkt steht die Agentin Mallory Kane (gespielt von Gina Carano). Sie arbeitet für eine private US-Sicherheitsfirma, die von Kenneth (Ewan McGregor mit unglaublich schlechter Frisur) geleitet wird. Er nimmt geheime Sonderaufträge von der Regierung an. Männer in Anzügen und langen Mänteln (u.a. Michael Douglas und Antonio Banderas) handeln die Aktionen in Hinterzimmern aus - und sie alle wollen Mallory. Denn sie gilt als intelligent und kampfstark.
Fragen sind fehl am Platz
Woher die Auftraggeber kommen, was ihre genaue Funktion ist, welchem Zweck der Auftrag dient, wer dahinter steht und davon profitiert erfährt man allerdings nie. Fragen sind in diesem Geschäft fehl am Platz. Blindes Vertrauen ebenso. Das muss Mallory bald erkennen, als sie nach einem scheinbar erfolgreich verlaufenden Einsatz in Barcelona selbst ins Fadenkreuz gerät.
In Dublin deckt die Agentin ein Komplott auf, dem sie zum Opfer fallen soll. Ein Killer ist auf sie angesetzt. Doch alle Fluchtversuche scheitern, ihre Verfolger spüren sie auf - sie scheinen übermächtig. Trotzdem gelingt Mallory die Reise zurück in die USA, wo sie ihren Vater, einen erfolgreichen Autor von Militär-Büchern, um Hilfe bittet. Sie versucht, den Hintermännern der Intrige auf die Spur zu kommen und sie zur Strecke zu bringen. Und das macht sie gründlich.
Es sind jene Hintermänner, die einen roten Faden im Werk Soderberghs bilden. Immer gibt es da einen Schatten, eine graue Eminenz, eine nicht zu fassende Macht, die alle Fäden in der Hand zu halten scheint. Soderberghs Protagonisten nehmen den Kampf gegen diese unbekannte Gewalt auf, seien es nun Energie- oder Agrarkonzerne, mächtige Drogenbosse oder fiese Casino-Betreiber. Der Kampf gegen jene Macht steht auch im Mittelpunkt von "Haywire".
Loyalität und Legitimität
Auswahl der Regie-Arbeiten: Sex, Lügen und Video (1989), Out of Sight (1998), Traffic (2000), Erin Brockovich (2000), Ocean’s Eleven (2001), Solaris (2002), Ocean’s Twelve (2004), The Good German (2007), Ocean’s Thirteen (2007), Che (zwei Teile, 2008), Der Informant! (2009), Contagion (2011)
Mehr muss man über die Handlung, die in einen überzeugenden Rahmen eingebettet ist, in dem Mallory ihre Geschichte erzählt, gar nicht wissen. Denn wer auf welcher Seite steht und aus welchem Antrieb handelt, erfährt man erst ganz am Ende - oder gar nicht. Dass die Fragen nach Loyalität und Legitimität mehrfach gedreht und gewendet werden, dass sie sich so komplex wie die Realität erweisen, ist eine der großen Stärken von "Haywire". Soderbergh ist eben nicht der Mann für einfache Antworten.
Doch er ist der Mann für einen gelungenen Soundtrack. Das beweist er hier erneut. Die Musik - zwischen Jazz, Funk, Dancefloor und Fahrstuhl - erinnert irgendwie an die "Ocean's"-Trilogie. Nur hat Mallory nichts vom äußerlichen Charme eines George Clooney, haben die Aufträge, die sie erledigt, nichts vom Glamour eines Gentleman-Gangsters. Mallorys Arbeit ist schmutzig, blutig und brutal. Hier gilt nicht das Recht des geschickteren Betrügers, sondern das des Stärkeren.
Gerade deshalb ist es ein Glück, dass Soderbergh bei der Besetzung der Mallory nicht auf eine etablierte Schauspielerin zurückgriff, sondern stattdessen die erfahrene Martial-Arts-Kämpferin Gina Carano engagierte. Sie verleiht den Kampfszenen, die größtenteils ohne Schusswaffen und ganz ohne Explosionen auskommen, eine starke körperliche Präsenz, die den Film über den Durchschnitt hebt. Gerade der Einsatz von Fäusten und Beinen hebt sich wohltuend vom üblichen Action-Geballer ab.
Exzellentes Schauspieler-Ensemble
Carano, für die es der zweite Film und die erste Hauptrolle ist, stellt Soderbergh ein exzellentes Starensemble zur Seite: Neben Ewan McGregor als heuchlerischem Chef der Sicherheitsfirma sowie Michael Douglas und Antonio Banderas als undurchsichtige Auftraggeber überzeugen auch der Deutsch-Ire als charmanter Killer und Channing Tatum als Mallorys Kollege.
"Haywire" erfindet das Action-Genre nicht neu, es fügt ihm aber eine weitere, interessante Seite hinzu: Eine Frau, die Fragen stellt, die Vorurteilen trotzt und sich mit allen Mitteln ihren Weg bahnt. Zwar gibt es bereits Action-Filme mit Frauen in der Hauptrolle, "Haywire" überzeugt aber vor allem dadurch, dass Mallory ihren männlichen Gegenspielern in allen Belangen, auch körperlich, gleichwertig oder überlegen gegenübertritt.
Soderbergh jedenfalls scheint seine Hauptfigur zu mögen. Die Handlung weist subtil auf eine mögliche Fortsetzung hin. Denkbar, dass nach der "Ocean's"-Trilogie nun eine Mallory-Reihe folgt.
"Haywire" startet am 8. März in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de