Musik

Interview mit Soundgarden "Wir haben den schönsten Job der Welt"

Chris Cornell steht auf deutsche Gitarren; auch seine Biker-Jacke hat er in Deutschland gekauft.

Chris Cornell steht auf deutsche Gitarren; auch seine Biker-Jacke hat er in Deutschland gekauft.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Auflösung, Wiedervereinigung, neues Album – nach 15 Jahren Abstinenz sind Soundgarden zurück und touren wieder durch die großen Konzerthallen. Im Interview mit n-tv.de sprechen Sänger Chris Cornell und Bassist Ben Shepherd über Deutschland, die Musikszene und ihre Pläne für die Zukunft.

In einem schmalen Hinterzimmer der Columbia-Halle in Berlin sitzen zwei lebende Legenden. Chris Cornell und Ben Shepherd haben mit ihrer Band Soundgarden Musikgeschichte geschrieben. Sie gehören zu den Göttern des Grunge, von Seattle aus eroberten sie wie Pearl Jam, Alice in Chains und Nirvana die Welt. 1997 trennte sich die Band nach Hits wie "Black Hole Sun" oder "Spoonman", 2012 taten sie sich wieder zusammen. Eine Stunde vor ihrem Auftritt wirken die Helden ein bisschen müde. Sänger und Gitarrist Cornell, mittlerweile 49 Jahre alt, liegt mehr auf dem schwarzen Ledersofa, als er sitzt. Neben ihm sitzt Bassist Shepherd, 44, mit einer schwarzen Ray-Ban. Das Konzert in Berlin ist das einzige Deutschlandkonzert der aktuellen Tour. Draußen strömen die Zuschauer zur Halle, den meisten sieht man an, dass sie Fans der ersten Stunde sind.

Das sind Soundgarden (v.l.): Chris Cornell, Matt Cameron, Kim Thayil und Ben Shepherd.

Das sind Soundgarden (v.l.): Chris Cornell, Matt Cameron, Kim Thayil und Ben Shepherd.

(Foto: REUTERS)

n-tv.de: Was verbindet ihr mit Berlin?

Chris Cornell: Mittlerweile verlaufe ich mich andauernd. Als wir das erste Mal hier waren, stand die Mauer noch, da war es sehr leicht, sich in West-Berlin zu orientieren. Als die Mauer gefallen war, war die Stadt riesig. Plötzlich wussten wir nicht mehr, wo wir sind. Aber Berlin gefällt mir einfach, vor allem die Architektur, die Mischung aus Alt und Neu. Als wir in die Stadt gefahren sind, habe ich ein altes Gebäude gesehen, das den Krieg überlebt hat und gleich daneben stand ein Neubau.

Wo spielt ihr in Deutschland am liebsten?

Ben Shepherd: Ich erinnere mich gern an unsere Auftritte im "Docks", ein berühmter Rock-Club in Hamburg. Da haben wir ein paar Mal gespielt.

Chris Cornell: Ich liebe es, in Köln zu spielen.

Shepherd: Ja stimmt, ich war immer richtig sauer, wenn wir mal nicht dort gespielt haben.

Cornell: Zu unserem ersten Konzert in Köln sind wir mit dem Zug gefahren. Kurz bevor wir angekommen sind, haben wir plötzlich den Dom gesehen. Schockierend!

Shepherd: Er ist so schön.

Cornell: Ja, ich habe mir damals übrigens die Biker-Jacke gekauft, die ich auf der Rückseite unseres Albums "Bad Motor Finger" trage. Das Soundgarden-Logo habe ich draufgemalt.

Was kauft ihr noch besonders gern in Deutschland?

Cornell: Ich spiele deutsche Gitarren von Duisenberg.

Shepherd: Die sind verdammt gut.

Cornell: Absolut. Die hören sich super an.

Als ihr angefangen habt, wart ihr vier junge Typen, die die Welt erobern wollten. Was seid ihr jetzt: Vier ältere Herren mit dem schönsten Job der Welt?

Cornell: (lacht) Ich würde sagen, es ist immer noch beides! Neu ist, dass wir plötzlich erwachsen sind und immer noch den schönsten Job der Welt haben. Aber ich würde das, was wir machen, auch nicht als normalen Job bezeichnen.

Was ist denn besser: die Vergangenheit oder das jetzt?

Cornell: Ich möchte keines vorziehen. Das, was jetzt ist, wäre ja nichts ohne die Vergangenheit. Aber trotz allem kommerziellen Erfolgs sind wir immer irgendwie Außenseiter geblieben.

Jung und rebellisch: Ein Bild von Soundgarden aus dem Jahr 1994.

Jung und rebellisch: Ein Bild von Soundgarden aus dem Jahr 1994.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Inwiefern?

Cornell: Früher haben wir mal auf Alternative-Rock-Festivals gespielt und passten da nicht so richtig hin, dann haben wir auf Metal-Festivals gespielt und auch da nicht so richtig dazugehört. So bekamen wir auch dieses Gefühl: Wir gegen den Rest der Welt. Heute sind auch die Fans für mich ein wichtiger Teil von dem, was wir tun. Sie kommen nicht einfach zu unseren Konzerten, weil wir ein neues Video rausgebracht haben.

Wenn du ein Jahrzehnt wählen könntest, um in einer Rockband zu spielen, welches wäre das?

Shepherd: Genau jetzt!

Aber warum? Die Branche ist doch seit Jahren in der Krise!

Shepherd: Ach, was soll's. Wir können abrocken, ich spiele in meiner Lieblingsband: Alles ist cool so, wie es ist.

Was ist denn an der heutigen Zeit so gut?

Cornell: Heute kann sich jeder durch seine Musik mitteilen. Alle haben die gleichen Möglichkeiten wie du. Ich finde nicht, dass das goldene Zeitalter hinter uns liegt, um in einer Rockband zu sein und Platten aufzunehmen. Das ist alles gar nicht so anders als früher. Heute wirst du über Youtube zum Popstar, früher durch eine Talentshow.

Shepherd: Letztlich musst du dasselbe Glück und denselben Antrieb haben, um es zu schaffen. Egal, aus welcher Richtung man kommt. Ich habe nach der Trennung von Soundgarden mit ein paar Leuten gejammt, um vielleicht eine Band zu gründen. Aber sie waren eher Hobbymusiker, die nicht wirklich hart arbeiten wollten. Es ist echt frustrierend, solche Leute um sich zu haben

1997 haben sich Soundgarden getrennt. Wie hat sich das angefühlt - so, als ob die Freundin Schluss macht?

Cornell: Man kann das nicht vergleichen. Es war einfach traumatisch. Mir ging es damals nicht gut. Und die Auflösung der Band hat es noch schlimmer gemacht.

Shepherd: Wir sind alle enge Freunde. Es gab damals kein Trauma in der Band, aber wir waren einfach ausgelaugt. Daher war es besser, sich zu trennen.

Cornell: Das Geschäft stand irgendwann zu sehr im Vordergrund. Wir hatten so klein angefangen, aber plötzlich bestimmte es alles andere.

Und warum habt ihr euch dann wieder zusammengetan?

Shepherd: Es ging ums Geschäft. (lacht) Wir mussten ein paar Entscheidungen über die Vermarktung unserer alten Platten treffen.

Cornell: Wir hatten damals gehört, dass Leute sich Soundgarden-T-Shirts kaufen wollten, aber es gab einfach keine mehr. Da dachten wir: "Was? Das kann doch nicht sein." Wir saßen also zusammen und sprachen darüber, zum Spaß mal wieder ein Konzert zu spielen. So kam eins zum anderen.

Habt ihr neue Einflüsse ins neue Album eingebracht?

Cornell: Nehme ich an, ja. Aber nicht so, dass ich sagen würde, dieses oder jenes Stück basiert jetzt auf dem Einfluss einer bestimmen Band.

"Wir sind immer irgendwie Außenseiter geblieben", sagt Cornell.

"Wir sind immer irgendwie Außenseiter geblieben", sagt Cornell.

(Foto: Chris Pizzello/Invision/AP)

Welche aktuelle Musik gefällt euch?

Cornell: Ich will jetzt hier keine Werbung für andere Bands machen. (lacht)

Shepherd: Ich entdecke eher ältere Musik neu. Von russischer Oper bis Robin Trower.

Cornell: Oh ja, sein Album "Bridge Of Sighs" habe ich drei Mal. Ich habe es zwar nie gekauft, aber ich hatte den Proberaum bei mir zu Hause, sodass immer wieder Leute die Platte mitgebracht und dann bei mir liegengelassen haben.

Shepherd: Ich höre auch gern Leon Redbone.

Cornell: In welche Kategorie würdest du ihn einordnen?

Ben: Keine Ahnung, worunter er bei iTunes läuft, wahrscheinlich Folk-Music. Es gibt so viele tolle Gitarristen und Songwriter ...

Benutzt ihr neue Musikdienste wie Spotify?

Shepherd: Einer der Jungs, der für uns arbeitet, will mich immer davon überzeugen. Aber mir gefällt nicht, wie sie die Künstler bezahlen. Und ich bin sowieso ein Vinyl-Typ. Ich mag den analogen Sound - wenn ich einen Song höre, kann ich dir sofort sagen, ob es eine Vinylplatte oder eine CD ist.

Wie viele Platten hast du?

Shepherd: Nicht so viele, wie man meinen könnte. Ich hatte mal viel mehr. Es kamen ständig Leute zu mir und sagten: "Hey Ben, kann ich mir die ausleihen?" Und dann habe ich sie nie wieder gesehen.

Anderes Thema: Schaut ihr nach Konzerten eigentlich noch nach den Meinungen der Fans, zum Beispiel auf Twitter oder Facebook?

Shepherd: Früher schon, aber mittlerweile nicht mehr. Ich ärgere mich dann nur.

Cornell: Ich schaue da manchmal rein. Aber wir sind selbst unsere schärfsten Kritiker. Außerdem ist es im Internet doch so: Egal, was du schreibst, du bekommst extrem positive oder negative Reaktionen. Entweder es heißt: "Du bist super, wir lieben dich!" oder "Du bist ein verdammter Idiot!"

Wie gehts weiter mit Soundgarden?

Cornell: Es geht weiter. Nächstes Jahr bringen wir sicherlich eine B-Seiten-Compilation heraus. Ein neues Album wird auch kommen.

Mit Chris Cornell und Ben Shepherd sprachen Volker Petersen und Christian Rothenberg

Quelle: ntv.de

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