Faktenchecks und Argumente AfDnee setzt auf schockierende Wahrheiten


Ein AfDnee-Plakat an einer Landstraße in Brandenburg.
(Foto: ntv.de/Solveig Bach)
Bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg geben viele Menschen der AfD ihre Stimme. Der Verein Demopuk e. V. versucht zu erklären, warum die Partei vor allem für ihre eigenen Wähler ein Problem ist.
Im Brandenburger Wahlkampf waren hier und da Plakate zu sehen, die irritierten. Aus ihnen ging nicht hervor, wen man wählen soll. Nur wo man sein Kreuz nicht machen sollte, wurde deutlich ausgesprochen. Denn dort stand "Wählen ja. #AfDnee".
Schaut man auf die Brandenburger Wahlergebnisse, ist dieser Wunsch in Erfüllung gegangen und auch nicht. Denn die Wahlbeteiligung war mit 72,9 Prozent so hoch wie noch nie bei einer Landtagswahl in Brandenburg. Allerdings stimmten 29,2 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die AfD, die damit hinter der SPD (30,9 Prozent) zweitstärkste Kraft im Land wurde.
Hinter AfDnee steht der Frankfurter Verein "Demopuk e. V. - Verein zur Förderung demokratischer Bildung und Kultur". Dessen Vorsitzender, Philipp Jacks, ist nach der Wahl trotzdem überzeugt, dass es richtig ist, der AfD entgegenzutreten. "Unsere Initiative wurde vor dem Hintergrund gegründet, dass die AfD immer stärker wird und mit ihr Meinungen mehrheitsfähig werden, die gegen das Grundgesetz und die Menschlichkeit verstoßen", sagt er im Gespräch mit ntv.de.
"Ich wollte nur, ..."
Die Idee hinter der Werbekampagne, die inzwischen die Landtagswahlen in Hessen, Thüringen, Sachsen und Brandenburg sowie die Europawahl begleitet hat, sei deshalb direkt an Menschen gerichtet gewesen, die der AfD ihre Stimme geben wollen. Dabei gehe es darum, "möglichst einfach und verständlich darzulegen, warum die AfD nicht nur in demokratietheoretischen Sinn ein Problem ist, sondern auch für ihre eigenen Wähler".
Unmittelbar vor der Wahl hatte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, vor den Folgen einer starken AfD für die Wirtschaft gewarnt. In der "Neuen Osnabrücker Zeitung" beschrieb Fratzscher einen "Teufelskreis": Dort, wo es besonders viel Zustimmung für die Rechtsaußen-Partei gebe, würden Fachkräfte und Unternehmen häufig abwandern. "Im Umkehrschluss steigt die Frustration derjenigen, die zurückbleiben." Von einer solchen Entwicklung profitiere wiederum die AfD.
Bei AfDnee wird aus diesem Befund ein Anzeigenmotiv, dass einen fiktiven Arbeitnehmer zeigt, der 2026 feststellt: "Ich wollte nicht, dass mir Ausländer die Arbeit wegnehmen. Jetzt macht meine Firma dicht, weil Arbeitskräfte fehlen." Oder ein weiteres Motiv, in dem ein fiktiver Handwerkmeister 2027 sagt: "Ich wollte nur, dass weniger Ausländer ins Land kommen. Jetzt finde ich keine Azubis mehr." Begleitet wird das mit Faktenchecks auf einer Internetseite, auf der programmatischen Aussagen der AfD Tatsachen gegenübergestellt werden.
Man versuche, mit Argumenten darzulegen, wie sich AfD-Wählerinnen und -Wähler selbst schaden, so Jacks. Schon im August 2023 war das DIW in einer Studie zu dem Schluss gekommen, dass Menschen, die die AfD unterstützen, am stärksten unter der AfD-Politik leiden würden, "und zwar in Bezug auf fast jeden Politikbereich".
Weiter hieß es in der DIW-Studie, die AfD-Wählerschaft sei besonders häufig in ländlichen und strukturschwachen Regionen zu Hause, die unter Abwanderung leiden und ökonomisch abgehängt zu werden drohen. In Brandenburg stimmten zudem besonders oft Erst- und Jungwähler für die AfD, zeigen Auswertungen des Wahlverhaltens. Jacks sieht für diese Gruppen unmittelbare Folgen, wenn die AfD wirklich Regierungsverantwortung tragen würde, "weil Jobs wegfallen würden und die AfD Arbeitnehmerrechte schleifen will".
Keine klassische Wahlwerbung
Der Verein, der sich aus Spenden finanziert, bietet Plakatmotive und Flyer an, die Interessierte zum Selbstkostenpreis kaufen können. In den zwei Wochen vor der Wahl in Brandenburg seien von dort viele Bestellungen eingegangen, sagt Jacks. "Ich habe keine Gesamtzahl für Brandenburg, aber wir haben in den letzten sechs Monaten 250.000 Flyer zum Selbstkostenpreis verkauft." Der Unterschied zur Wahlwerbung der Parteien sei, dass Menschen selbstorganisiert diese Handzettel verteilten oder die Plakate aufhängten.
Der Verein und seine Mitglieder richten sich schon auf die Bundestagswahlen im kommenden Jahr aus. "Weitermachen werden wir auf jeden Fall. Die Frage ist im Moment wie. Wir finanzieren uns ausschließlich durch Spenden." Das habe bisher gut funktioniert. "Allerdings stehen wir jetzt vor der Entscheidung, ob wir das weiterhin als komplett ehrenamtlicher Verein schaffen können."
Jacks und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter hoffen darauf, neue Spenden generieren zu können, um eine "stabile Finanzierung hinzukriegen und dass wir dann auch zur Bundestagswahl neue Motive entwickeln können". Gerade hat AfDnee nach eigenen Angaben eine Möglichkeit gefunden, Aufkleber kostenlos zu versenden.
Gedanken angestoßen?
Auch wenn die ursprüngliche Idee, potenzielle AfD-Wählerinnen und Wähler aufzuklären und zu einer anderen Wahlentscheidung zu motivieren, vielleicht nicht aufgegangen sei, sehen die Initiatoren von AfDnee Effekte ihrer Arbeit. "Auch in den sozialen Medien ist es sehr schwer messbar, ob man nun in einem Gehirn eines AfD-Wählenden einen Gedanken angestoßen hat oder nicht, weil die in der Regel nicht teilen oder liken, sondern sich im besten Fall ihren Teil denken."
Es habe sich aber eine zweite Zielgruppe gezeigt, nämlich kritische Menschen, denen es an Argumenten gefehlt habe, um mit ihrem Umfeld über die AfD zu diskutieren. "Wir haben den Eindruck, dass wir viele Menschen erreichen und mit Argumenten versorgen und dass auch viele Menschen von unserer Idee überzeugt sind und sich engagieren."
Jacks verweist auf die großen Demonstrationen zu Jahresbeginn, als Hunderttausende für den demokratischen Rechtsstaat auf die Straße gingen. "Das hat ja an den Zustimmungswerten zur AfD nichts verändert." Es sei nur ein Teil, die gemeinsamen Werte zu betonen. "Der andere Teil muss eben auch sein, deutlich zu benennen, das würde mit der AfD an der Regierung passieren. Und das nicht nur abstrakt, sondern auch ganz konkret für den und die Einzelnen."
Quelle: ntv.de