Panorama

Schwerer Unfall in Berlin Zwei Jahre Haft auf Bewährung für SUV-Fahrer

Der Angeklagte gab an, erst im Mai 2019 seinen ersten epileptischen Anfall gehabt zu haben.

Der Angeklagte gab an, erst im Mai 2019 seinen ersten epileptischen Anfall gehabt zu haben.

(Foto: dpa)

Trotz bekannter Epilepsie-Erkrankung und einer nicht lange zurückliegenden Gehirn-OP steigt ein 45-Jähriger im September 2019 in seinen SUV und fährt durch Berlin-Mitte. Er erleidet einen Anfall und überfährt vier Menschen. In dem Urteil geht das Gericht im Strafmaß über den Antrag der Staatsanwälte hinaus.

Nach einem Unfall mit vier Toten in der Berliner Innenstadt ist der angeklagte Autofahrer zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Das Landgericht Berlin sprach den SUV-Fahrer der fahrlässigen Tötung und Gefährdung des Straßenverkehrs schuldig. Das Gericht ging damit über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus. Der heute 45 Jahre Michael M. war trotz einer Epilepsie-Erkrankung und einer Gehirnoperation einen Monat vor dem Unfall Auto gefahren.

Der schwere Wagen des Mannes war am 6. September 2019 über die Gegenfahrbahn hinweg von der Invalidenstraße abgekommen. Der SUV (SUV, Abkürzung für: Sport Utility Vehicle) überschlug sich und tötete vier Menschen auf dem Gehweg - einen Dreijährigen und seine Großmutter im Alter von 64 Jahren sowie zwei 28 und 29 Jahre alte Männer.

Das Gericht entzog dem 45-Jährigen die Fahrerlaubnis und verhängte eine zweijährige Führerscheinsperre - zudem 15.000 Euro als Auflage. "Er hätte erkennen können und müssen, dass er sich nicht hinter das Steuer setzen durfte", so das Gericht.

Nebenklage: Fahrer verstieß bewusst gegen ärztliche Auflagen

Der Fall hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt - und schnell eine Diskussion um die Gefahren im Straßenverkehr ausgelöst. Anfangs stand dabei die Frage im Zentrum, ob SUV-Fahrzeuge besonders gefährlich sind. Im Prozess war jedoch die Frage nach der Fahrtauglichkeit des Angeklagten zentral, und ob ein epileptischer Krampfanfall für ihn vorhersehbar war. Vermutlich wäre es auch bei einem Kleinwagen zu einem schrecklichen Unfall gekommen, hieß es im Prozess.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hätte der Unternehmer wegen einer strukturellen Epilepsie und einer Gehirnoperation nur einen Monat vor dem Unfall nicht am Steuer sitzen dürfen. Sie hatte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung beantragt. Nach Auffassung der Anwälte, die Hinterbliebene als Nebenkläger vertraten, hat der 45-Jährige bewusst gegen ärztliche Auflagen verstoßen.

Der deutsche Angeklagte hatte zu Prozessbeginn Ende vergangenen Oktober erklärt, er sei zutiefst verzweifelt über das Leid, das sein Unfall verursacht habe. Er habe im Mai 2019 erstmals einen epileptischen Anfall gehabt. Mit einer Tumor-Operation und mit einer Medikation habe er danach alles getan, um einen zweiten Anfall auszuschließen.

Nichts kann den Schmerz der Angehörigen lindern

Im Laufe des Prozesses hatte sich herausgestellt, dass Michael M. zum Teil falsche oder zumindest unvollständige Angaben seiner behandelnden Ärzte zu seiner Fahrtauglichkeit gemacht worden waren. Dass es eine nur unzureichende Aufklärung über das Risiko eines erneuten epileptischen Anfalls gab, legte das Gericht als strafmildernd aus. Außerdem habe der Angeklagte durch seine eigenen Angaben und die Entbindung seiner Ärzte von der Schweigepflicht die umfassende Aufklärung des Falles erst ermöglicht.

Das Gericht stellte aber zugleich fest, dass der Angeklagte vor jedem Fahrtantritt eigenverantwortlich hätte prüfen müssen, ob er tatsächlich am Straßenverkehr teilnehmen kann, ohne sich selbst oder andere zu gefährden. Dieses Risiko habe der Angeklagte unterschätzt, "nach seinen objektiven und subjektiven Fähigkeiten wäre er aber in der Lage gewesen, diese Fehleinschätzung zu vermeiden", teilte das Gericht mit. Er hätte sich aufgrund der zum Teil widersprüchlichen Angaben der verschiedenen Ärzte ausdrücklich danach erkundigen müssen, welche Regeln für ihn gelten, so der Vorsitzende Richter in seiner mündlichen Urteilsbegründung.

Hätte er dies getan, wäre ihm gesagt worden, dass er nach dem ersten epileptischen Anfall im Mai 2019 zwölf Monate lang kein Fahrzeug hätte führen dürfen. Der Angeklagte selbst hatte demnach eingeräumt, dass einer seiner Ärzte ihn noch zehn Tage vor dem Unfall vor dem Autofahren gewarnt habe. Deshalb war sein Handeln nach Einschätzung des Gerichts bewusst fahrlässig.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Vorsitzende Richter betonte im Hinblick auf das verhängte Strafmaß, dass das Strafrecht angesichts des tragischen Todes von vier Menschen an seine Grenze stoße. Nichts könne den Schmerz der Angehörigen lindern.

Quelle: ntv.de, jog/dpa

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